Jacqueline Badran, Nationalrätin ZH und Vorstand Mieterverband
Die beiden Mietvorlagen, über die wir im November abstimmen, sind ein einziger Skandal. Sie bilden den vorläufigen Höhepunkt in einer Reihe von gesetzeswidrigen Entwicklungen, die von der Immobilienlobby und dem Hauseigentümerverband vorangetrieben werden.
So haben es die Immobilien-Eigentümer in den letzten 25 Jahren de facto geschafft, durch die Hintertür eine Marktmiete einzuführen – und das, ohne einen einzigen Buchstaben des Gesetzes zu ändern. Der Gesetzgeber koppelte die Mieten an Kosten und Hypotheken und sah einen Renditedeckel vor. Doch darüber setzten sich die Vermieter hinweg – und fanden im Bundesgericht willfährige Vollstreckungsgehilfen.
Skandal #1: illegaler Milliarden-Profite für die Vermieterschaft
Doch der Reihe nach. Die Hypotheken sanken über viele Jahre stetig. Parallel dazu hätten auch die Mieten sinken müssen. Stattdessen explodierten sie geradezu. Wie ist das möglich? Viele Vermieter erhöhen bei jedem Mieterwechsel gesetzeswidrig die Mieten. Sie können sich darauf verlassen, dass sich die Mieter:innen in aller Regel nicht wehren – zu kompliziert ist das Verfahren. Sie sind einfach froh, nach der zermürbender Suche eine Bleibe gefunden zu haben. Darum zahlen die Mieter:innen heute unglaubliche 10 Milliarden Franken zu viel pro Jahr an die Immobilien-Branche. Das macht 370 Franken pro Monat und Wohnung.
Die Immobilienlobby freuts. Eine transparente Abstimmung über die Einführung der Marktmiete wäre nicht zu gewinnen gewesen.
Skandal #2: Für jeden einzelnen Vorstoss ein Referendum
Und weil es bisher so einfach war, macht die Immobilienlobby weiter so. Sechs Vorstösse wurden von Exponenten der Immobilienlobby in den letzten Jahren im Parlament eingereicht. Zwei hatten zum Ziel, den Renditedeckel anzuheben, zwei sollten Mietverhältnisse einfacher kündbar machen, zwei sollen verhindern, dass sich Mieter:innen gegen gierige Vermieter wehren können. Zu Recht bündelte der Ständerat diese Vorstossflut und verlangte eine Auslegeordnung sowie Gesamtrevision des Mietrechts. Dazu muss man wissen: Eine Abstimmung, die der Mieterschaft auf einen Schlag so viele Nachteile bringt, wäre nicht zu gewinnen.
Das Vorgehen des Ständerats passte der zuständigen Nationalratskommission darum nicht in den Kram. Sie nahm das Vorstosspaket wieder auseinander in der Hoffnung, dass wenigsten einige der Vorstösse durchkämen. Die Kommission sorgte so auch dafür, dass der Mieterverband nun für jeden einzelnen Vorstoss jeweils das Referendum ergreifen muss. Das ist ein demokratiepolitischer Skandal erster Güte, der in der Schweiz seinesgleichen sucht.
Skandal #3: Gewaltentrennung aufgehoben
Die Immobilien-Lobby fand am Bundesgericht eine Verbündete. Noch bevor das Parlament die Rendite-Vorstösse diskutiert hatte, entschied das höchste Gericht, dass die Vermieter mehr Rendite machen dürfen – und zwar genau so viel, wie es die Immobilienlobby im Parlament bestellt hatte. Die erlaubte Rendite auf das Eigenkapital stieg so quasi über Nacht von 0,5 auf 2 Prozent über Referenzzinssatz, ohne dass dies vom Gesetzgeber entschieden worden wäre. Im Urteil hatte die zuständige Richterin sogar die Frechheit, auf den nicht behandelten Vorstoss zu verweisen. Das ist ein Präzedenzfall und ein skandalöser Verstoss gegen die Gewaltentrennung.
Skandal #4: Vor Vermieters Gnaden
Und da stehen wir nun: Wir stimmen Ende November über zwei der erwähnten sechs Vorstösse ab, deren einziges Ziel es ist, die Mieter:innen einfacher rauswerfen zu können, um dann in einem zweiten Schritt die Mieten zu erhöhen. Den während einem laufenden Mietverhältnis ist es fast unmöglich, die Miete um ein paar Hundert Franken raufzusetzen.
In der Dezembersession, also gleich nach den Abstimmung, werden wir im Parlament zwei weitere Vorstösse der Immobilien-Lobby behandeln, deren erklärtes Ziel es ist, die Mieten direkt massiv zu erhöhen und die Mieter:innen daran zu hindern, gegen übersetzte Mieten vorzugehen. Der Ausgang der Abstimmungen wird die Ratsdebatte direkt beeinflussen.
Es braucht ein Nein gegen die Immobilien-Lobby: Darum laut und deutlich zwei Mal NEIN!
Untermiete und Eigenbedarf - darum geht es
Untermiete
Neu soll die Untermiete massiv eingeschränkt werden. Das betrifft hunderttausende Menschen, Wohngemeinschaften, Familien und Seniorinnen, die sich nach Tod oder Trennung die Miete alleine nicht leisten können und darum ein Zimmer untervermieten. Es betrifft tausende KMU mit Praxis- und Bürogemeinschaften, von der Physiotherapeutin bis zur Architektin, die fast alle in Untermiete organisiert sind.
Bereits heute ist die Untermiete nur mit Einwilligung der Vermieterschaft möglich. Ausserdem ist es schon heute verboten, zu hohe Mieten für die Untermiete zu verlangen.
Neu kann die Vermieterseite eine Untermiete nahezu willkürlich verweigern, wenn sie länger als zwei Jahre dauert. Der Rauswurf droht zudem bereits wegen kleinen Formfehlern und innerhalb von nur 30 Tagen, was sonst nur bei Nichtzahlen der Miete oder Verwüstung der Wohnung möglich ist!
Eigenbedarf
Der Vermieter kann heute schon eine Kündigung wegen Eigenbedarf aussprechen. Gewisse Mietverhätnisse sind besonders geschützt, etwa wenn eine Mieterin mit dem Vermieter in einen Rechtsstreit verwickelt ist (Schutz vor Rachekündigung) oder bei Gewerbe mit unkündbaren befristeten Verträgen (Schutz von Investitionen in Innenausbau). Zur Übersteuerung dieses Kündigungsschutz muss künftig der Eigenbedarf der Vermieterschaft jedoch nicht mehr «dringend» sein..
Das Ziel der Immobilien-Lobby ist klar: Einfacher kündigen und dann die Miete erhöhen. Darum: 2xNein!