Das ist der rote Faden meiner 1. Mai-Rede.
Liebe Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, liebe Genossinnen und Genossen, liebe 1.-Mai-Besucherinnen und Besucher,
eure Teilnahme freut mich, trotz viel Regen und kühlen Temperaturen steht ihr ein für Solidarität.
Diese Woche hat mich ein Leserbrief betroffen gemacht. Eine gehbehinderte Frau beschrieb, wie sie in der Operngala offenbar vor dem vollen Buffet geschupft und gestossen wurde, so dass sie mit ihrem Rollator fast das Gleichgewicht verloren hätte.
Diese Geschichte scheint auf den ersten Blick banal. Sie ist aber für unsere Gesellschaft symptomatisch.
Trotz vollen Töpfen wird kaum Rücksicht genommen auf die Schwächeren.
Ist das nicht genau das Bild unserer bürgerlichen Politik? Da wird rücksichtslos geschupft und gestossen, die Mächtigen gegen die Schwachen. Für die Regierung und den bürgerlich dominierten Kantonsrat heisst das Schupfen und Stossen: Berufsbildung abbauen, Brückenangebote schliessen und Behindertenheime aushungern.
Nicht mit uns! Das dürfen wir nicht zulassen!
Eure Empörung über diesen Sparkurs ist gross. Das kann ich den vielen Transparenten mit den bissigen Parolen entnehmen. Ich danke euch allen für diese klaren Worte! Wir haben das unsoziale Sparbudget bekämpft und die Abstimmung gewonnen. Das ist unser Sieg. Die Schaffhauser Bevölkerung hat noch ein soziales Gewissen. Das freut mich!
Ganz besonders ungerecht ist die Budgetkürzung bei den Behindertenheimen. Warum ausgerechnet hier? Haben es Behinderte nicht schon schwer genug im Leben? Auch das Pflegepersonal ist von der Sparrunde besonders hart getroffen. Schon jetzt arbeiten die Pflegenden häufig an der Belastungsgrenze. Pflegende sind keine Maschinen. Pflegende können nicht alles immer noch schneller und noch effizienter erledigen. Sie betreuen Menschen, die auf Hilfe und Zuwendung angewiesen sind. Sparen im Pflegereich bedeutet mehr Stress, wie wenn es in diesem Beruf nicht schon genug Stress gäbe!
Wir sagen Nein, Nein zum Sparen auf dem Buckel der Behinderten und dem Pflegepersonal, wir sagen auch Nein zum Bildungsabbau. Genauso wie die Mehrheit der Bevölkerung. Die Regierung und der bürgerlich dominierte Kantonsrat hat am 12. April eine schallende Ohrfeige gefasst. Das Volk akzeptiert dieses ewige Schupfen und Stossen nicht!
Warum eigentlich müssen wir sparen? Warum sind die Kantonsfinanzen in Schieflage?
Die Antwort liegt nicht etwa in den Sternen, sie liegt in den Steuern! Wir haben seit Jahren eine verfehlte Steuerpolitik. Seit rund 15 Jahren wird unser Steuersystem von den Bürgerlichen regelrecht umgepflügt. Eine Steuergesetzrevision jagt die nächste mit Schlagworten wie Wettbewerbsfähigkeit, Steuerhölle und Standortattraktivität.
Und das Resultat? Vermögen und Kapital wurden massiv entlastet, Einkommen aus Lohn und der Konsum immer stärker belastet. Das trifft uns alle!
Die Entlastung von Kapital und Vermögen hat ein enormes Ausmass angenommen. Die SP der Stadt Zürich hat das berechnet. Die Kapital- und Vermögensentlastung entspricht 18 Steuerprozenten. 18 Steuerprozente! Damit könnte man die Einkommenssteuer senken oder eben auf Sparprogramme verzichten. In Schaffhausen ist das nicht anders.
