In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts glaubten Bundesrat und die Mehrheit der eidgenössischen Räte, dass die Bundesbetriebe, die auch Grundversorgungsaufgaben erfüllen – PTT, SBB, swisscontrol, Schweizer Radio und Fernsehen, Rüstung – dem Markt ausgesetzt werden müssten; das würde effizienter, vielfältiger, günstiger. Dazu wurde verselbständigt, ausgelagert und privatwirtschaftliche Unternehmensprinzipien installiert. Nur, für die Grundversorgung funktioniert das nicht: In den Randregionen die gleichen Leistungen zu gleich günstigen Bedingungen für alle anzubieten, ist nicht marktfähig. Und das Imitieren von privatwirtschaftlicher Unternehmensführung hat einzig zu unanständig hohen Managerlöhnen, ungerechtfertigten Boni und unkontrollierbaren Unternehmensstrukturen geführt.
Chancen verpasst
Stellen Sie sich vor, die wirtschaftlichen Unternehmen des Bundes hätten frühzeitig den Auftrag erhalten, zusammenzuarbeiten: Statt den Bahnschalter zu schliessen, wären die Poststelle, der Swisscom-Shop, allenfalls auch kantonale und kommunale Betriebe der öffentlichen Hand (Kantonalbankfilialen, Elektrizitätswerke, Wasserversorgung) dort miteingezogen und würden gemeinsam ihre Dienstleistungen anbieten. Statt mehreren Lokalschliessungen im Dorf, gäbe es einen kontrollierten öffentlichen Raum mit kostendeckenden Service-public-Dienstleistungen. Dagegen finden sich heute oft öde ÖV-Drehscheiben, die wegen verwahrlosten Infrastrukturen die Leute von der Nutzung des öffentlichen Verkehrs abhalten. In den ländlichen Räumen gehen die sozialen Treffpunkte verloren, die Identifikation mit der Gemeinde schwindet, Arbeitsplätze wandern in die Zentren und es lassen sich kaum mehr Personen für öffentliche Ämter finden.
Retten, was zu retten ist
Der Bund hat die verselbständigten Unternehmen – die immer noch in seinem Besitz sind – in den Wettbewerb mit privaten Unternehmen geschickt. Sie müssen die Grundversorgung sicherstellen und dürfen ausserhalb davon selber nach lukrativen Aufgabengebieten suchen. Nur, wie der gesetzlich festgelegte Grundversorgungsauftrag wahrgenommen wird, können sie heute weitgehend selber bestimmen. Bei Abbaumassnahmen, Auslagerungen oder Lohndrückerei berufen sie sich gerne auf eine fehlende Wirtschaftlichkeit, selten aber nehmen sie Rücksicht auf die Erwartungen der Bevölkerung an die Grundversorgung. Das führt dann zu Poststellenschliessungen; verwaisten Bahnschaltern; uniformen, sensationslüsternen Informationsendungen; renditeorientierter Luftraumüberwachung und einer bundeseigenen Rüstungsindustrie, die in Krisenländer liefern will. Wie die Grundversorgung auszugestalten ist, hat die Politik zu entscheiden, denn immerhin ist die Bevölkerung auch der wirkliche Eigentümer der Unternehmen – sei es auf eidgenössischer, kantonaler oder kommunaler Ebene.
Bewährte Systeme der Mitbestimmung weiterentwickeln
Die Verwaltung ist offensichtlich überfordert bei der Kontrolle ihrer eigenen Betriebe – das zeigen die vielen Schlagzeilen zu den Entgleisungen und Fehlleistungen in den öffentlichen Unternehmen durch ihre Managements und Verwaltungsräte. Dabei gibt es genug Beispiele, wie Unternehmen, politisch geführt, erfolgreich geschäften können – sowohl im Grundversorgungs- wie im Wettbewerbsbereich.
Ohne der politischen Diskussion um die politische Kontrolle der wirtschaftlichen Unternehmen des Bundes vorgreifen zu wollen, möchte ich das Beispiel der Zürcher Kantonalbank anführen. In der Bilanzsumme mit den Bundesbetrieben vergleichbar, ebenfalls systemrelevant und sowohl im Grundversorgungs- wie im Wettbewerbsbereich aktiv, wird sie vom Bankrat geführt. Dieser ist nach Parteienproporz besetzt und die durch den Kantonsrat gewählten Mitglieder haben fachliche Voraussetzungen vorzuweisen und ihre Amtszeit ist beschränkt. Sowohl die Art und Weise, wie der gesetzliche Leistungsauftrag zu Gunsten der Bevölkerung und der Wirtschaft umgesetzt wird, wie auch in welchen weiteren Geschäftsfeldern die Bank aktiv sein soll, wird durch den Bankrat bestimmt.
Eine politische Diskussion tut not
Ob die politische Kontrolle durch ein Gremium des Parlamentes oder ein vom Parlament gewähltes erfolgen soll, ob dieses Gremium für alle wirtschaftlichen Unternehmen gemeinsam oder für je eines verantwortlich ist, muss die politische Diskussion bestimmen. Wichtig ist, dass die wirklichen Eigentümer der Unternehmen – die Bevölkerung – den Unternehmensauftrag, die Art und Weise der Umsetzung, die Finanzierung des Grundversorgungsbereichs, die (Maximal-)Gehälter des Managements, die Unternehmensstruktur mit möglichen Beteiligungen und Auslagerungen sowie die Kontrolle durch die verschiedenen Gremien durch ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter bestimmen können.
Die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer des Service public ändern sich. Die gesellschaftlichen Veränderungen und der technologische Fortschritt verlangen eine permanente Weiterentwicklung der Dienstleistungen einerseits, aber auch eine soziale Verantwortung gegenüber der Bevölkerung und der Belegschaft. Genau dafür braucht es eine demokratisch legitimierte politische Steuerung.