Die 2015 von der UNO verabschiedete Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ist ein echter Meilenstein für die nationale und internationale Politik. 17 Nachhaltigkeitsziele für eine bessere und gerechtere Welt sollen bis ins Jahr 2030 global erreicht werden, so beispielsweise das Ende von Hunger und Armut, der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung, eine intakte Umwelt, Gleichberechtigung oder gute Arbeitsbedingungen für alle. Jedes Land entscheidet und handelt selbständig, wie sie diese Ziele erreichen will. In den Länderberichten muss aber regelmässig über die Fortschritte berichtet werden.
Bei der Erarbeitung der Agenda 2030 hat die Schweiz eine tragende Rolle gespielt. Nun hat sie ihren ersten Länderbericht an der UNO in New York vorgestellt. Es ist ein dünner, enttäuschender Bericht. Auf 24 Seiten wird mit einem Ampelsystem festgehalten, dass die Schweiz in den meisten Bereichen ziemlich top unterwegs ist. Der Länderbericht der Schweiz ist grüngefärbt. Trotz der breit durchgeführten Vernehmlassung bei Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, blieben heikle Bereiche ausgespart. Die Inputs der ausserbehördlichen Stellen sind kaum aufgenommen worden.
So zieht denn Bundesrätin Doris Leuthard auch eine positive Bilanz über die Fortschritte der Schweiz bei der Umsetzung der Agenda 2030. Es stimmt, die Schweiz bietet einiges an Lebensqualität, Demokratie, Sicherheit oder technischen Fortschritten. Nur, der Blick auf die Themen bleibt eindimensional. Eine Übersicht über Aktion und Wirkung unseres Handelns, sowohl auf die besonders Verletzlichen in der Gesellschaft als auch auf globaler Ebene, fehlt, ebenso eine tiefere Analyse über den weiteren Handlungsbedarf.
So ist beispielsweise klar belegt, dass die Armut in der reichen Schweiz weiter besteht, ja sogar noch ansteigt. Die medizinischen Leistungen sind zwar top, aber die Belastung der Leute durch die Krankenkassenprämien ist enorm. Mieten steigen und werden in verschiedenen Regionen unerschwinglich und zwingen Arbeitende lange Arbeitswege in Kauf zu nehmen. Die gleichberechtigte Gesellschaft, in der es Ehe für alle oder Lohngleichheit gibt, ist noch nicht erfüllt.
Ein grosses Manko besteht auch im Bereich der planetaren Grenzen. Wir brauchen 3 Planeten, um unsere Konsum-Bedürfnisse und unsere Verschwendung zu befriedigen. Es leiden in ausgeprägtem Masse Landschaft, Gewässer, Böden und die Biodiversität. Unser überbordendes Konsumverhalten schadet auch dem Klima. Die Anstrengungen der Schweiz im Klimaschutz reichen bei weitem nicht aus, um die globale Erwärmung unter 2 Grad zu halten. Und unser Konsumverhalten hat zusammen mit der weltweiten Bedeutung unseres Finanz- und Handelsplatzes starke Auswirkungen auf die Länder, aus denen wir Produkte oder Rohstoffe beziehen. Bei Themen wie Verteilung der Gewinne und des Reichtums oder Durchsetzen von Umwelt-, Sozial- und Arbeitsstandards gibt es noch viel zu tun. In der Friedensförderung – auch ein Ziel aus der Agenda 2030 – ist die Schweiz gefragt und aktiv. Aber wie geht das zusammen mit der Politik des Bundesrats, der auf Druck der Waffenlobby die Bestimmungen bei den Waffenexporten lockern will?
Politikkohärenz ist noch nicht unsere Stärke. Die Chance der Agenda 2030 liegt gerade darin, dass sie Zielkonflikte aufdeckt und zu einer ganzheitlichen Sicht zwingt. Damit die Schweiz in dieser Hinsicht weiterkommt, braucht es eine zentrale, übergeordnete Stelle, die departementsunabhängig unter Einbezug der Zivilgesellschaft für mehr Politikkohärenz sorgt. Das muss dann auch in die nächste Berichterstattung zur Umsetzung der Agenda 2030 einfliessen.