Dafür müssen wir auf Reisen, soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten verzichten sowie finanzielle Einbussen in Kauf nehmen. In der ersten Phase der Pandemie wurden die Abstands-, Kontakt- und Hygienemassnahmen des Bundesrats gut eingehalten. Die Schweiz konnte so ab Mitte April einen Rückgang der täglichen Neuansteckungen verzeichnen. Es ist zu hoffen, dass mit der Weiterführung der Abstands- und Hygienemassnahmen eine zweite Pandemiewelle verhindern werden kann.
In der Krise zeigt sich auch, wie gut es uns in der Schweiz geht. Auf unser Gesundheitssystem ist Verlass, die Lebensmittelregale sind trotz Hamsterkäufen gefüllt und der Staat ist in der Lage, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mit schneller und umfassender Hilfe abzufedern.
Wettlauf der Forderungen
Und trotz oder vielleicht gerade wegen des selbstverständlichen Wohlstands ist bereits kurz nach dem Lockdown ein regelrechter Wettlauf der Forderungen entbrannt. Von allen Seiten wird der Bundesrat aufgefordert, durch die Pandemie entstandene Verluste zu decken. Eine Diskussion, wie die Lasten der Pandemie gemeinsam von den Unternehmen und den Steuerzahlenden getragen werden können, wird indes kaum geführt.
Über jene Menschen, welche die Krise mit aller Härte trifft, wird wenig gesprochen. Dazu gehören etwa diejenigen, die auf Intensivstationen um ihr Leben kämpfen. Es sind aber auch Angehörige, die ihre Liebsten in Spitälern, Altersheimen und Institutionen für Menschen mit Behinderungen wochenlange nicht besuchen dürfen.
Die Auswirkungen der Krise sind sozial sehr ungleich verteilt. Menschen in prekärer Beschäftigung sind häufig die ersten, die ihren Job verlieren. Social Distancing lässt sich in grossen Wohnungen leichter umsetzen als in beengten Wohnverhältnissen. Wegfallende Aktionen in Lebensmittelläden bringen armutsbetroffene Menschen in finanzielle Not.
Ärmere Länder stark bedroht
Am verheerendsten werden die Folgen der Corona-Krise für Schwellenländer sein. Die Auswirkungen des Klimawandels wie Wassermangel und Hitzewellen, die Ausbeutung und Zerstörung natürlicher Ressourcen sowie Kriege machen viele Schwellenländer besonders krisenanfällig. Vor einer Ansteckung mit Covid-19 können sich Menschen in diesen Ländern schlecht schützen, denn regelmässiges Händewaschen ist ohne Zugang zu Wasser unmöglich, das Zuhause-Bleiben funktioniert ohne Vorräte nicht, Abstand kann in Slums kaum gehalten werden.
Viele Entwicklungsländer wären einem Ausbruch des Coronavirus, wie wir ihn zurzeit in Europa erleben, hilflos ausgeliefert. Es fehlt an medizinischen Fachpersonen, Tests, Medikamenten, Atemgeräten, Schutzmitteln und Intensivbetten, um Erkrankte identifizieren und behandeln zu können. Die Corona-Pandemie ist in armen Ländern nicht nur eine Gefahr für die Gesundheit, sondern die wirtschaftliche Abschwächung kann zu einem drastischen Anstieg von Hunger und Armut führen. Bereits heute sind 800 Millionen Menschen – davon viele Kinder – weltweit unterernährt.
Solidarität darf keine Grenzen kennen
Die Solidarität darf nicht an den Landesgrenzen aufhören. Es braucht dringend eine starke Schweizer Entwicklungshilfe, um die Folgen der Corona-Krise auch in Schwellenländern mildern zu können. Wünschenswert wäre zudem eine nationale Corona-Glücksketten-Sammelaktion für die Unterstützung von Schwellen- und Entwicklungsländern.
Hilfsorganisationen warnen eindringlich vor einem Rückgang der Spenden für arme Länder während und nach der Corona-Krise. Bereits weggefallen sind die Fastenkollekten. Die Ursachen von Hunger und Not in den Entwicklungsländern wie Klimawandel und Ausbeutung der vorhandenen Ressourcen verschwinden mit der Corona-Krise nicht. Auch deshalb sollten sich alle staatlichen Massnahmen im Kampf gegen die Corona-Krise konsequent an ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit orientieren.
Die Wissenschaft weist darauf hin, dass Urbanisierung und globale Mobilität, die Vernichtung und die Abnahme der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen und der Klimawandel wesentlich zum Ausbruch von Epidemien und Pandemien beitragen, vgl. Coronavirus-Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Dass wir uns weder in der Schweiz noch weltweit regelmässige Pandemien im Ausmass der Corona-Krise leisten können, darüber herrscht wohl Einigkeit.
Die Corona-Krise zeigt, dass persönliche Einschränkungen und gelebte Solidarität möglich sind, wenn ein breites Verständnis für Notwendigkeit solcher Verhaltensweisen vorhanden ist. Am Ende der Krise haben wir die Chance, gemeinsam in eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft aufzubrechen, indem wir nicht einfach den Zustand vor Corona widerherstellen. Nehmen wir diese Krise gemeinsam wahr für uns und für die von äusserster Armut betroffenen Menschen in Entwicklungsländern!