Der Kampf gegen soziale Missstände beginnt in der Schweiz

Matthias Aebischer, Nationalrat BE

Matthias Aebischer, Nationalrat BE
Rede zum 1. Mai 2014 in Roggwil (BE), Spiez (BE) und Unterseen (BE)

Liebe Genossinnen und Genossen,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Ich danke herzlich für die Einladung und dafür, dass ich kurz einige Worte an Euch richten darf.

Der 1. Mai ist der internationale Tag der Arbeit. Ein Tag, an dem an vielen Orten auf der Welt laut auf die sozialen Missstände hingewiesen wird. Internationale Solidarität steht zuoberst auf dem Programm .

Ein korrupter Präsident, der sein Geld im Ausland versteckt, damit niemand genau weiss, wieviel er besitzt. Wir sind entsetzt darüber, was Wiktor Janukowitsch in der Ukraine aufgeführt hat. Jetzt ist er nicht mehr im Amt. Das ist gut so. Die Demokratisierung wird aber in der Ukraine mit aller Macht verhindert. Als Präsidentin der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit, versucht die Schweiz der Demokratie dennoch zum Durchbruch zu verhelfen. Internationale Solidarität heisst: Wir kämpfen gegen die Missstände in der Ukraine .

Korrupte Sportfunktionäre, welche Olympische Spiele oder Fussballweltmeisterschaften an denjenigen vergeben, der am meisten Geld bietet. Wir sind entsetzt darüber, dass die Fussballweltmeisterschaft im Jahre 2022 in Katar stattfindet. In einem Land, in dem es kaum Stadien gibt. Unter misslichsten Umständen werden diese von den vorwiegend nepalesischen Bauarbeitern nun gebaut. Mehrere Dutzend sind bei den Bauarbeiten bereits gestorben. Mit verschiedenen Organisationen und nicht zuletzt auch mit politischem Druck auf die in der Schweiz ansässige FIFA versuchen wir, die menschenunwürdige Situation der Bauarbeiter zu verbessern. Internationale Solidarität heisst: Wir kämpfen gegen die unhaltbaren Zustände in Katar .

Wir sind auch entsetzt darüber, dass Russland die Syrische Regierung militärisch unterstützt, obschon diese nachweislich gegen Menschenrechte verstösst. Mit Flüchtlingsprogrammen kämpfen wir in Syrien und vor allem im benachbarten Libanon für die Schwächsten. Internationale Solidarität heisst: Wir kämpfen gegen die Machtpolitik der Regierung in Syrien .

Weitere Beispiele gibt es zur Genüge. Doch weshalb führe ich genau diese drei Beispiele aus? Ganz einfach – sie machen Parallelen deutlich und zeigen, dass wir auch hier in der Schweiz punkto Steuerprivilegien, Korruption und Einhaltung der Menschrechte viel zu korrigieren haben. Internationale Solidarität heisst eben auch, selbstkritisch zu sein. Wir müssen auch im eigenen Land die sozialen Missstände beheben. Vor der eigenen Türe wischen .        

Was ist in einem Land los, in dem die Firma eines Ministers 250 Millionen Franken in einer Scheinfirma im Ausland platzieren kann, damit keine Steuern bezahlt werden müssen? Und wenn alles auffliegt, sagt ein Parteikollege offiziell vor laufender Kamera, diese Offshore-Geschäfte seien Normalität. Die Firmen müssten ja wohl gewinnorientiert denken. Und da gehöre die Steueroptimierung mit zum Geschäft. Die bürgerliche Mehrheit der zuständigen Kommission im Grossen Rat lehnt eine Untersuchung ab. Ich spreche nicht von der Ukraine, ich spreche von der Schweiz, vom Kanton Bern .

Oder stellt Euch vor, da gibt es Länder, in denen können einzelne korrupte Beamte Einkäufe tätigen, die einen Schaden von mehr als 100 Millionen Franken verursachen. Ich spreche nicht von der FIFA oder dem Internationalen Olympischen Komitee IOC. Nein, ich spreche von den Bundes-IT-Beschaffern unseres Landes , die sich bestechen lassen, Fehleinkäufe tätigen und so dem Steuerzahler ein Loch von einer Summe in dreistelliger Millionenhöhe in der Kasse überlassen.

Und ja, wir sind entsetzt dass es immer noch Länder gibt, die Kriegsparteien beliefern, welche bewiesenermassen die Menschenrechte nicht einhalten. Nein, das sind nicht die andern. Seit der Abstimmung bei uns im Nationalrat in der Frühlingssession gehört auch die Schweiz dazu. Wir beliefern Länder mit Waffen – neu vorsätzlich -, welche die Menschenrechte nicht einhalten.

