Sommer 2016. Der bürgerliche Bundesrat schlägt vor, ab 2017 die Prämienverbilligung zu kürzen. Grund: Die angeblich leeren Kassen des Bundes. Das Parlament lehnte diese Kürzung ab, nicht aber übrige Leistungskürzungen im Umfang von 1 Milliarde Franken pro Jahr. Im Rahmen dieses «Stabilisierungsprogramms 2017-2019» wird querbeet gestrichen, vor allem bei Entwicklungszusammenarbeit, Personal, Bildung.
Februar 2018. Der Bundesrat verkündet einen Überschuss von 3 Milliarden Franken für 2017. Genauer genommen beträgt der Gewinn sogar 5 Milliarden Franken – nur «versteckt» der Bundesrat 2 Milliarden als Rückstellungen für die Verrechnungssteuer in der Rechnung. Nicht nur das: Derselbe Finanzminister, der vor einem Jahr im Abstimmungskampf zur Unternehmenssteuerreform III im Falle eines Neins ein neues Abbaupaket angedroht hat, prognostiziert rosige Zahlen für die kommenden Jahre. Und kündigt im selben Atemzug Steuergeschenke an Konzerne an, die den Bund Milliarden kosten (Steuervorlage 17, Abschaffung Stempelsteuer). Angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung je länger je weniger gewillt ist, die Gewinne der Grossfirmen zu bezahlen, kommen die Überschüsse gerade recht.
Der satte Gewinn für 2017 zeigt eines: Das Stabilisierungsprogramm wäre nicht nötig gewesen. Doch nun ist es zu spät, die Kürzungen sind gemacht. Auch wenn der Überschuss 2017 unerwartet hoch ausfällt, so ist er keine Ausnahme. Jahr für Jahr werden die Einnahmen unter- und die Ausgaben überschätzt. Überschüsse sind sozusagen vorprogrammiert. Seit 2006 schreibt der Bund jedes Jahr Gewinn. Dieses Geld, mittlerweile gegen 30 Milliarden Franken, ist ausschliesslich in den Schuldenabbau geflossen. Selbstverständlich ist es grundsätzlich nicht verwerflich, wenn der Staat Schulden abbaut. Nur: Der Bund hat kein Problem mit Schulden. Die Schuldenquote ist mit weniger als 15% des Bruttoinlandprodukts (BIP) rekordverdächtig tief. Die aktuelle Wirtschaftsentwicklung würde bei stabiler Schuldenquote ein jährliches Defizit von über 2 Milliarden Franken erlauben.
Der Bund hat aber ein Problem mit Investitionen. Diese halten seit Jahren nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt. In nahezu religiös-fanatischer Manier werden Schuldenabbau zelebriert und Schulden als «Steuerlast» für künftige Generationen verteufelt. Der Denkfehler dabei: Schulden entstehen ja nicht, weil der Staat Geld aus dem Fenster wirft. Sondern sie haben einen Gegenwert in Form von Leistungen und Investitionen, die getätigt werden. Seien dies Investitionen in die Bildung, Infrastruktur, AHV, Energiewende, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im selben Masse, wie es unvernünftig wäre, zukünftigen Generationen einen gigantischen Schuldenberg zu überlassen (wovon die Schweiz weit davon entfernt ist), ist es unverantwortlich, einen Investitionsberg vor sich her zu schieben. Oder anders gesagt: Schuldenabbau ist für die Bürgerlichen eine heilige Kuh, wobei der Staat gemolken wird, bis nichts mehr da ist. Zwar keine Schulden mehr, aber auch keine öffentlichen Leistungen mehr.