Liebe Kinder, liebe Frauen und Männer
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Es freut mich als SP-Nationalrätin und Gewerkschafterin sehr, hier in Solothurn mit euch zusammen den 126.Tag der Arbeit zu feiern. Der Tag, an dem die Arbeit ruhen soll. Ausser für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die immer Dienst haben: in den Spitälern, im öffentlichen Verkehr, in der Polizei.
Der 1. Mai ist ein Fest der Solidarität. Wir erinnern uns stolz an den Kampf der Arbeiterbewegung für den 8-Stunden-Tag, für die AHV und die Mutterschaftsversicherung. Dank der Mutterschaftsversicherung steigt die Geburtenrate in der Schweiz seit 2005 wieder an! Es ist erfreulich, auch hier diese zahlreichen jungen Familien mit Kindern und Jugendlichen zu sehen.
„Nur ein starker Staat ist ein sozialer Staat“ ist das Zitat, das unser Genosse Willi Ritschard selig als Solothurner Bundesrat prägte. Im gleichen Zusammenhang sagte Willi Ritschard auch: „Nur die Reichen können sich einen armen Staat leisten“.
Noch nie gab es in der Schweiz einen derart geballten Angriff der rechten Parteien auf den Sozialstaat und auf das Bundespersonal wie 2016 nach dem Rechtsrutsch im Nationalrat! Parallel dazu Milliarden-Steuergeschenke für Konzerne und Aktionäre sowie Milliarden-Staatsabbau-Programme, welche die Schweiz zur Abbruch-GmbH umfunktionieren wollen.
Diese Politik von ungeheuren Steuergeschenken und Abbaumassnahmen bei staatlichen Leistungen setzt die breite Bevölkerung, aber auch die Kantone und Gemeinden unter Kostendruck.
Gebietet der Ständerat, oder dann das Volk an der Urne dieser schamlosen Bereicherungspolitik für wenige nicht Einhalt, wird unser Land in vier Jahren zur Alpen-Monarchie umgebaut sein.
Das werden wir nicht zulassen! Die Wirtschaft ist für die Menschen da, und nicht umgekehrt!
JA zur AHVplus-Initiative am 25. September 2016 an der Urne
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Am 25. September 2016 habt Ihr – haben wir – es in der Hand!
Wie es das schöne, farbige 1. Mai-Plakat zeigt: Wir kämpfen mit Händen, Köpfen und Herzen für eine Mehrheit an der Urne für die AHVplus-Initiative der Gewerkschaften. Und wir werden sie gewinnen!
Wir werden sie gewinnen gegen die SVP, die keinen zusätzlichen Franken AHV und dafür noch eine Rentenaltererhöhung will.
Wieso ist die AHVplus-Initiative attraktiv für die jungen Menschen?
- Weil die AHV für tiefe und mittlere Einkommen das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hat.
- Weil das Erfolgsmodell AHV garantiert, dass auch in Zukunft jeder einbezahlte Franken direkt wieder für eine Rente ausgegeben wird. Dank ihrem genialen Finanzierungsmodell, dem Umlageverfahren.
- Und weil ohne gestärkte AHV junge Menschen in Zukunft wieder viel mehr für ihre Eltern sorgen müssten.
Wir werden sie auch gewinnen, weil wir die besseren Argumente haben. Weil es schlicht und einfach bessere AHV-Renten braucht.
Weil die AHVplus-Initiative einen Zuschlag von 10% für alle künftigen und laufenden AHV-Altersrenten bringt
Weil Alleinstehende im Durchschnitt pro Monat 200 Franken mehr erhalten würden.
Weil die meisten Ehepaare jeden Monat 350 Franken mehr bekämen.
Es geht um Würde und Gerechtigkeit im Alter.
Es geht um diejenigen Generationen, es geht um diejenigen EinwandererInnen, welche diese Schweiz aufgebaut haben. Sie haben es verdient. Aber auch alle jungen Menschen verdienen eine starke AHV für die Zukunft!
Frauenrentenalter 65 – das Pfand in Frauenhand
Frauenrentenalter 65, von 67 gar nicht zu sprechen, ist inakzeptabel
- solange die Gleichstellung nicht verwirklicht ist,
- solange die dafür nötigen Arbeitsplätze fehlen – wie übrigens bei den Männern schon lange,
- solange der Lohn rund 15 % tiefer ist als der Männerlohn, und
- solange Frauen deutlich mehr unbezahlte Arbeit in der Betreuung, im Haushalt und in der Pflege der Angehörigen leisten.
Das ist das Pfand in Frauenhand!
Es ist auch daran zu erinnern, dass wir 2004 mit dem Motto „Hände weg von unserer AHV“ die Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 mit fast 70 Prozent NEIN-Stimmen gestoppt haben. Es war damals das erfolgreiche Referendum gegen die 11. AHV-Revision.
Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen
Genau so steht es in der Schweizer Bundesverfassung. Vom Volk vor 18 Jahren angenommen, in Kraft seit 2000.
Das ist das Grundgesetz der Schweiz, und nicht das sogenannte „Schulterschluss-Papier“ der Parteien von rechts!
Die Armut in der Schweiz, einem der reichsten Länder der Welt, muss endlich eliminiert werden. Sie trifft vor allem Familien, viele Kinder und Jugendliche, aber auch zunehmend die ausgesteuerten älteren Arbeitnehmenden ab 55 Jahren.
Kolleginnen und Kollegen
Die rechten „Schulterschluss-Parteien“ verletzen die Bundesverfassung! Steuergeschenke in Milliardenhöhe an Grosskonzerne und Aktionäre, ein 400 Millionen-Steuergeschenk letzte Woche an die hochsubventionierten Bauern, all das geschieht unter Verletzung der Rechtsgleichheit und des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, welche unsere Bundesverfassung vorschreibt!
Und erzeugt dann mit rückläufigen Steuereinnahmen auch für Kantone und Gemeinden, ja für die ganze Bevölkerung unter sogenanntem „Spardruck“ den Abbau von wichtigen Leistungen – in den Schulen, bei der Spitex, in den Spitälern und Pflegeheimen – im Service public schlechthin.
Dabei ist die Schweiz so reich wie nie zuvor! Seit mehreren Jahren erwirtschaften wir das dritthöchste Bruttoinlandprodukt pro Kopf aller Länder nach Luxemburg und Norwegen. Der grosse Unterschied zu Norwegen ist: Norwegen hat Erdöl. Die Schweiz hat Menschen. Menschen die gut und viel arbeiten! Und dafür sollten wir einmal MERCI sagen – auch heute und hier in Solothurn.
Es ist die Arbeit vieler Generationen, vieler EinwandererInnen auch, welche die Schweiz reich gemacht hat. Und nicht das Kapital, das in Panama, in der Rohstoffspekulation oder im Hochfrequenzhandel versteckt wird.
Es hat genug Geld für eine starke AHV
Peter Bichsel, international renommierter Solothurner Schriftsteller, vielleicht ist er hier anwesend, schrieb schon 1969 in „Des Schweizers Schweiz“:
„…der Blutadel wurde durch Geldadel ersetzt, an Stelle der Aristokraten sind die Emporkömmlinge getreten; sie verteidigen ihre Privilegien damit, dass sie jede Veränderung bekämpfen;…“
Wie recht er doch hatte!
Inzwischen wurden nämlich von rechts bekämpft und mit vielen Millionen in den Abstimmungen gebodigt
- die Einführung von gerechten Steuern wie der Kapitalgewinnsteuer, welche alle anderen Länder Europas haben,
- einer nationalen Erbschaftssteuer,
- im Parlament auch Vorstösse für eine Finanztransaktionssteuer.
Dafür besteuern wir jedes Paket Windeln mit 8% Mehrwertsteuer … und die rechtsbürgerliche Mehrheit will die Armut bei den Familien nicht eliminieren!
Inzwischen gab es die Unternehmenssteuerreform II, gegen die unser Referendum mit 49,5% nur sehr knapp gescheitert ist.
Aus ihr hat die Eidgenössische Steuerverwaltung per Ende 2015 sage und schreibe auf Antrag der Aktiengesellschaften über 1 Billion Franken Kapitaleinlagereserven zur steuerfreien Ausschüttung an die Aktionäre genehmigt für die kommenden Jahre.
1 Billion das sind 1‘000 Milliarden Franken.1‘000‘000‘000‘000 Franken. Unvorstellbar. Gigantisch. JA: es ist diese Zahl mit 12 Nullen.
Allein 2015 wurden solche Kapitaleinlagereserven im Betrag von 109.8 Milliarden einkommenssteuerfrei an die Aktionäre ausgeschüttet.
Vor 2011 wurden solche Bezüge besteuert und ergaben diejenigen Einkommenssteuern, die seither beim Bund, bei den Kantonen und Gemeinden fehlen.
Und da die rechtsbürgerliche Mehrheit im Bundesparlament die demokratiepolitische Altlast Unternehmenssteuerreform II nicht korrigieren will, und auch weiterhin zulassen will, dass Dividenden entweder nicht oder nur halb besteuert werden, während jeder Lohn und jede Rente zu 100% besteuert wird, und dazu noch neue Milliarden-Steuergeschenke für die Unternehmungen beschlossen hat, wird die SP Schweiz das Referendum gegen die Unternehmenssteuerreform III im Juni 2016 ergreifen. Unterstützt uns dabei, wir zählen auf Euch!
Der starke Franken und weiterhin keine Industriepolitik ?
