Cédric Wermuth, Nationalrat und Co-Präsident der SP Schweiz
Die Senkung des Umwandlungssatzes bildet den Kern der Vorlage und betrifft alle Versicherten. Denn mit einem tieferen Umwandlungssatz sinken die garantierten Rentenleistungen. Der Prozentsatz bestimmt, wieviel vom angesparten Kapital im obligatorischen Bereich den Versicherten in Form einer Rente ausbezahlt wird. Aktuell beläuft sich dieser Satz auf 6,8 Prozent. Das bedeutet, dass heute auf ein Kapital von 100'000 Franken jährlich eine Rente von 6800 Franken ausbezahlt wird. Neu soll diese Rente auf 6 Prozent oder 6000 Franken sinken.
Dabei sind in den letzten 15 Jahren die durchschnittlichen Neurenten bereits um mehrere hundert Franken gesunken, während die Beiträge kontinuierlich gestiegen sind. Zudem haben die Pensionskassenrenten allein in den letzten drei Jahren 5 Prozent an Kaufkraft verloren. Faktisch schiebt man das Risiko der Finanzmärkte einfach auf die Versicherten. Dabei geht es heute – anders als noch vor wenigen Jahren befürchtet – den meisten Kassen dank steigenden Zinsen blendend. Ihre Reserven sind prallvoll.
Mehr bezahlen, weniger Rente?
Mit der sogenannten Reform sollen über zwei Milliarden Franken an zusätzlichen Geldern in die Pensionskasse fliessen – bezahlt von den Versicherten. Das kann bis zu 2400 Franken pro Jahr ausmachen. Diese Zusatzkosten kommen vor allem auf Menschen mit tiefen Renten zu. Gleichzeitig sinken für viele Versicherte die Renten. Die Verluste betragen bis zu 3200 Franken (siehe Beispiele). Leidtragende sind besonders Lohnabhängige über 50 Jahre und die Mittelklasse.
Mogelpackung für die Frauen
Neu sollen tiefere Pensen versichert werden. Das soll besonders Frauen mit tiefen Arbeitspensen entgegenkommen. Diese Überlegung ist nicht falsch, aber sie birgt einige Tücken. 90 Prozent der Kassen haben für die flexible Versicherung von tiefen Pensen bereits Lösungen gefunden – und trotzdem bleiben die Frauenrenten in der zweiten Säule weit hinter jenen der Männer zurück. Warum? Weil das Problem anderswo liegt. Der Hauptgrund für die Rentenlücke der Frauen besteht – neben der Lohndiskriminierung – vor allem darin, dass die Kinderziehung und die Betreuung von Familienangehörigen in der zweiten Säule nicht berücksichtigt werden. Dies im Gegensatz zur AHV. Darum bestehen bei den AHV-Renten auch weniger Unterschiede. Entsprechende Anträge für Betreuungsgutschriften hat die SP natürlich auch für diese aktuelle BVG-Reform eingereicht. Doch davon wollten die Bürgerlichen nichts wissen.
Die Finanzindustrie sahnt ab
Gewinnerin dieser so genannten Reform wäre vor allem die Finanzindustrie. Sie kommt gänzlich ungeschoren davon – obwohl die zweite Säule mittlerweile einem Selbstbedienungsladen der Finanzindustrie gleichkommt. Die Finanzindustrie macht Kasse: Der ehemalige SP-Nationalrat und Preisüberwacher Ruedi Strahm hat vorgerechnet, dass inzwischen 1500 Franken pro versicherte Person und Jahr an die Finanzindustrie gehen. Der Gewerkschaftsbund zeigt, dass in den letzten zehn Jahren insgesamt fast 70 Milliarden Franken von den Beiträgen der Versicherten abgezogen und quasi an den Paradeplatz geflossen sind. Doch anstatt bei diesen unverschämten Gratisgewinnen der Finanzabzocker anzusetzen, hat die bürgerliche Mehrheit im Parlament lieber eine Reform gezimmert, bei der am Ende viele mehr bezahlen, um weniger zu erhalten. Es kann deshalb am 22. September nur eine Antwort geben: Zurück an den Absender!