Gastkommentar von Tamara Gianera, Leiterin der Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann des Kantons Graubünden
Vor zwei Wochen veröffentlichte der Rasiererhersteller Gillette einen Werbeclip, der im Netz für riesiges Aufsehen sorgte. Die Werbung zeigt einen Jungen, der gemobbt und gejagt wird. Sie zeigt einen Trickfilm, in dem Männer einer Frau zu pfeifen. Eine Sitcom, wo ein Mann einer Frau an den Hintern greift und das Publikum grölt. An einer Sitzung legt der Chef seiner Mitarbeiterin die Hand auf die Schulter und meint, erklären zu müssen, was sie gerade eben gesagt hat. Während zwei Buben am Boden kämpfen, schwenkt die Kamera auf ein Dutzend Männer, aufgereiht hinter ihrem Grill. Voll Klischee natürlich. Sie sagen: „Boys will be boys. Jungs sind halt Jungs.“
„Ist das das Beste, das ein Mann sein kann?“, wird gefragt. Nein, selbstverständlich nicht. Männer sind besser, sie können auch anders. Denn einer dieser Männer schreitet ein und bringt die Jungs auseinander. An einer belebten Strasse geht eine Frau an einem Mann vorbei, nimmt ihn gar nicht wahr, dieser grinst, meint so „wow“ und will ihr hinterherlaufen, als ein anderer Typ ihn davon abhält und „not cool“ sagt. Wirklich nicht cool. Nur schon die Vorstellung, dass jemand einen verfolgt, ist unheimlich.
Wieso genau sorgt das jetzt für Aufregung? Was soll schlecht sein an einem Verhalten, wie es im zweiten Teil des Spots gezeigt wird? Um das herauszufinden, sah ich mich gezwungen die Kommentarspalten zu durchforsten. Ein Grossteil ärgert sich über die angebliche Verallgemeinerung. Der Spot würde alle Männer in einen Topf werfen und es entstehe der Eindruck, dass alle Männer Machos wären, gewalttätig und übergriffig.
Gut, Werbungen neigen nun einmal zu Übertreibungen, sie sollen ja auch für Aufsehen sorgen, das ist nichts Neues. Und so findet man sich halt mal in einem Topf wieder, wo man vielleicht nicht hingehört. Wer sich tatsächlich nicht mit dieser Rolle identifizieren kann, wird sich auch nicht angesprochen fühlen und auch kein Problem damit haben. Möglicherweise sind diese Männer umso motivierter, sich von diesem Stigma zu befreien und ein gutes Vorbild zu sein. So wie es die Männer im Spot sind, die herausstechen, weil sie sich nicht schämen aufzustehen und einzugreifen, wenn es nötig ist.
Wer sich von dem Spot jedoch angegriffen fühlt, wird sich wahrscheinlich in den stereotyp dargestellten Männern wiedererkennen und sich deshalb auch betroffen fühlen. Das ist ok. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Ich denke nicht, dass Gillette mit dieser Werbung Männer angreifen will, schliesslich sind das ihre Kunden. Vielmehr fordert das Unternehmen die Männer heraus, Männlichkeit neu zu definieren. Es geht beispielhaft voran, indem es das stereotype Männerbild, welches die Marke jahrzehntelang selber propagiert und zementiert hat, hinterfragt und ein neues, fortschrittliches Bild transportiert, das nachhaltig wirken soll. Denn schliesslich sind die Jungs von heute die Männer von morgen.
Die enorme Kritik der Verteidiger der traditionellen Männlichkeit, die sogar zum Boykott von Gillette-Produkten aufrufen, beweist nur, wie zerbrechlich und verängstigt ebendiese Ideale sie gemacht haben.
Es ist mir bewusst, dass der Werbespot in erster Linie ein kommerzielles Ziel verfolgt. Dennoch ist nichts verwerfliches daran, wenn solch einflussreiche Unternehmen in gesellschaftlichen Debatten Position beziehen.
Männer sind besser, sie können auch anders.