Die SP hatte bereits 1979 mit ihrer Initiative gegen den Missbrauch des Bankgeheimnisses und der Bankenmacht gefordert, dass die Banken den Behörden und Gerichten über die verwalteten Vermögen Dritter Auskunft erteilen müssen. Die SP hatte bereits im Wirtschaftskonzept 1994 international koordinierte harte Massnahmen gegen die legale und illegale Steuerhinterziehung gefordert. Die SP hat 2010 mit Studien (Cocca und KOF) aufgezeigt, dass der Kampf gegen die Steuerhinterziehung mehr und nicht weniger Arbeitsplätze im Finanzsektor sichert. Die SP hat im Frühjahr 2012 ihre Zustimmung zur Nachbesserung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA, erfolgreich von konkreten Massnahmen zur Umsetzung einer Weissgeldstrategie abhängig gemacht.
Heute stehen wir vor der Frage: Wie stellen wir uns zur Abgeltungssteuer, wie sie mit UK und Deutschland von den Regierungen vereinbart worden ist? Das Schweizer Parlament wird im April/Mai in den Wirtschaftskommissionen und im Juni im Plenum darüber entscheiden.
Diskutiert sei das am Fall Deutschlands.
Die Abgeltungssteuer im Dienst der CDU-Klientel
Die Abgeltungssteuer ist kein SP- sondern ein bürgerliches Projekt – hüben wie drüben. In Deutschland dient sie der CDU-Regierung, ihrer Klientel mit Steuerhinterziehungsvermögen auf Schweizer Bankkonten wieder zu ruhigerem Schlaf zu verhelfen. Unter dem Druck der Opposition hat der wendige Wolfgang Schäuble mit viel Vernebelungstaktik rundherum das Abkommen vom 21. September 2011 in Richtung mehr Steuergerechtigkeit nachgebessert.
- Die Steuersätze wurden von 19 bis 34 auf 21 bis 41 Prozent erhöht.
- Erbschaften müssen entweder offengelegt oder mit 50 % belastet werden.
- Mehr Stichproben – 1300 statt 999 – dienen der materiellen Überprüfung der Sätze.
- Um die Verlagerungen unversteuerter Vermögen in andere Länder mindestens zu bremsen, besteht eine Meldepflicht ab Inkrafttreten am 1.1.2013.
- Im Übrigen werden auch Kapitalgewinne besteuert. Damit beissen wir in der Schweiz noch immer auf Granit.
Die Ironie der Geschichte: Schweizer Banken werden mit der Abgeltungssteuer zu Inkassostellen des deutschen Fiskus. Wer hätte das vor ein paar Jahren noch gedacht?
Der Informationsaustausch ist nicht vom Tisch
Neben Deutschland und UK hat die Schweiz bereits Verhandlungen mit Griechenland und Österreich für eine Abgeltungssteuer aufgenommen. Ein wichtiges Instrument könnte es für Entwicklungsländer sein.
Verallgemeinerungsfähig dürfte die Abgeltungssteuer weltweit trotzdem nicht sein. Die Steuerabkommen sind aufwendig und für die Banken teuer. Deshalb sprechen sich auch Banker wie Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz für den automatischen Informationsaustausch aus. Die anonyme Abgeltungssteuer sichert noch keine Steuergerechtigkeit. Deshalb wird von Seiten der OECD der Druck zur Einführung des automatischen Informationsaustausches weiter zunehmen.
Steuerhinterziehung bestraft die Ehrlichen
Steuerhinterziehung ist immer ungerecht. Betrogen werden damit die ehrlichen Steuerzahlerinnen und -zahler, die zudem noch für die Ausfälle der Hinterzieher aufkommen müssen.
Die SPD hat deshalb zu Recht, bei der Abgeltungssteuer u.a. Verbesserungen in zwei Richtungen verlangt. Die Abgeltungssteuer darf nicht zum billigen Ablasshandel für Steuerhinterzieher werden. Deshalb will sie sicherstellen, dass
- keine krassen Gerechtigkeitslücken gegenüber ehrlichen Steuerzahlerinnen entstehen und
- nicht deutsche Steuerhinterzieher aus der Schweiz in eine unbekannte Destinationen entwischen können.
Auch die Schweizer Banken haben eine grosse Verantwortung. Sie müssen dafür geradestehen, dass sie die deutschen Steuerhinterzieher nicht an eine ihrer Filialen im Ausland weiterreichen. Verantwortung trägt aber auch die SP. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass für jene deutschen Staatsangehörigen, die ihre unversteuerten Vermögen aus der Schweiz abziehen, der automatische Informationsaustausch sofort gilt und zwar rückwirkend ab Vertragsunterzeichnung und nicht erst ab Inkrafttreten.
Ob die beschlossenen Nachbesserungen der der Opposition ausreicht, wird Gegenstand des politischen Prozesses in Deutschland sein. Die SPD wird sich wohl zu Recht gegen jeden Druck von aussen wehren.
Abgeltungssteuer als zusätzliches Instrument
Für die Beurteilung durch die SP Schweiz muss gelten:
Die Schweiz darf nicht länger Oase für ausländische Steuerhinterzieher sein. Der steuerehrliche Finanzplatz muss mit verschiedenen Instrumenten rasch umgesetzt werden:
- Die ausländischen BankkundInnen müssen mit einer glaubwürdigen Selbstdeklaration bezeugen, dass ihre Gelder in der Schweiz versteuert sind.
- Die Banken haben das mit einer erhöhten Sorgfaltsplicht zu überprüfen.
- Zur Bewältigung der Vergangenheit kann die Abgeltungssteuer ein geeignetes Instrument sein. Geeignet ist sie insbesondere für Entwicklungsländer ohne ausgebauten Verwaltungsapparat.
- Der automatische Informationsaustausch darf mit der Abgeltungssteuer nicht blockiert werden. Das gilt auch für die aktuellen Verträge mit UK und Deutschland wie für die Verhandlungen mit Griechenland und Österreich.
Die Abgeltungssteuer ist deshalb in keinem Fall eine Alternative zur Selbstdeklaration und zum Informationsaustausch sondern höchstens eine Ergänzung dazu. Sollten damit neue Steuerschlupflöcher für die Zukunft geschaffen werden, so muss die SP sie klar ablehnen. Das wird in den beiden Wirtschaftskommissionen im Detail zu prüfen sein. Voreilige Zusicherungen der SP sind fehl am Platz.
Die Steuerhinterziehungspolitik der bürgerlichen Parteien mit dem Steuerhinterziehungsgeheimnis hat uns nur Scherereien beschert. Seit drei Jahren sind wir politisch am Scherben kitten. Die Steuerhinterziehungsoase macht die Schweiz erpressbar. Das haben die erfolgreichen Erpressungsmanöver der USA gezeigt. Davon haben wir endgültig genug.