Die Schweizer Volksschule steht am Scheideweg

Bildung

Matthias Aebischer | Für viele Kinder beginnt nächsten Montag mit dem Eintritt in die Schule ein neuer, vielleicht entscheidender Lebensabschnitt. Doch auch für die Schweizer Volksschule als Ganzes sind die nächsten Monate entscheidend. Mit dem Lehrplan 21 steht die wohl grösste und auch wichtigste Reform der Volksschule in der Deutschschweiz, ja überhaupt in der Schweiz, bevor.
Für viele Kinder beginnt nächsten Montag mit dem Eintritt in die Schule ein neuer, vielleicht entscheidender Lebensabschnitt. Doch auch für die Schweizer Volksschule als Ganzes sind die nächsten Monate entscheidend. Mit dem Lehrplan 21 steht die wohl grösste und auch wichtigste Reform der Volksschule in der Deutschschweiz, ja überhaupt in der Schweiz, bevor. Eine Reform, die auf einer Verfassungsänderung, dem Bildungsartikel 62, basiert – auf dem Artikel, der den Kantonen die Harmonisierung vorschreibt und der mit einem überwältigenden Mehr von 86 Prozent Ja-Stimmen vom Volk angenommen wurde.

Genau diese Harmonisierung droht zu scheitern. Denn es gibt Kräfte, welche den Weg der Harmonisierung torpedieren und es gibt auch einzelne Kantone, welche just in dieser heiklen Phase der Vereinheitlichung des Lehrplanes ihr Bildungsbudget kürzen. Kommt hinzu, dass in mehreren Kantonen Bestrebungen im Gange sind, den eingeschlagenen Weg bei den Fremdsprachen, der übrigens auch Teil des Lehrplans 21 ist, wieder zu verlassen. Dies wiederum würde in einigen Fällen nicht nur dem Harmonisierungsziel des BV-Artikels 62 zuwi­der laufen. Vielmehr auch wäre es eine Nichteinhaltung des Sprachengesetzes, das im Arti­kel 15 explizit das Erlernen einer zweiten Landessprache in der obligatorischen Schulzeit vorschreibt.

Volksschule wird nationales Politikum

Es ist klar, die Volksschule ist Sache der Kantone. Die bundesverfassungsrechtlich vorge­schriebene Harmonisierung macht die Volksschule jedoch nun zu einem nationalen Politikum. Dies ist auch der Grund weshalb die SP Schweiz auf nationaler Ebene eine Gruppe Volksschule ins Leben gerufen hat, welche von Mathias Reynard und mir präsidiert wird. 

Was in der Westschweiz mit dem Plan d’études romand vor 3 Jahren eingeführt wurde, soll also auch in der Deutschschweiz mit dem Lehrplan 21 erfolgen. Der Lehrplan 21 wird nach der Vernehmlassung nun überarbeitet und dürfte, wenn alles rund läuft, anfangs 2015 frei gegeben werden. 

Die SP begrüsst den Lehrplan 21 und hat dies in der Vernehmlassungsantwort, welche Ihnen ja ebenfalls zugestellt wurde, kundgetan. Der Lehrplan 21 ist ein Meilenstein in der Schweizer Volksschule und setzt mit der neudefinierten Kompetenzorientierung der erfolgreichen Schweizer Schulbildung die Krone auf.

Lehrplan 21 ist ein Meilenstein

Bemängelt haben wir von der SP, wie von anderen übrigens auch, den Umfang des Lehrplans 21. Denn das oberste Credo muss sein, dass das jetzige System die Änderungen ver­kraften kann. In einigen Kantonen dürfte das kein Problem darstellen, denn diese arbeiten schon heute mehr oder weniger mit der im Lehrplan 21 definierten Kompetenzorientierung. In anderen Kantonen wird die Umstellung etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. 

Einige wenige bürgerliche Politikerinnen und Politiker lassen kein gutes Haar am Lehrplan 21 und bemängeln, dass mit dem neuen Lehrplan 21 die Grundkompetenzen wie Rechnen und Schreiben zu kurz kommen würden. Wir sind klar der Meinung, dass dem nicht so ist. Vielmehr dürfte dies mit einem Nichtkennen der heutigen Schulsituation zu tun haben oder/und mit einer romantisch verklärten Erinnerung an die Schule von früher. Wir erachten es geradezu fahrlässig, in der jetzigen Zeit, der Zeit des letzten Schliffs, den Lehrplan 21 weiterhin in Frage zu stellen. Kommt hinzu, dass der Lehrplan 21 zwar die Grundsätze vorgibt, die Umsetzung aber immer noch jedem einzelnen Lehrer und jeder einzelnen Lehrerin ob­liegt.

Jetzt im Bildungsbereich sparen ist geradezu halsbrecherisch

Die zweite Gefahr bei der Umsetzung des Lehrplans 21 sehen wir im Bereich der Ressourcenfrage. Gerade jetzt in dieser heiklen Phase ist es entscheidend, dass die kantonalen Bil­dungsämter genügend Geld zur Verfügung haben, um die bevorstehende Umstellung zu gewährleisten. Es ist deshalb völlig unverständlich, dass in den Kantonen vor allem bürgerli­che Politiker im Bildungsbereich die Sparschraube anziehen. Sie torpedieren so direkt die Umsetzung des Lehrplanes 21 und stellen somit das ganze System in Frage. Gerade der Sprachunterricht, aber überhaupt die ganze Umstellung, benötigt in der jetzigen Phase eher mehr Geld, sicher aber nicht weniger. 

Der Vorschlag von einigen bürgerlichen Politikerinnen und Politikern, einen Schritt zurück in alte, vergangene Zeiten mit Frontalunterricht und 30er Klassen zu tun, erachten wir als geradezu halsbrecherisch. 

Die Einführung des Lehrplans ist ein wichtiger Schritt für die Schweizer Volksschule und muss nun mit vereinten Kräften vorangetrieben werden.

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