No Billag, eine Idee von Jungen, die alt im Kopf sind

Die No Billag-Verantwortlichen inszenieren sich und ihr Projekt gerne als avantgardistisch und ihre Gegnerinnen und Gegner als althergebracht. Doch ist es wirklich fortschrittlich, den medialen Service Public abzuschaffen? Keineswegs. Denn eine moderne Demokratie braucht neben verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern vor allem auch qualitative, unabhängige Informationen, die diesen zur Meinungsbildung zur Verfügung stehen und ein Gegengewicht zur News-Flut auf Social Media bilden.

Jede Volksinitiative errichtet eine Art Unterscheidung zwischen der Vergangenheit, das heisst dem status quo,  und der Zukunft, abgebildet im Vorschlag, über den an der Urne entschieden wird. Es überrascht daher wenig, dass Abstimmungskampagnen Raum bieten für weitläufige Diskussionen, in denen oftmals der Konflikt zwischen althergebracht und modern ausgetragen wird.

Wie keine andere Initiative entspricht No Billag diesem Schema. Sie scheint auf exemplarische Weise den Bruch zwischen den Medien von früher und der Kommunikation von morgen aufzuzeigen. Den Initiantinnen und Initianten ist es gelungen, die Illusion einer Zweiteilung zu schaffen: einerseits  sie selber, die Zukunftsorientierten, und andererseits  die Verteidigerinnen und Verteidiger des Service Public als Nostalgikerinnen und Nostalgiker einer vergangenen Epoche.  

Auf den ersten Blick könnte man die No Billag-Verantwortlichen der Moderne zuordnen. Sie sind jung, neuen Technologien zugewandt und davon überzeugt, dass Radio und TV für die Mehrheit nicht mehr von Interesse ist. Sie meinen, der Staat solle sich aus den Medien heraushalten. Ihr heiliger Gral ist der individuelle Erfolg innerhalb einer vollends deregulierten Gesellschaft. Sie sind beseelt von der Idee, dass die Bürgerin und  der Bürger von Morgen nur noch genau für das bezahlen, was sie oder er auch konsumieren. Demgegenüber scheinen die Unterstützer der SRG die Welt von gestern zu verteidigen, gegängelt vom Staat, unfähig, an den laufenden Entwicklungen teilzunehmen und darum bemüht, einen sterbenden Dinosaurier so lange wie möglich am Tropf zu lassen.

Diese Darstellung soll jedoch hinterfragt werden. Aus zwei Gründen kann man die No Billag-Verantwortlichen vielmehr als Junge, die im Kopf schon alt sind, entlarven. Zuerst einmal ist ihre Begeisterung für die Märkte mittlerweile ein Griff in die Mottenkiste. «Die Gesellschaft existiert nicht», hat Margareth Thatcher bereits vor 30 Jahren gepredigt. Wer aber glaubt heute noch daran, dass man ein Land bloss auf eine Ansammlung von Individuen reduzieren kann, die untereinander ständig und nur im ökonomischen Wettkampf sind und nur so glücklich werden können? Wer bestreitet die Notwendigkeit, die Gesellschaft als komplexes Geflecht von Beziehungen und Strukturen zu denken, das zu jeder Zeit individuelle Verantwortung und gemeinschaftliche Leistungen vereint? Selbst in einer sehr liberalen Sichtweise der Demokratie erscheint die Vorstellung einer komplett privatisierten SRG, wie das die Initiative will, komplett überholt.

Auf der anderen Seite leben heute die Bürgerinnen und Bürger mit dem Finger auf ihren Smartphones, dauervernetzt in den sogenannt sozialen Medien. Sie erzeugen und konsumieren eine unendliche Menge von ungefilterten, direkt zugänglichen Emotionen, ohne Vermittlung und ohne Einbettung. Die Herrschaft dieses wuchtigen Phänomens ist mittlerweile fest etabliert. Es ist unaufhaltsam und es besteht keine Notwendigkeit, diese Entwicklung zu beschleunigen. Vielmehr müssen die bestehenden Gegengewichte gestärkt und neue ins Leben gerufen werden, um die Qualität der Information zu gewährleisten.

Anders gesagt, die Anhängerinnen und Anhänger von No Billag kämpfen für Schnee von gestern. Die künftige Herausforderung für unsere Demokratie besteht nicht darin, die Strukturen der klassischen Meinungsbildung niederzureissen. Vielmehr geht es darum, die Qualität der Informationen und die  gesellschaftliche Integration in einem chaotischen digitalen Wirbel aufrechtzuerhalten. Auch die individualistische Perspektive – ich bezahle nur das, was ich konsumiere – beruht auf einer irrigen Annahme: Selbst jemand, der nie eine SRG-Sendung sieht oder hört, profitiert in Wahrheit davon. Ökonominnen und Ökonomen sprechen von positiven Externalitäten. Das geschieht beispielsweise, wenn jemand zufällig ein Video des Schweizer Fernsehens auf Facebook schaut, ein Festival besucht oder von der Wirkung einer öffentlichen Debatte von hoher Qualität profitiert.

So gesehen ist die SRG keineswegs ein alter Zopf, sondern eine zukunftsgerichtete Institution. In ständig erneuerten Angeboten muss sie eine Schlüsselrolle einnehmen, um einen Ausgleich zwischen frei verfügbaren Sensationsmeldungen im Netz und dem guten Funktionieren der Schweizer Demokratie zu schaffen. Weiter darf auch die gedruckte Presse künftig nicht einfach einem zunehmend auf Kommerz ausgerichteten düsteren Schicksal überlassen werden. Vielmehr müssen Wege für deren ausreichende Finanzierung gesucht werden, die ihr Überleben sichern und dabei die Unabhängigkeit gewährleisten.

