Die Schweizer Bevölkerung soll für all ihr Handeln Verantwortung tragen, so das Credo der Bürgerlichen – Zauberwort Eigenverantwortung. Gleichzeitig wehren sie sich mit Händen und Füssen gegen Regulierungen für das Kapital. Gerade der Fall Credit Suisse entlarvt das Gerede von «Leistungs- und Verantwortungsträgern» als reine Propaganda. Es ist an der Zeit, die Kultur der Verantwortungslosigkeit in den Teppichetagen zu stoppen, damit am Ende nicht jedes Mal die Steuerzahler:innen bluten müssen.
Überall wird von den Menschen verlangt, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Für ihre «Arbeitsmarktfähigkeit», für die eigene Altersvorsorge, für die persönliche Gesundheit, für die Work-Life-Balance, für den Klimawandel und den persönlichen Konsum – kurz, für so ziemlich alles. Die bürgerliche Politik und Ideologie versucht systematisch, gesellschaftliche Probleme wie Arbeitslosigkeit, Lücken in der Finanzierung der Rentensysteme, ungesunde Umwelteinflüsse, Druck am Arbeitsplatz oder die Zerstörung der natürlichen Ressourcen zu individualisieren. Wir sollen nicht das Wirtschaftssystem oder die politischen Institutionen verändern, die die Probleme verursachen, sondern Verantwortung für unser eigenes Verhalten tragen. Das gilt offenbar für alle oder zumindest für fast alles. Für das Kapital und seine Verwalter(innen) gilt das Gegenteil. Mit Händen und Füssen wehren sich deren bürgerliche Handlanger im Parlament gegen jede Verantwortung, die Grossunternehmen und ihre CEOs tragen sollten.
Die Bürgerlichen wollen keine Verantwortung tragen, wenn Schweizer Konzerne im Ausland Umwelt- und Menschenrechte verletzen – Stichwort Konzernverantwortungsinitiative. Sie wollen keine Verantwortung übernehmen, wenn es um existenzsichernde Löhne geht, deshalb greifen sie kantonale Mindestlöhne an. Sie wollen keine Verantwortung für Immobilienkonzerne übernehmen, wenn diese systematisch das Mietrecht verletzen und so pro Jahr gut zehn Milliarden Franken illegale Mieten einsacken. Zuallerletzt soll der Finanz- und Bankenplatz für irgendwas Verantwortung tragen. Die Mehrheit von rechts lehnt griffige Geldwäschereigesetze genauso ab wie die ernsthafte Umsetzung der Sanktionen gegen russische Oligarchen. Und selbst nach der Bankenkrise 2007/2008 hat sie alles verhindert, was dafür gesorgt hätte, dass fehlbare Bankmanager zur Rechenschaft gezogen werden können.
Jetzt reicht es. Es ist Zeit, dass wir die Verantwortungsflüchtlinge in den Chefetagen endlich stoppen. Wie eine andere Partei in Bundesbern sagen würde: Es kamen zu viele und die Falschen. Heute beginnt die ausserordentliche Session zur Rettung der Credit Suisse. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Kultur der Verantwortungslosigkeit ein Ende hat. Der Fall der Credit Suisse zeigt, dass das ganze Gerede von den «Leistungs- und Verantwortungsträgern» reine Propaganda ist. Die SP-Fraktion hat sich deshalb entschieden den Nachtragskredit dazu abzulehnen, wenn die rechte Mehrheit in Parlament und Bundesrat nicht endlich Hand bietet für ein dringend notwendiges Boni-Verbot und eine stärkere Regulierung der systemrelevanten Banken. Wir müssen dafür sorgen, dass die Steuerzahlerin nie mehr für ruchlose Manager haften muss.
Cédric Wermuth, Nationalrat AG und Co-Präsident SP Schweiz