Wer einen Fehler macht, kann diesen korrigieren. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im Januar 2015 einen Fehlentscheid gefällt und mit dem Aufheben der Mindestgrenze zum Euro den Franken viel zu stark gemacht. Sie bürdet damit den Exportfirmen, dem Tourismus und dem grenznahen Verkauf grosse Probleme auf. Im Wochentakt erreichen uns Meldungen über den Verlust von Industriearbeitsplätzen, an die 30‘000 Arbeitsplätze gingen bereits verloren. Dahinter stehen Menschen, dahinter stehen Schicksale von Familien. Auch im Kanton Solothurn.
Die – rechtlich unabhängige – Nationalbank sollte ihren Fehler korrigieren. Sie sollte den Franken auf ein tragbares Niveau bringen. Sie sollte entweder einen Mindestkurs oder ein ausdrückliches Kursziel festlegen. Sie sollte sich in einer Zeit der Deflation nicht hinter der Wahrung der Preisstabilität verschanzen, sondern ihre konjunkturpolitische und volkswirtschaftliche Verantwortung gegen die fortschreitende Deindustrialisierung wahrnehmen.
Wir GewerkschafterInnen und die politische Linke sind nicht die Einzigen, die gegen den falschen Kurs der Nationalbank ankämpfen. Es gibt auch mutige Unternehmer, wie Willy Michel von Burgdorf BE kürzlich in einem Interview mit der BILANZ, welcher identische Forderungen stellte.
Einen soliden Antrag stellte auch die Mehrheit der vorberatenden Kommission in der Sondersession des Nationalrats letzte Woche bei der Legislaturplanung 2015-2019. Sie forderte
„eine Strategie für eine aktive zukunftsgerichtete Industriepolitik, in deren Zentrum die produktive Arbeit steht.“
Meine Sitznachbarin, Eure Nationalrätin und geschätzte Kollegin Bea Heim verteidigte den Mehrheitsantrag wie immer gekonnt und energisch. Mit 106 zu 80 Stimmen fiel er jedoch dann der rechten Mehrheit zum Opfer.
Jetzt kann’s der Ständerat noch richten!
Ausblick – Abstimmungen vom 5. Juni 2016
Ich appelliere an Euch: Stimmt am 5. Juni zweimal glasklar NEIN.
NEIN zur sogenannten „Service public“- und NEIN zur Milchkuh-Initiative. Es sind zwei Initiativen, die verheerend auf den Service public wirken würden, besonders auf die SBB, die POST und die SWISSCOM.
Sagt hingegen JA zum vernünftigen Asylgesetz, das rasche Verfahren ermöglicht.
2016 feiern wir 25 Jahre Frauenstreik, 20 Jahre Gleichstellungsgesetz und 35 Jahre Verfassungsgrundsatz „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“. Die Umsetzung harzt. Das ist menschenunwürdig!
Vielleicht sollten wir Frauen einfach 15 Prozent weniger arbeiten als die Männer, bis unsere Arbeit endlich gleich bezahlt wird wie ihre.
Genau das werden wir am 14. Juni 2016, am 25. Jahrestag des Frauenstreiks tun:
Über Mittag werden wir uns eine Stunde mehr Zeit nehmen, um das durch die Verfassung garantierte Recht auf gleichen Lohn einzufordern. Macht Alle mit an diesen Aktionen in der ganzen Schweiz, umso mehr, als dieses Ziel letzte Woche im Nationalrat gestrichen wurde!
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Ich komme zum Schluss:
Am Kongress des Schweizerischen Eisenbahnerverbands 2013 sagte Peter Bichsel
„Ich fürchte nur, dass letztlich Demokratie ohne Öffentlichkeit nicht funktionieren kann, ohne das Gefühl des Zusammenlebens, des Dazugehörens zu allen“.
Heute, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute an diesem 1. Mai hier in Solothurn funktioniert Demokratie: wir haben die Öffentlichkeit dazu, wir haben das Gefühl des Zusammenlebens, und wir leben das Dazugehören zu allen – in internationaler Solidarität auch mit allen Menschen und Arbeitnehmenden, denen es weniger gut geht als uns! Auch mit den Flüchtlingen, irgendwo unterwegs, in Kälte und Regen.
Demokratie funktioniert auch, indem wir zu unseren Gewerkschaften halten und sie mit Neumitgliedern stärken. Sie sind der beste Garant für gute Arbeitsbedingungen. Das Erfolgsmodell Sozialpartnerschaft funktioniert nur dank starken Gewerkschaften. Organisiert erreichen wir immer mehr denn als EinzelkämpferInnen!
Ich wünsche Euch einen unvergesslichen 1. Mai bis in die tiefe Nacht hinein – Ihr habt ja ein tolles Programm!
Ein herzliches Merci den Organisatorinnen und Organisatoren – es lebe der 1. Mai!