In der aktuellen No Billag-Kampagne muss man dem äusseren Anschein misstrauen. Im Lager der Gegnerinnen und Gegner der Initiative finden sich mit Sicherheit mehr vorwärts gewandte Kräfte als bei den Totengräbern des medialen Service Public. Ist ihr Lack dereinst ab, erweisen sich Letztere kaum als Visionäre, sondern vielmehr als Ideologen aus einer fernen Vergangenheit.

erschienen in Le Temps am 19. Januar 2018

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed

Du hast Fragen zur Mitgliedschaft oder dem Mitgliedschaftsformular? Wir helfen gerne.

Häufige Fragen

Am einfachsten, indem Du online das Beitrittsformular nebenan ausfüllst.

Du kannst selbst entscheiden, welches Engagement für Dich am besten passt.

  • Wenn Du wenig Zeit hast, ist es absolut in Ordnung, wenn Dein Engagement sich vor allem darauf beschränkt, Deinen Mitgliederbeitrag zu bezahlen. Auch das hilft uns sehr, um die Schweiz und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
  • Die Sektion, bei welcher Du Mitglied bist, wird Dich eventuell hin und wieder anfragen, ob Du Zeit hättest, bei einer Standaktion, einer Unterschriftensammlung oder einer Telefonaktion mitzumachen. Falls Dir das zusagt, sind wir sehr froh darüber – aber es ist natürlich völlig freiwillig.
  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
  • Häufig gibt es auch die Möglichkeit, ein partei-internes Amt, z.B. im Vorstand Deiner Sektion zu übernehmen.
  • Falls Du das möchtest, kannst Du mit Deiner Sektion auch Kontakt aufnehmen, um über eine Kandidatur für eine öffentliches Amt zu sprechen, z.B. in der Schulpflege Deines Wohnortes.

Um unsere Werte verteidigen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Die SP ist eine Mitgliederpartei und schöpft ihre Stärke aus dem Engagement ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbeiträge werden von den Kantonalparteien und den Sektionen unterschiedlich festgelegt und sind abhängig von Deinem steuerbaren Einkommen. Wir folgen unseren eigenen politischen Forderungen: Wer wenig verdient, bezahlt wenig, und wer viel verdient, beteiligt sich mehr an den Kosten von Partei und Politik.
In der Regel fallen jährlich je nach Einkommen Kosten zwischen circa 80 und einigen Hundert Franken an. Die Mitgliederbeiträge werden jährlich erhoben.

Ja, selbstverständlich! Du kannst der SP beitreten, ohne den Schweizer Pass zu haben. Denn alle Menschen, die in der Schweiz leben, sollen in der Politik mitdiskutieren können.

Du hast verschiedene Möglichkeiten, Dich einzubringen. Wenn Du an Deinem Wohnort aktiv werden möchtest, wendest Du Dich am besten an die Sektion Deiner Gemeinde oder Deines Quartiers. Diese ist auch die richtige Anlaufstelle für den Einsatz in einem öffentlichen Amt (Gemeinderat, Schulpflege, Sozialbehörde…).
Du kannst Dein Wissen und Können auch innerhalb der Partei einbringen. Die SP sucht immer Leute, die sich in der Parteiorganisation engagieren (Gemeinde, Bezirk, Kanton, Themenkommissionen).

Melde Dein Interesse bei den Verantwortlichen Deiner Ortssektion an. Die Sektion nominiert SP-Kandidierende für öffentliche Ämter, sei dies für den Gemeinderat oder die lokalen Schul-, Sozial- oder Finanzbehörden. Die Ortssektion bildet oft auch für Ämter auf übergeordneter Ebene (Kantons- oder Grossrat) den Ausgangspunkt des parteiinternen Nominationsprozesses.

Abgesehen von der Zahlung des jährlichen Mitgliederbeitrags gehst Du keine Verpflichtungen ein. Voraussetzung für den Beitritt ist eine inhaltliche Nähe. Dies bedingt jedoch nicht, dass Du in allen Fragen mit der SP gleicher Meinung sein musst.

Die Statuten der SP Schweiz verbieten die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Schweizer Parteien.
Doppelbürger:innen können Mitglied der SP Schweiz und Mitglied einer ausländischen Schwesterpartei sein, beispielsweise der deutschen SPD oder des italienischen Partito Democratico. Die Mitgliedschaft bei der SP Schweiz ist für Angehörige von Schwesterparteien gratis, sofern sie belegen können, dass sie in ihrem Heimatland Mitgliederbeiträge an eine Sozialdemokratische Partei entrichten.

Ja. Auch im Ausland kannst du dich als Mitglied der SP Schweiz in die Politik einbringen. Wenn Du Deinen Wohnsitz im Ausland hast, wirst du automatisch Mitglied der SP International.

Für JUSO-Mitglieder besteht bis zum Alter von 26 Jahren die Möglichkeit einer kostenlosen SP-Mitgliedschaft. Ein entsprechender Antrag kann per Mail an [email protected] gestellt werden.

Das bietet Dir die SP

Was Du von der SP erwarten darfst.

Du bist nah dran an der Politik: Wir schicken Dir unsere Aufrufe, Newsletter sowie sechs Mal jährlich unser Mitgliedermagazin “links”. Du kannst Dich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Du kannst von andern lernen und Dich mit Deinem Wissen und Können auf verschiedenen Ebenen in der Partei einbringen.
Gemeinsam schaffen wir eine bessere Zukunft!

Keine Demokratie ohne Bildung. Wir bieten Dir Webinare und Seminare zu Hintergrundwissen und aktuellen politischen Themen.