Aargauer Primarlehrerinnen und Primarlehrer haben in den letzten Jahren möglicherweise weniger verdient als andere Kantonsangestellte. Zu Recht haben sich die Lehrpersonen deshalb gewehrt: Über 90 Klagen von Lehrpersonen der Stufen Primaschule und Kindergarten sind wegen Lohndiskriminierung beim Verwaltungsgericht eingegangen. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen stichprobenmässig geprüft, ist aber nur auf die Klagen der KindergärtnerInnen eingetreten.
Primarlehrberuf als typischer Frauenberuf
Der Aargauische Lehrerinnen und Lehrerverband (alv) hat nun hierzu einen wichtigen Sieg errungen. Das Bundesgericht ist auf eine Beschwerde des Verbandes eingetreten und hat festgelegt, dass es sich beim PrimarlehrerInnenberuf um einen typischen Frauenberuf handelt. Basis für dieses Urteil sind die Statistiken des Kantons Aargau, die gezeigt haben, dass in den letzten Jahren über 80 Prozent aller Angestellten im Primarschulbereich Frauen waren. Damit klärt sich der Blick auf die Lohnunterschiede. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Frauenmalus hier seinen Beitrag geleistet hat und die Primarlehrerinnen und Primarlehrer im Aargau aufgrund einer geschlechterspezifischen Diskriminierung weniger verdient haben.
Welche Folgen dieses Urteil nun hat, ist noch unklar. Sicher ist aber die präventive Wirkung des Entscheids des Bundesgerichts, die sich hoffentlich auch auf künftige Lohneinstufungen auswirken wird und deutlich macht, dass das Geschlecht nach wie vor grossen Einfluss auf Lohnfragen hat.
Kein Schneckentempo, sondern Turbogang
Der Entscheid macht einmal mehr deutlich, dass geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung eine der grössten Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft bleibt und wir politische Lösungen für dieses Problem finden müssen. Eine aktuelle Publikation von Avenir Suisse macht deutlich, dass die Arbeitgeber hier noch viel nachzuholen haben. Denn der bedeutendste bürgerliche Think Tank behauptet darin ganz uneigennützig, dass die geringen Löhne der Frauen auf deren Berufswahlverhalten zurückzuführen seien.
Richtig erkannt haben die Autoren der Studie zwar, dass die Berufswahl von Frauen stark mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammenhängt. Daraus ziehen sie aber die falschen Schlüsse, denn staatliche Interventionen werden abgelehnt. Aus meiner Sicht ist das fatal, denn nicht nur bei der Lohngleichheit sondern auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind wir auf Handlungsweisungen des Bundes angewiesen. Die Bemühungen für mehr Lohngleichheit in den letzten Jahrzehnten sollten gezeigt haben, dass wir ohne das Eingreifen auf Bundesebene nur im Schneckentempo vorankommen. Für Veränderungen ist es höchste Zeit und ich hoffe, dass der Bundesrat in der neuen Legislatur endlich den Turbogang einlegt.