Ihr seht selbst, in unserem Land liegt einiges im Argen. Minister versteuern – möglicherweise gar legal – ihr Geld nicht, korrupte Beamte verlochen Millionen von Steuergeldern, wir liefern Waffen in Länder, welche die Menschenrechte verletzen. Ist euch die Liste noch zu wenig lang? Bitte, ich habe noch genug weitere Beispiele:

  • Wir nehmen steinreiche Steuerflüchtlinge auf und lassen sie einen Bruchteil von den Steuern bezahlen, welche sie eigentlich bezahlen müssten.
  • Wir wollen Kriegsflugzeuge kaufen und sparen in den Schulen bei der Bildung unserer Kinder.
  • Wir retten Banken, obschon diese ihren Managern immer höhere Millionengehälter bezahlen.

Ich bleibe dabei:

Wir haben auch in der Schweiz viel zu tun. Wir müssen auch im eigenen Land die sozialen Missstände beheben. So sind wir glaubwürdig, auch in der Bekämpfung der sozialen Ungerechtigkeiten anderswo.

Und genau deshalb bin ich in der Sozialdemokratischen Partei. Weil die SP diese Missstände bekämpft und die Ungerechtigkeiten nicht als gegeben akzeptiert. Auch wenn sich der Kampf gegen das Bankgeheimnis über Jahrzehnte erstreckt hat. Steuerschlupflöcher gehören gestopft, Steuerprivilegien abgeschafft. Auch fordert die SP die lückenlose Aufklärung der Korruptionsvorwürfe in der Verwaltung. Die SP kämpft gegen Waffenexporte an Länder, welche die Menschrechte missachtet. 

Auch Ihr habt die Möglichkeit, diese sozialen Missstände zu bekämpfen. Sehr direkt bereits wieder am übernächsten Wochenende.

Stimmt für den Mindestlohn!

Zum Thema Mindestlohn muss ich an einer 1.-Mai-Feier wohl kaum gross Überzeugungsarbeit leisten. Die soeben veröffentlichte Schweizer Lohnstatistik zeigt, dass die Reichsten in den letzten zwei Jahren massiv reicher geworden sind und die ärmsten 10 Prozent in den letzten beiden Jahren ärmer. Hätten wir in der Schweiz in allen Branchen einen GAV, dann wäre der Mindestlohn für mich kein Thema. Leider aber weigern sich noch immer viele Branchen, GAV-Verhandlungen aufzunehmen. 50 Prozent aller ArbeitnehmerInnen haben keinen GAV. Das geht nicht und muss mit der Mindestlohninitiative bekämpft werden. 22 Franken pro Stunde ist kein Monsterlohn, der die Schweizer Wirtschaft kaputt machen würde. Deshalb stimmt bitte JA am 18. Mai.

Stimmt auch gegen den Gripen!

Wir brauchen keine neuen Flugzeuge. Die 32 F/A-18 reichen aus, um den Schweizer Luftraum abzusichern. Stecken wir doch die 3,1 Milliarden in die Bildung. Zu meinem Erstaunen gibt es auch bei der Rechten viel Skepsis gegenüber dieser unsinnigen Anschaffung. Ich glaube, wir können diese Abstimmung gewinnen.

Etwas schwieriger ist die Argumentation bei der Pädophilen-Initiative.

Sie ist völlig ungenügend formuliert. Die Initianten beginnen schon jetzt, ihren eigenen Text zu relativieren. Fakt ist: Wenn ein 19-jähriger eine kurze Beziehung mit einer 15-jährigen hat, dürfte er gemäss Initiative ein Leben lang nicht mehr pädagogisch tätig sein. Das ist unsinnig. Ich habe mit gutem Gewissen NEIN gestimmt, weil der indirekte Gegenvorschlag schneller wirkt, verfassungskonform ist und alle Gewaltverbrechen gegen Kinder umfasst, auch innerhalb der Familien und nicht nur in Vereinen und Schulen.

JA sage ich hingegen zur Hausarztmedizin.

Der direkte Gegenentwurf stärkt die Hausärzte und das ist gut so. Denn unser System mit den Spezialärzten wird immer teurer und das gilt es zu verhindern. Wir wollen keine Zweiklassenmedizin. Deshalb stimmt bitte JA zur medizinischen Grundversorgung.

Ich zähle auf Euch am 18. Mai. Wir können alle vier Abstimmungen gewinnen und so für eine sozialere Schweiz sorgen.

Ich wünsche Euch weiterhin einen schönen 1. Mai.

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

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