«Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.» (Benjamin Franklin)
Die Terroristen gewinnen nicht, indem sie Tod und Verzweiflung säen. Sie gewinnen, wenn wir unsere demokratischen Prinzipien in Namen des «Kampfes gegen den Terrorismus» verlieren, denn sie kämpfen vor allem gegen unsere Prinzipien. Der «Kampf gegen den Terrorismus» lässt uns eine grosse Zahl dieser Prinzipien verwerfen, welche wir für unantastbar gehalten haben, aber trotzdem wächst die Angst vor dem Terrorismus. Eine Angst, welche unsere Freiheit Schritt für Schritt beschränkt. Ist die USA dank dem Patriot Act sicherer? Ich bezweifle es. Hat das Massenabhören der NSA die Bevölkerung beruhigt? Ich bezweifle es. Hat Vigipirate es geschafft, die Attentate von Toulouse, jenes gegen Charlie Hebdo oder im Thalys-Zug zu verhindern? Die Antwort ist nein.
Unabhängig vom Inhalt und der Verbesserungen, welches das Gesetz mit sich bringt, ist das NDG ein weiterer Schritt in eine gefährliche Richtung. Die bisherige Rechtsgrundlage für die Zivilüberwachung in der Schweiz, das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS), erlaubt nur mit öffentlich zugänglichen Quellen zu überwachen. Mit dem NDG kommen wir in die Zeit der präventiven Überwachung der Privatsphäre, sowie neuen Möglichkeiten, welche die Technik so eindringend wie noch nie zuvor macht. Paul Rechsteiner erinnert sich zu Beginn der Debatte über das NDG (BO 2015 501-502 E) an ein Gespräch über die innere Sicherheit: Bundesrat Arnold Koller meinte zur Abhörung privater Gespräche (man sprach damals nur vom Abhören von Telefonen), sie seien «natürlich gravierende Eingriffe in die Geheimsphäre der Zielpersonen, so dass wir derartig gravierende Mittel wirklich nur im Rahmen von gerichtspolizeilichen Verfahren durchführen sollten» (vgl BO 1996 N 729). Im Jahr 2009, also nach dem 11. September, gab es eine neue Version des Gesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS), welche die präventive Überwachung der Telekommunikation vorsah. Diese wurde jedoch vom Parlament abgelehnt.
Präventive Überwachung ist verwerflich, weil sie eine Verletzung der Privatsphäre ohne begründeten Verdacht bedeutet. Es ist anerkannt, dass sie ein bedeutender Eingriff in die Privatsphäre darstellen, alleine schon wegen der Unschuldsvermutung. Daher ist es notwendig, dass diese auf der Basis eines begründeten Verdachts einer schweren Straftat und unter gerichtlicher Kontrolle durchgeführt wird, nicht auf der Grundlage von falschen Tatsachen oder intuitiven Annahmen, wie der Teilnahme an einer Demonstration oder eines ungepflegten Hipster-Bartes. Doch genau dorthin führt uns das NDG. Die Gefahr, dass jeder Bürger überwacht und beobachtet wird, und zwar nicht weil er etwas verbirgt, sondern weil ein Spion der Ansicht ist, dass er vielleicht, und nach seinen eigenen Kriterien, etwas zu verbergen haben könnte.
Ausserdem habe ich kein Vertrauen in den Nachrichtendienst. Man kann den Nachrichtendienst des Bundes politisch oder rechtlich überwachen. Die jüngsten Skandale zeigen aber auf, dass er das Vertrauen für neue Überwachungsmassnahmen nicht verdient. Es ist ausserdem nicht sicher, dass die besten Kontrollmechanismen liefern, was man sich von ihnen verspricht. Vom Kontrollorgan der NSA wird erwartet, dass Missbräuche verhindert werden, was beispielweise auf vielen Ebenen gescheitert ist. Ausserdem ist die Überwachung des Kabelnetzes ein neues, eindringendes Instrument, welches auch von der NSA benutzt wird.
Niemand bestreitet die Gefahren des Terrorismus, des «Islamischen Staats» oder gewalttätigen Extremismus. Dies wird aber durch die üblichen Vollzugsbehörden des Staats geahndet. Die aktuellen und zukünftigen Gesetze geben ihnen die optimalen Voraussetzungen.
Votum an der Medienkonferenz vom 28. September 2015 anlässlich der Lancierung des Referendums gegen das NDG