Am Puls der urbanen Schweiz

Seit den 1990er Jahren sind immer mehr grössere und kleinere Städte von linken Mehrheiten regiert. Zumeist ist die SP dabei klar stärkste Partei. Doch wie steht es um das politische Gewicht der Städte? Wie lassen sich die Errungenschaften linker Politik in den Schweizer Städten langfristig sichern? Und wie kann man den Graben zwischen Stadt, Land und Agglomeration überwinden? Diese und weitere Fragen standen im Zentrum der ersten Sozialdemokratischen Städtekonferenz, welche die SP der Stadt Zürich letzten Samstag organisiert hat.

Die Schweiz ist ein tief bürgerlich geprägtes Land – was sich mit dem Rechtsrutsch bei den nationalen Wahlen 2015 noch einmal drastisch verschärft hat. Ganz anders präsentieren sich die Schweizer Städte: Seit den 1990er Jahren sind immer mehr grössere und kleinere Städte von linken Mehrheiten regiert. Zumeist ist die SP dabei klar stärkste Partei, was sich etwa darin ausdrückt, dass sie in den sechs grössten Städten im Durchschnitt fast doppelt so viele Parla­mentssitze hält wie die nächstgrössere Partei. Die Städte wachsen und prosperieren, sie stehen für hohe Lebensqualität, finanzielle Stabilität und progressive Formen des Zusammenlebens. Kurz: Die von linken Mehrheiten geprägten Städte sind eine Erfolgsgeschichte.

Doch wie steht es um das politische Gewicht der Städte und ihre Möglichkeiten, als Motoren einer progressiven Schweiz Einfluss auf die Entwicklung des Landes zu nehmen? Wo müssen sich die Städte vermehrt zusammentun, um ihre Position in der Bundespolitik zu stärken? Wie lassen sich die Errungenschaften linker Politik in den Schweizer Städten langfristig sichern? Und welchen Beitrag müssen die Städte leisten, um den ideellen Graben zwischen Stadt, Land und Agglomeration, der sich immer stärker durch die Schweiz zu ziehen scheint, zu verkleinern?

Diese Fragen standen im Zentrum der ersten Sozialdemokratischen Städtekonferenz, zu der die SP der Stadt Zürich am vergangenen Samstag, 10. Juni, die Mitglieder ihrer Schwesterparteien der grösseren Städte der Schweiz nach Zürich geladen hatte. Rund 80 Parteimitglieder – darunter zahlreiche Basismitglieder, aber auch SP-VertreterInnen in den städtischen, kantonalen und nationalen Legislativen sowie den städtischen Exekutiven – folgten der Einladung nach Zürich. Zu ihnen gehörten etwa der Luzerner Stadtpräsident Beat Züsli, aber mit Stadtpräsidentin Corine Mauch, Claudia Nielsen, Raphael Golta und André Odermatt auch alle vier SP-Mitglieder im Zürcher Stadtrat.

In Vorträgen und thematischen Workshops diskutierten die Teilnehmenden das Potenzial und die Herausforderungen einer linken urbanen Politik. Dabei wurde deutlich, dass die rot-grünen Städte der Schweiz als Orte der Inklusion und der Integration ebenso wie als Labors für Fortschritt und soziale Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle einnehmen müssen, sie aber gerade auch deshalb nicht von oben herab auf die nicht-städtische Schweiz blicken dürfen, sondern den offenen Austausch zu pflegen haben. Denn so sehr die Kernstädte in den meisten Bereichen der Vernetzung untereinander bedürfen, so sehr sind sie auf eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit mit den jeweils angrenzenden Gemeinden – die ja oftmals auch städtisch sind – angewiesen.

Mit zunehmender Dauer der Städtekonferenz geriet denn auch das Verhältnis der grösseren Städte zur Agglomeration in den Fokus – und die Wichtigkeit ihres Willens, aktiv auf die sie umgebenden Gemeinden zuzugehen und sie für gemeinsame Lösungen zu gewinnen. So wies etwa Corine Mauch in der abschliessenden öffentlichen Podiumsdiskussion, an der auch Sarah Wyss (SP-Grossrätin Basel-Stadt), Benoît Gaillard (Präsident SP Lausanne), Matthias Daum (die ZEIT) und Politgeograf Michael Hermann teilnahmen, darauf hin, dass die Agglomerations­gemeinden oft kreativ an gemeinsame Fragestellungen herangingen und es keineswegs immer die grossen Städte seien, die bei der Lösungsfindung die Vorreiterrolle einnähmen. Benoît Gaillard vertrat dementsprechend die Ansicht, dass für die Städte heute nicht grossspurige Selbstbehauptung angezeigt sei, sondern eine gewisse Bescheidenheit. Eine solche werde nämlich auch die Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden und übergeordneten Gemeinwesen positiv prägen (mehr dazu im Bericht in der NZZ).

Dass die SPs der versammelten Städte vom angestrebten Austausch profitieren und man es nicht bei einem einmaligen Anlass belassen wollte, wurde im Rahmen der Städtekonferenz schnell einmal klar. Die angestossenen Diskussionen um das Potenzial der urbanen Schweiz, um gemeinsame Herausforderungen und geteilte Perspektiven waren rege – und so ist zu hoffen, dass der städtische Austausch innerhalb der SP nicht nur auf gesamtschweizerischer Ebene, sondern auch in den Kantonen eine Fortsetzung finden wird. 

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