Wir müssen jetzt die Trendwende einleiten mit der Erbschaftssteuer. Mit der Erbschaftssteuer wird das Vermögen belastet und der Lohn entlastet. Es werden nur grosse und grösste Vermögen besteuert. Um euer Erspartes müsst ihr euch keine Sorgen machen. Diese Vermögen sind in aller Regel nicht durch Arbeitsleistung angehäuft worden. Diese Vermögen sind aus steuerfreien Börsengewinnen und Spekulationen.
Die Bürgerlichen greifen jetzt zum Zweihänder, um die Erbschaftssteuer zu bodigen. Noch selten wurde öffentlich so viel Unwahrheiten verbreitet. Glaubt nicht diesen Lügengeschichten. Tatsache ist: Mit der Initiative wird die AHV-Fonds mit jährlich 4 Milliarden Franken gesichert. Holen wir doch endlich das Geld dort, wo es vorhanden ist. Alles, was wir nicht dort holen, zahlen sonst wir mit höheren Lohnnebenkosten für die AHV und mit tieferen Renten.
Die Erbschaftssteuer ist zu gewinnen – es ist unser Projekt – kämpfen wir dafür!
Wir fordern Solidarität auch von den Reichen.
Auch in der Arbeitswelt gibt es viel Ungerechtigkeit. Stellvertretend greife ich Problematik der älteren Arbeitnehmenden, den Ü-50-iger heraus. Ü-50-iger finden immer häufiger nach einem Jobverlust keinen Anschluss mehr in der Arbeitswelt, obwohl Fachkräftemangel herrscht. Bundesrat Schneider Ammann kümmert sich mit der Fachkräfteinitiative nicht um diese Menschen! Er will Innovationen. Im Klartext heisst das, Menschen durch Computer ersetzen und zudem will er Pensionierte über das Pensionsalter beschäftigen. Ü-50-iger gehören nicht zum alten Eisen. Mit kontinuierlicher Weiterbildung bleiben die Ü-50-iger arbeitsmarktfähig. Jetzt müssen wir die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen.
Wir fordern: Bildung statt Diskriminierung!
Zur Diskriminierung gehört das Thema Frauen. Seit 34 Jahren ist die Lohngleichheit in der Verfassung verankert. 34 Jahre, und noch immer verdienen Frauen 9 Prozent weniger als Männer. Das entspricht einem Monatslohn pro Jahr. Über 7 Milliarden Franken pro Jahr werden den Frauen zu wenig ausbezahlt. 34 Jahre Lohnungleichheit sind genug!
Wir Frauen fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit!
Es braucht weiterhin unseren Kampfgeist. Wir müssen einstehen gegen unsoziale Spar- und Steuerpakete, für Lohngerechtigkeit und faire Arbeitsbedingungen.
Wir müssen aber auch einstehen für die Probleme in dieser Welt. Wir alle sind bewegt und bestürzt über die Tragödie, die sich zurzeit im Mittelmeerraum abspielt. Diese Situation ist unerträglich. Auch die Schweiz muss ihren Beitrag leisten Die Flüchtlinge müssen vor dem Ertrinken gerettet werden. Wir, die Industrienationen, tragen aber Mitverantwortung an dem Flüchtlingsdrama. Es braucht weltweit faire Handels- und Arbeitsbedingungen.
Dazu gibt es keine nationale oder schweizerische Lösung. Es braucht die europäische Solidarität und wir sind Teil dieses Europas. Es darf nicht sein, dass vor vollen Tischen und Töpfen die Schwächeren geschupft und gestossen werden.
Ich schliesse mit einem Satz der Präambel der Bundesverfassung. Er muss der ganzen Bevölkerung wieder in Erinnerung gerufen werden: «Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl des Schwachen».
Ich danke euch die mit uns kämpfen für mehr Solidarität statt Ausgrenzung!
Ich danke euch für die Teilnahme an der Solidaritätskundgebung.
Ich danke euch für Ihre Aufmerksamkeit.