Das Modell Personenfreizügigkeit funktioniert nur mit zusätzlichen und schärferen flankierenden Massnahmen

Referat von Christian Levrat, Ständerat FR, Präsident der SP Schweiz

Referat von Christian Levrat, Ständerat FR, Präsident der SP Schweiz
Die Personenfreizügigkeit hat in den letzten Jahren der Schweizer Wirtschaft zu einem fast unbeschränkten Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften verholfen. Das hat sich positiv in den volkswirtschaftlichen Statistiken niedergeschlagen. Die SP hat das Modell der Personenfreizügigkeit immer begrüsst. Aber von Beginn weg auch darauf hingewiesen, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes kein Selbstzweck ist. Dieser Schritt muss allen statt nur wenigen zugutekommen und zu einer allgemeinen Steigerung des Wohlstandes beitragen. Und darum hat die SP die Personenfreizügigkeit immer mit flankierenden Massnahmen verbunden. Es gibt ersteres nicht ohne das zweite. Es sind quasi siamesische Zwillinge.

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre und vor der Entscheidung über die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien ist klar: Die Früchte der Personenfreizügigkeit müssen real gerechter verteilt werden. Es genügt nicht mehr am Abstimmungstag das Land mit Apfelbaum-Plakaten zuzupflastern, wie das Economiesuisse in der Vergangenheit getan hat. Nur wenn die breite Öffentlichkeit die Vorzüge der Öffnung nach Europa auch zu spürt, wird das Modell Personenfreizügigkeit auch weiterhin die nötige Unterstützung erhalten.

  • Wenn die Mieten immer weiter steigen und die Suche nach einer zahlbaren Wohnung in den Ballungszentren immer aussichtsloser wird;
  • wenn die Liste der Missbräuche auf dem Arbeitsmarkt mit Stundenlöhnen für slowakische Arbeiter von 5 Franken und ähnlichem immer länger wird;
  • wenn aufgrund einer neoliberalen Sparpolitik die steigende Zahl ausländischer Studierenden zu Stehplätzen an den Unis führt und
  • wenn ganz allgemein das überbordenden Wachstum in gewissen städtischen Agglomerationen bei den Menschen ein diffuses Unbehagen und aufgrund des wachsenden wirtschaftlichen Drucks eine Art Futterneid auslöst, dann sind das klare Signale an die Politik.

Die SP will keine Rückkehr in das Kontingentssystem der Vergangenheit wie Adecco-Chef Rolf Dörig, sondern stattdessen eine Weiterentwicklung des Status quo mit verbesserten und verschärften Flankierende Massnahmen – und dazu gehört insbesondere eine Ausweitung auch auf den Wohnungsmarkt. Wir sprechen darum von FLAM plus, damit klar wird, dass es mehr braucht als die bisherigen Instrumente.

Umfassende sowie regional- und branchenspezifisch gezielte flankierende Massnahmen müssen die Risiken eindämmen: Im Arbeitsmarkt, im Wohnungsmarkt, in der Bildung und zur Beseitigung von Fehlanreizen im Steuerbereich. Ohne verbindliche Zusagen in diesen Punkten wird die SP die PFZ-Erweiterung auf Kroatien ablehnen. Warum? Weil die Personenfreizügigkeit wie bereits erwähnt kein Selbstzweck ist, sondern allen und nicht nur den Immobilienspekulanten und den Lohndrückern einen Nutzen bringen darf.

Was verlangen wir konkret?

  • Im Wohnungsbereich muss der Bund erstens im Interesse der Allgemeinheit mehr Mittel für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung stellen, damit der Anteil solcher Wohnungen im Gesamtangebot steigt. Die Genossenschaften und gemeinnützigen Stiftungen sind die Garanten für die Kostenmiete.
  • In Städten und Agglomerationen mit akuter Wohnungsnot und markanten Preissteigerungen braucht es zweitens definierte Wohnzonen, in denen ein Mindestprozentsatz der Wohnfläche für preisgünstige Wohnungen reserviert bleibt. Ziel ist, ein genügendes Angebot an erschwinglichen Wohnungen für Familien mit tieferen und mittleren Einkommen sicherzustellen.
  • Drittens muss mittels einer verbindlichen Formularpflicht den NeumieterInnen der bisherige Mietzins mitgeteilt werden, um so ungerechtfertigte Erhöhungen beim MieterInnenwechsel zu verhindern. Kündigungen, die einfach darauf abzielen einen höheren Ertrag zu generieren oder um unverhältnismässige Sanierungen durchzuführen müssen sofort gestoppt werden können.
  • Auf dem Arbeitsmarkt braucht es erstens in jenen Branchen, die wiederholt Lohndumping aufweisen, verordnete Mindestlöhne.
  • Damit Verstösse bemerkt und auch geahndet werden können, braucht es zweitens regelmässige Kontrollen mit schärferen Sanktion für die fehlbaren Arbeitgeber. Mittels einer verschärften Solidarhaftung muss der nötige Druck für eine Einhaltung der geltenden Regeln sichergestellt werden.
  • Und ganz grundsätzlich muss das aggressive Abwerben von Firmen aus dem Ausland mit einer Tiefsteuerpolitik wie beispielsweise dem Ringfencing gestoppt werden. Diese Standortpolitik zahlt sich nicht aus. Die Unternehmen lassen sich vorzugsweise genau in Regionen nieder, die bereits von Überhitzungserscheinungen gekennzeichnet sind. Die Vorteile dieser Steuerpolitik kommt einigen Wenigen zugute, während die breite Öffentlichkeit die Kollateralschäden wie steigende Mieten zu tragen hat.

