Der Hass auf Frauen muss uns interessieren

Wenn wir an einer geschlechtergerechten Welt arbeiten möchten, so müssen wir den Frauen zugestehen, fehlbar zu sein, aus den Fehlern zu lernen, sich davon wieder zu erholen und – und das ist das allerwichtigste – weiterzumachen.

Eine Auswertung von 700’000 Online-Kommentaren durch die Zeitung «Tagesanzeiger» hat ergeben: SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga ist die Person, die online am meisten beschimpft wird. Von allen Politikerinnen und Politikern erntet sie am meisten Hass, wird beflucht, bedroht und belächelt. Und dies für etwas, das heute eigentlich selbstverständlich sein sollte: als Frau Politik zu machen.

Mattea Meyer hat es in der Clubsendung vom Dienstag treffend formuliert: «Frauen, die Politik machen, sind für viele Männer eine Provokation. Nach wie vor». Im Nachgang zur Berichterstattung des Tagesanzeigers und zur SRF-Club-Sendung haben sich auch weitere Politikerinnen der SP zu Wort gemeldet. Sie alle berichten das Gleiche: Hasskommentare und Bedrohungen nach öffentlichen Auftritten sind an der Tagesordnung. Anprangern wollen das viele nicht, weil es die Reaktionen nur noch verstärkt und mit noch mehr Mails und Beschimpfungen gerechnet werden muss.

Uns kann das als SP nicht egal sein. Natürlich erhalten auch Männer Hassmails, und auch das dürfen wir nicht tolerieren, bei Frauen hat es jedoch eine zusätzliche Komponente. Sie werden in überwiegender Mehrheit der Fälle auch sexistisch angegriffen. Mit abwertenden Sprüche über ihr Aussehen, über die Stimme oder die Frisur. Und Drohungen sind sehr oft sexualisierter Art. Natürlich kann man jetzt sagen: alles nicht so wichtig, sind nur Mails und Kommentare, könnte frau getrost ignorieren. So einfach ist es aber nicht.

Ebenfalls im Tagesanzeiger war nämlich diese Woche zu lesen: «Medien beurteilen Frauen härter als Männer» Eine Analyse der Stadtratsporträts über die Kandidierenden im Zürcher Wahlkampf bringt haufenweise klassische stereotype Zuschreibungen zutage: Frauen werden als weniger kompetent eingeschätzt, sie müssen einen Kompetenzvorsprung beweisen, Männer wird eher vertraut und zugetraut, dass sie etwas schon können. Frauen, die politisch tätig sind, wissen das natürlich. Und es hat einen Einfluss darauf, wie sie sich in der Öffentlichkeit äussern. Das ist etwas, was viele SP-Frauen mir auch im persönlichen Gespräch sagen: Sie überlegen sich ganz genau, wie sie in die Öffentlichkeit gehen, was sie sagen, twittern oder schreiben, weil die Angst gross ist, einen Fehler zu machen oder in einen Shitstorm zu geraten. Natürlich ist es grundsätzlich sinnvoll, wenn Politikerinnen und Politiker vorher genau überlegen, was sie in der Öffentlichkeit sagen und was nicht. Männer haben jedoch mehr Chancen, Fehler zu machen und sich davon auch zu erholen. Bei Frauen, das sagte die Zürcher Gleichstellungsbeauftragte Helena Trachsel ebenfalls im Tagesanzeiger, sei das Sturzrisiko höher. Wenn sie scheitern, heisst es dann: «Wir haben es ja von Anfang an gesagt. Die kann das halt nicht.»

Wenn wir also an einer geschlechtergerechten Welt arbeiten möchten, so müssen wir Frauen genau das auch zugestehen: Fehlbar zu sein, aus den Fehlern zu lernen, sich davon wieder zu erholen und – und das ist das allerwichtigste – weiterzumachen.

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