Das Geschwätz vom grünen Konkurrenznachteil

Es ist immer der gleiche Reflex: Wenn ökologische Anliegen aufs politische Tapet kommen, stellen sich die etablierten Wirtschaftsverbände blitzartig quer. So auch jetzt bei der Initiative für eine «Grüne Wirtschaft». Die Gegenargumente sind seit Jahrzehnten die gleichen. Sie haben sich längst als falsch erwiesen.

Da ist zum Beispiel die Mär vom Standortnachteil. Schweizer Firmen hätten das Nachsehen, wenn die Schweiz zu strenge Umweltauflagen mache. Mit diesem Argument wurde in den 70er- und 80er-Jahren schon die Einführung von Emissionsgrenzwerten in der Luftreinhaltung und im Gewässerschutz bekämpft. Dem Widerstand zum Trotz wurden die Umweltgesetze verschärft. Verbrennungsanlagen wurden Filter aufgesetzt, Abwasserreinigungsanlagen vorgeschrieben, Phosphatwaschmittel verboten. Die Gegenargumente entpuppten sich bald als Rohrkrepierer. Die Produktion wurde nicht verlagert. Die Vorschriften lösten Investitionen aus, verhalfen der Umweltbranche zu Know-how, Innovation, Geschäftsmodellen. Was vor Jahrzehnten undenkbar schien, ist heute ein Erfolgsfaktor. Zum Beispiel in Basel. An Sommertagen schwimmen Hunderte von Menschen im Rhein, der einst eine Kloake war, an den chemischen Produktionsstätten vorbei und sind begeistert. Expats aus der ganzen Welt beneiden uns dafür. Die saubere Umwelt wurde zum Exportschlager. Von wegen Konkurrenznachteil.

Hohe Umweltziele fördern die Innovation

Heute stören sich die Wirtschaftsverbände nicht mehr an den Gesetzen, die sie damals bekämpften. Im Gegenteil, sie verwenden sie als Argument gegen weitere Fortschritte. Die Schweizer Wirtschaft sei ja schon spitze. Es stimmt zwar, dass viele Schweizer Unternehmen vorbildlich in nachhaltige Lösungen investieren. Aber auch sie profitieren von besseren Rahmenbedingungen. Die Schweiz verliert nämlich an Boden. Ihr Anteil an den globalen Patenten im Cleantech-Bereich sinkt. Das ist bedenklich. Europas Spitzenreiter sind Deutschland und Dänemark. Dort sind die Regierungen mit ehrgeizigen Umweltzielen unterwegs und fördern etwa den Zubau von Stromgewinnung aus erneuerbaren Energiequellen konsequent. Das führt offensichtlich zu mehr Patentanmeldungen und neuen Arbeitsplätzen. Sie haben längst widerlegt, dass staatliche Vorgaben Innovation töten. Vielleicht ist das der Grund, warum sich immer mehr Länder hohe Umweltziele setzen. Schweden verbietet seit zehn Jahren neue Ölheizungen, und Norwegen will die Mobilität bis 2030 CO2-neutral haben. Die EU wiederum will bis 2050 innerhalb der natürlichen Grenzen des Planeten wirtschaften. Genau wie die Volksinitiative für eine «Grüne Wirtschaft». Ein Ja stellt den Anschluss der Schweiz an die Entwicklungen im Cleantech-Bereich sicher. Nicht mehr und nicht weniger.

Kürzlich zog Reffnet.ch Bilanz. Reffnet.ch berät Firmen bei der Senkung des Ressourcenverbrauchs und wird vom Bund finanziert. Die Resultate sind sensationell. Jeder bisher investierte Franken senkt die Betriebskosten um rund 60 Franken. Die 42 Unternehmen, die sich beteiligten, werden zusammen jährlich mindestens 100 Millionen Franken an Materialien und Energie einsparen. Das zeigt einmal mehr, wie gross das Potenzial zum Ressourcenschutz in der Schweiz immer noch ist und wie erfolgreich dieser betrieben werden kann.

Ohne Ehrgeiz fällt man zurück

Es ist ein völlig vernünftiges Ziel, nur so viele Ressourcen zu verbrauchen, wie die Erde hergibt. Eine Wirtschaft, die dieses Prinzip missachtet, schafft sich auf Dauer selbst ab. Erste Umsetzungsvorschläge liegen vor. Der Bundesrat hatte sie mit seinem indirekten Gegenvorschlag präsentiert. Die Mehrheit des Nationalrates hatte diesen mit den genannten, längst überholten Argumenten abgeschmettert.

Ob das Ziel der Initiative innerhalb von 34 Jahren erreicht werden kann, werden wir sehen. Es ist sicher ehrgeizig. Aber wer sich keine Ziele setzt, wird zurückfallen und schliesslich auf der Strecke bleiben. Deshalb braucht es ein klares Ja zur Initiative für eine «Grüne Wirtschaft».

Text erschienen im Politblog auf tagesanzeiger.ch am 12.9. 

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