«Dass die sich nicht schämen! » Diesen Ausspruch hörte ich in meiner Jugend oft, wenn jemand krass gegen grundlegende Anstandsregeln verstossen hatte. Auch im gutbürgerlichen Haushalt, in dem ich aufgewachsen bin, wurde es als ganz besonders verwerflich beurteilt, etwa Schwächere zu verulken oder sich gar auf deren Kosten zu bereichern.
An den Ausspruch erinnerte ich mich, als ich vom Entscheid der bürgerlichen Mehrheit in der SGK-N hörte, die Anpassung der Mietzinsmaxima bei den Ergänzungsleistungen aufzuschieben. Damit muss eine der schwächsten Gruppen in unserer Gesellschaft – die Bezügerinnen und Bezüger von IV und Kleinrenten – weiterhin die bei den Mietzinsen seit 2001 eingetretenen Steigerungen aus den allgemeinen Unterhaltsbeiträgen bestreiten. Es wird für sie so noch schwieriger, das Geld für dringend notwendige Ausgaben, etwa Sehhilfen, Hörgeräte oder Zahnsanierungen in genügender Qualität, aufzutreiben. Und ihre sonst schon prekäre Lebenslage wird noch problematischer.
Natürlich verstehe ich, dass bei diesen Parlamentarierinnen und Parlamentariern das Bezahlen ihrer Mietzinse nicht erste Priorität hat. Schon die Zahl der in der Kommission vertretenen Verwaltungsratsmandate ist ja beeindruckend und ein Indikator, dass sie wohl mit anderen Problemen beschäftigt sind. Aber wer so penetrant immer das Volk im Mund und im Parteinamen führt, müsste von deren Sorgen halt auch mal Kenntnis nehmen. Der Schafhirte sollte ja auch etwas von den Existenzbedingungen der Schafe verstehen.
Und natürlich leuchten die Finanzprognosen des Bundes für die nächsten Jahre tiefrot. Allerdings befindet sich die Aussagekraft der vorgelegten Finanzpläne etwa auf dem Niveau der Prophezeiungen von Elisabeth Tessier. Es sind ja vor allem willkommene Unterstützungsinstrumente für Abbauprogramme. Und bekanntlich soll die Unternehmenssteuerreform III demnächst über die Bühne gehen, welche wiederum Milliardengeschenke für Unternehmen und Aktionäre vorsieht. Da kann man sich doch nicht noch um die Sorgen der EL-Bezügerinnen und EL-Bezüger kümmern. Ob da wohl ein Zusammenhang mit den vielen Verwaltungsratsmandaten besteht? Dass die sich nicht schämen!