Dieses Steuerungsmodell «Personenfreizügigkeit kombiniert mit flankierenden Massnahmen plus» bringt auf ideale Weise zentrale sozialdemokratische Grundwerte – die individuellen und kollektiven Freiheitsrechte, die soziale Gerechtigkeit und die Solidarität – in Einklang. So werden die ökonomischen Vorteile eines offenen Arbeitsmarktes und Wahrung individueller Freiheitsrechte mit den Anforderungen an die soziale Gerechtigkeit und die Grenzen des Wachstums vereinigt. Wird aber nur in Dienste der Wirtschaft der Arbeitsmarkt geöffnet und zugelassen, dass die Profitmaximierung das alleinige Ziel ist, wird die SP sich dem entgegenstellen.

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed

Du hast Fragen zur Mitgliedschaft oder dem Mitgliedschaftsformular? Wir helfen gerne.

Häufige Fragen

Am einfachsten, indem Du online das Beitrittsformular nebenan ausfüllst.

Du kannst selbst entscheiden, welches Engagement für Dich am besten passt.

  • Wenn Du wenig Zeit hast, ist es absolut in Ordnung, wenn Dein Engagement sich vor allem darauf beschränkt, Deinen Mitgliederbeitrag zu bezahlen. Auch das hilft uns sehr, um die Schweiz und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
  • Die Sektion, bei welcher Du Mitglied bist, wird Dich eventuell hin und wieder anfragen, ob Du Zeit hättest, bei einer Standaktion, einer Unterschriftensammlung oder einer Telefonaktion mitzumachen. Falls Dir das zusagt, sind wir sehr froh darüber – aber es ist natürlich völlig freiwillig.
  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
  • Häufig gibt es auch die Möglichkeit, ein partei-internes Amt, z.B. im Vorstand Deiner Sektion zu übernehmen.
  • Falls Du das möchtest, kannst Du mit Deiner Sektion auch Kontakt aufnehmen, um über eine Kandidatur für eine öffentliches Amt zu sprechen, z.B. in der Schulpflege Deines Wohnortes.

Um unsere Werte verteidigen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Die SP ist eine Mitgliederpartei und schöpft ihre Stärke aus dem Engagement ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbeiträge werden von den Kantonalparteien und den Sektionen unterschiedlich festgelegt und sind abhängig von Deinem steuerbaren Einkommen. Wir folgen unseren eigenen politischen Forderungen: Wer wenig verdient, bezahlt wenig, und wer viel verdient, beteiligt sich mehr an den Kosten von Partei und Politik.
In der Regel fallen jährlich je nach Einkommen Kosten zwischen circa 80 und einigen Hundert Franken an. Die Mitgliederbeiträge werden jährlich erhoben.

Ja, selbstverständlich! Du kannst der SP beitreten, ohne den Schweizer Pass zu haben. Denn alle Menschen, die in der Schweiz leben, sollen in der Politik mitdiskutieren können.

Du hast verschiedene Möglichkeiten, Dich einzubringen. Wenn Du an Deinem Wohnort aktiv werden möchtest, wendest Du Dich am besten an die Sektion Deiner Gemeinde oder Deines Quartiers. Diese ist auch die richtige Anlaufstelle für den Einsatz in einem öffentlichen Amt (Gemeinderat, Schulpflege, Sozialbehörde…).
Du kannst Dein Wissen und Können auch innerhalb der Partei einbringen. Die SP sucht immer Leute, die sich in der Parteiorganisation engagieren (Gemeinde, Bezirk, Kanton, Themenkommissionen).

Melde Dein Interesse bei den Verantwortlichen Deiner Ortssektion an. Die Sektion nominiert SP-Kandidierende für öffentliche Ämter, sei dies für den Gemeinderat oder die lokalen Schul-, Sozial- oder Finanzbehörden. Die Ortssektion bildet oft auch für Ämter auf übergeordneter Ebene (Kantons- oder Grossrat) den Ausgangspunkt des parteiinternen Nominationsprozesses.

Abgesehen von der Zahlung des jährlichen Mitgliederbeitrags gehst Du keine Verpflichtungen ein. Voraussetzung für den Beitritt ist eine inhaltliche Nähe. Dies bedingt jedoch nicht, dass Du in allen Fragen mit der SP gleicher Meinung sein musst.

Die Statuten der SP Schweiz verbieten die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Schweizer Parteien.
Doppelbürger:innen können Mitglied der SP Schweiz und Mitglied einer ausländischen Schwesterpartei sein, beispielsweise der deutschen SPD oder des italienischen Partito Democratico. Die Mitgliedschaft bei der SP Schweiz ist für Angehörige von Schwesterparteien gratis, sofern sie belegen können, dass sie in ihrem Heimatland Mitgliederbeiträge an eine Sozialdemokratische Partei entrichten.

Ja. Auch im Ausland kannst du dich als Mitglied der SP Schweiz in die Politik einbringen. Wenn Du Deinen Wohnsitz im Ausland hast, wirst du automatisch Mitglied der SP International.

Für JUSO-Mitglieder besteht bis zum Alter von 26 Jahren die Möglichkeit einer kostenlosen SP-Mitgliedschaft. Ein entsprechender Antrag kann per Mail an [email protected] gestellt werden.

Das bietet Dir die SP

Was Du von der SP erwarten darfst.

Du bist nah dran an der Politik: Wir schicken Dir unsere Aufrufe, Newsletter sowie sechs Mal jährlich unser Mitgliedermagazin „links“. Du kannst Dich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Du kannst von andern lernen und Dich mit Deinem Wissen und Können auf verschiedenen Ebenen in der Partei einbringen.
Gemeinsam schaffen wir eine bessere Zukunft!

Keine Demokratie ohne Bildung. Wir bieten Dir Webinare und Seminare zu Hintergrundwissen und aktuellen politischen Themen.