Aktuelle Revisionsvorhaben streben im Zusammenhang mit der Untervermietung und der Kündigung der Wohnung wegen Eigenbedarfs eine Schwächung der Rechte von Mieter:innen an. Wie nachfolgend aufgezeigt wird, kann bei einer grundsätzlichen und objektiven Betrachtung des geltenden Mietrechts jedoch nicht ernsthaft an eine Schwächung des Mieterschutzes gedacht werden.
Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen privaten Rechtssubjekten und geht davon aus, dass sich diese auf Augenhöhe gegenüberstehen. Privatrechtliche Akteure sind deshalb grundsätzlich weder beaufsichtigt noch an die Verfassung gebunden. Unter Geltung der Privatautonomie ist ihnen erlaubt, was das Gesetz nicht verbietet.
Die Annahme, dass sich private Rechtssubjekte auf Augenhöhe begegnen, existiert in vielen Rechtsgebieten allerdings nur in der Vorstellung des Gesetzgebers. Schon wenn juristische und natürliche Personen an einem Rechtsgeschäft beteiligt sind, trifft dies kaum noch zu. Oder wer hat jemals mit seiner Bank oder seinem Mobilfunkanbieter über den Vertragsinhalt verhandelt? Von rechtsgeschäftlichem Handeln auf Augenhöhe kann noch weniger die Rede sein, wenn existenzielle Bedürfnisse durch Private erbracht werden. Die Position einer Vertragspartei, die im privatrechtlichen Rahmen für elementare Bedürfnisse einer Partei aufkommt, ohne selbst eine entsprechende Leistung entgegenzunehmen, nimmt hoheitliche Züge an. Dies gilt insbesondere für das Mietrecht. Durch die einseitige Gefahr eines Wohnungsverlusts oder einer negativen Referenz schwebt über Mietverträgen stets eine nötigende Komponente zulasten der schwächeren Partei.
Machtgefälle zwischen Vertragsparteien
Zwar enthält das Mietrecht zwingende Normen zum Schutz der Mieter:innen, die der Privatautonomie Grenzen setzen. Am Machtgefälle zwischen den Vertragsparteien ändert dies indessen wenig. Vermieter, die den defekten Kühlschrank nicht ersetzen, den selbstverursachten Lärm nicht entschädigen oder die Senkung des Referenzzinssatzes nicht weitergeben, haben in der Regel nur zu befürchten, dass sich ihr unrechtmässiges Handeln für sie nicht auszahlt. Mieter:innen müssen sich für ihre Anliegen sodann meistens an juristisch geschulte Immobilienverwaltungen wenden, die den Interessen des auftraggebenden Vermieters verpflichtet sind. Begehren von Mieter:innen werden dementsprechend oft zu Unrecht abgewiesen, wobei der Ton, in dem dies geschieht, eher an eine Behörde als einen ebenbürtigen Vertragspartner erinnert.
Vom Gesetz zur Verfügung gestellte Massnahmen zum Schutz der schwächeren Partei erfordern zur korrekten Umsetzung häufig fundierte juristische Kenntnisse. Die falsche Anwendung kann wiederum schnell zur Kündigung durch den Vermieter berechtigen. Um zumindest in dieser Hinsicht ein gewisses Gleichgewicht herzustellen, sind vorwiegend Mieter:innen auf die Mandatierung eines Rechtsanwaltes angewiesen, was entsprechende finanzielle Ressourcen voraussetzt. Daran ändert der Umstand vielfach wenig, dass Schlichtungsverfahren in mietrechtlichen Angelegenheiten kostenlos sind. Und selbst wenn ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege besteht, kann dieser grundsätzlich erst vor Gericht geltend gemacht werden. Ob es jedoch zum Gerichtsverfahren kommen wird, ist zum Zeitpunkt der Mandatierung eines Rechtsanwaltes noch völlig offen. Ohne Versicherung ist Rechtsschutz in einem ersten Schritt aus der eigenen Tasche zu bezahlen und deshalb für die wenigsten Mieter:innen erschwinglich.
Missstände an der Tagesordnung
Im Ergebnis überlässt die gesetzgeberische Fiktion des Handelns auf Augenhöhe das Recht in mancher Hinsicht dem Stärkeren und hat zur Folge, dass die Einhaltung vieler gesetzlicher Pflichten von dessen Willen abhängt. Damit kommen die Vorzüge der Privatautonomie in erster Linie dem Vermieter zugute. Da die Wohnung für Mieter:innen eben keine austauschbare Leistung ist, sondern eine Grundlage der Existenz, wird dieses Problem auch nicht durch den Markt geregelt. So stehen Mieter:innen selbst im Falle offensichtlich berechtigter, vom Vermieter dennoch verweigerter Ansprüche vor der Wahl, entweder auf die Leistung zu verzichten oder den teuren Rechtsweg zu beschreiten.
Ein grosser Teil der Vermieter mag vorbildlich sein. Dennoch sind Missstände an der Tagesordnung. Ignorierte Begehren um Mietzinsreduktion, die ungerechtfertigte Abwälzung von Kosten auf Mieter oder die Verwendung des Mietzinsdepots als Druckmittel zum Ersatz längst amortisierter Ausstattung seien hier bloss beispielhaft erwähnt. Es ist evident, dass viele Ansprüche von Mieter:innen unbefriedigt bleiben, weil ihnen aufgrund der aktuellen Rechtslage die Hände gebunden sind.
Parlamentarische Vorstösse verstärken Ungleichgewicht
Die vom Nationalrat angenommenen parlamentarischen Initiativen wollen die Untervermietung künftig von einer schriftlichen Zustimmung des Vermieters abhängig machen, wobei eine Untervermietung ohne solche Zustimmung zur Kündigung berechtigten würde. Ferner soll die Kündigung bei Eigenbedarf beschleunigt und erleichtert werden. Dadurch würde der drohende Wohnungsverlust für Mieter:innen noch realer und das schon existierende Ungleichgewicht weiter verstärkt.
Wer heute ernsthaft an eine Schwächung des Mieterschutzes denkt, ignoriert den Umstand, dass schon die geltende Regelung den Vermietern eine behördenähnliche Stellung einräumt, die viel zu oft ausgenutzt wird. Selbst wenn es beim Eigenbedarf und der Untermiete Handlungsbedarf gäbe, erschiene dies im Hinblick auf das bestehende Ungleichgewicht nicht revisionswürdig. Den Mieter:innen kann nicht zugemutet werden, eine weitere bittere Pille zu schlucken, bloss weil den Vermietern der Schuh drückt. Das Mietrecht bedarf, wenn überhaupt, einer Verbesserung des Mieterschutzes.
Autor: David Leuthold, MLaw, Rechtsanwalt, Advokatur am Stampfenbach