Alle sollen sich sicher und frei im öffentlichen Raum bewegen können, ohne Angst vor sexuellen, sexistischen, homo- und transfeindlichen Belästigungen und Übergriffen. Leider kommt es aber öfter vor, dass insbesondere Frauen und quere Personen im öffentlichen Raum belästigt werden und sexualisierte Gewalt erleben. Belästigungen und unerwünschte Kontaktaufnahmen können in unterschiedlicher Form auftreten: von anzüglichen Bemerkungen bis hin zu körperlichen Übergriffen. Studien aus der geografischen Geschlechterforschung definieren Frauen als «die» vulnerable Gruppe im öffentlichen Raum. Sexistische und sexuelle Belästigungen beschränken sich nicht ausschliesslich auf das Nachtleben. Sie sind ein gesellschaftliches Problem, das auch zu anderen Tageszeiten an unterschiedlichen Orten erlebt werden kann. Die Folge davon ist, dass sich einige Bevölkerungsgruppen – z.B. auch LGBT-Personen – nicht frei in Räumen bewegen können, die für alle zugänglich sein sollten.
Das Institut gfs.bern hat 2019 eine repräsentative Befragung zum Thema «sexuelle Gewalt» mit Frauen ab einem Alter von 16 Jahren in der Schweiz durchgeführt. Die Studie ergab, dass mehr
als die Hälfte (59%) eine Belästigung in Form von unerwünschten Berührungen, Umarmungen oder Küssen erlebt hat. Die meisten sexuellen Belästigungen fanden auf der Strasse oder im öffentlichen Verkehr statt. 42% der Frauen gaben an, sexuelle Belästigung in Clubs oder Bars erlebt zu haben. Hinzu kommt, dass nur 10% der Belästigungen und Gewalttaten gemeldet wurden. Es besteht also Bedarf nach niederschwelligen Meldemöglichkeiten jenseits von Polizei und Opferberatungsstellen.
Im Mai 2021 hat die Stadt Zürich die Studie «Unterwegs in Zürich: Wie geht es Ihnen dabei?» veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem für Frauen der Aufenthalt im öffentlichen Raum der Stadt besonders unangenehm ist: Rund jede zweite Frau war bereits mit einer übergriffigen Situation wie anzüglichen Blicken oder obszönen Gesten konfrontiert, knapp jede fünfte Frau mit unerwünschten Berührungen. Zwei von drei Frauen wurden tagsüber belästigt, spätabends sogar vier von fünf Frauen. Insbesondere nicht-heterosexuelle Frauen sind dabei häufig Ziel von übergriffigem Verhalten: Neun von zehn gaben an, bereits tagsüber oder spätabends belästigt worden zu sein.
Aufgrund des Handlungsbedarfs hat die Stadt Zürich das Projekt «Zürich schaut hin – gegen sexuelle, sexistische, homo– und transfeindliche Belästigungen und Übergriffe» im öffentlichen Raum und im Nachtleben lanciert. Dazu gehören eine breit angelegte Kampagne, ein Forumtheater zur Förderung der Zivilcourage, Weiterbildungen für Fachpersonen sowie das Meldetool «Zürich schaut hin». Seit dem 11. Mai 2021 ist das neue Meldetool online. Auf diesem Tool können Belästigungen sichtbar gemacht und geteilt werden. Zudem werden Informationen über rechtliche Möglichkeiten und Angaben zu Hilfsangeboten zur Verfügung gestellt.6 Auch Lausanne und Genf kennen ähnliche
Angebote.
Die Schweiz hat im April 2018 die Istanbul–Konvention ratifiziert, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Auch Bund, Kantone und Gemeinden verpflichten sich, alle notwendigen Massnahmen in den Bereichen Intervention und Prävention zu treffen, um Frauen umfassend vor Gewalt zu schützen. Auch wir wollen etwas gegen sexuelle, sexistische, homo– und transfeindliche Belästigungen und Übergriffe im öffentlichen Raum tun und fordern die Lancierung einer Sensibilisierungs- und Präventionskampagne zum Thema «sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum» mit Fokus auf potenzielle Täter:innenschaft und Bystander:innen sowie der Förderung von Zivilcourage. In diesem Zusammenhang soll zudem ein niederschwelliges Meldetool für Betroffene und Beobachtende von Gewalt entwickelt werden. Das Meldetool soll Hilfe leisten, wenn jemand sexuelle Belästigungen und sexualisierte Gewalt erfährt, aber auch beobachtet hat. Es soll informieren, wo Hilfe geholt werden bzw. wie Hilfe geleistet werden kann. Zudem soll es eine niederschwellige Möglichkeit bieten, sexuelle Belästigungen und sexualisierte Gewalt melden zu können. Dabei soll explizit aufgefordert werden, dass auch (subjektiv) nicht schwerwiegende sexuelle Belästigungen und Gewalt gemeldet werden sollen. Damit soll auch das Tool wiederum der Sensibilisierung für das gesellschaftliche Problem dienen. Und es soll aufzeigen, wo sexuelle Belästigungen und Gewalt am häufigsten auftreten und wo es allenfalls verstärkte Massnahmen braucht.
Der Gemeinderat wird aufgefordert, dem Stadtrat einen Kredit vorzulegen, mit dem
- eine Sensibilisierungs– und Präventionskampagne zum Thema «sexualisierte Gewalt im öffentlichen Raum» mit Fokus auf potentielle Täter:innenschaft und Bystander:innen sowie der Förderung von Zivilcourage lanciert und nachhaltig durchgeführt werden kann.
- nach dem Beispiel von anderen Städten wie Zürich, Lausanne und Genf, ein niederschwelliges Meldetool für Betroffene und Beobachtende von sexualisierter Gewalt entwickelt oder eingekauft und in Betrieb genommen werden kann.
Begründung der Dringlichkeit
Die Zahlen sprechen für sich. Frauen und queere Personen sind jeden Tag der erhöhten Gefahr ausgeliefert, sexualisierte Gewalt und Belästigung zu erleben. Das Projekt sollte so rasch wie möglich angegangen werden, um möglichst viele Vorfälle zu verhindern. Jeder Fall ist einer zu viel. Die Opferberatungsstellen sind ausgelastet und viele wissen schon gar nicht erst wo sie sich melden könnten, was für das Meldetool spricht. Es muss jetzt gehandelt werden.