Vor einigen Tagen wurden Vania Alleva und Martin Landolt von der Zeitung 20 Minuten gefragt, ob sie von der Erbschaftssteuer-Initiative betroffen seien. Sowohl die Gewerkschaftschefin als auch der BDP-Parteipräsident antworteten naiverweise mit Nein. Damit unterliegen sie einem groben, aber weit verbreiteten Irrtum. Alleva und Landolt sind ohne Zweifel direkt betroffen von dieser Vorlage. Genauso wie wir alle anderen auch. Denn wenn die Initiative abgelehnt wird, werden wir alle helfen müssen, ein gegen vier Milliarden grösseres Loch zu stopfen.
Wachsendes Loch in der AHV
Die AHV leidet unter der fortschreitenden Alterung der Bevölkerung und schlechter werdenden Anlagerenditen. Sie wies im vergangenen Jahr erstmals ein Umlagedefizit von mehreren hundert Millionen aus. Ihr Defizit wird weiter anwachsen. Der Bundesrat schätzt in seiner Botschaft zur aktuellen Rentenreform, dass bis 2030 eine Finanzierungslücke von 8,3 Milliarden Franken droht. Er schlägt deshalb unter anderem vor, die Mehrwertsteuer mittelfristig um zwei Prozent anzuheben. Zwei Prozent, das entspricht Kosten von rund 1000 Franken pro Einwohner und Jahr.
Erbschaftssteuer bringt 4 Milliarden
Die Initianten und der Bundesrat gingen bisher davon aus, dass die Erbschaftssteuer rund zwei Milliarden Einnahmen zugunsten der AHV bringt. Eine neue Untersuchung von Prof. Marius Brülhart und Elodie Moreau von den Unis Lausanne und Zürich, die vor wenigen Wochen präsentiert wurde, kommt zum Schluss, dass in den letzten Jahren weit mehr vererbt wurde als bisher angenommen. Diese Studie wurde nicht im Auftrag der Initianten erstellt und blieb bisher unbestritten. Die Autoren rechnen für das Jahr 2015 mit Erbschaften in der Höhe von gegen 80 Milliarden Franken. Das ist knapp doppelt so viel, wie die Initianten und der Bundesrat geschätzt hatten. Man darf also davon ausgehen, dass die AHV in Zukunft mit gegen vier Milliarden entlastet wird, wenn die Initiative angenommen wird – selbst dann, wenn die Familienunternehmen von der Erbschaftssteuer ausgenommen werden.
Man darf davon ausgehen, dass die AHV in Zukunft mit gegen vier Milliarden entlastet wird, wenn die Initiative angenommen wird.
Ein Nein trifft gerade die KMU
Die Erbschaftssteuer kann das AHV-Problem also deutlich entlasten. Bei einem Ja halbiert sich praktisch die Finanzierungslücke. Die vier Milliarden machen pro Einwohnerin und Einwohner rund 500 Franken jährlich aus, die wir über höhere Lohnabzüge, höhere Mehrwertsteuern, ein höheres AHV-Alter oder tiefere AHV-Leistungen aufbringen müssen. Werden sie über den Konsum finanziert, muss die Mehrwertsteuer um ein volles Prozent erhöht werden. Decken die Löhne das Defizit, müssen rund 1,3 Lohnprozente in die AHV abgezweigt werden. Beides trifft nicht zuletzt die KMUs. Denn ihre Kosten steigen, und die Kaufkraft ihrer Kunden sinkt. Werden die vier Milliarden über tiefere AHV-Leistungen finanziert, dann sinkt die ausbezahlte AHV für alle Rentnerinnen und Rentner um monatlich mehr als 200 Franken. Die letzte Möglichkeit, dieses Vier-Milliarden-Problem zu lösen, wäre eine Erhöhung des AHV-Alters. Es müsste um happige 1,6 Jahre angehoben werden. Man kann es drehen und wenden wie man will: Ein Nein zur Erbschaftssteuer trifft den Mittelstand voll. Während die Medien voll auf die Ausgaben fokussieren, wird die Einnahmenseite der Vorlage kaum thematisiert.
Ein Nein zur Erbschaftssteuer trifft den Mittelstand voll.
SVP, FDP und CVP gegen den Mittelstand
Der Mittelstand profitiert noch aus einem zweiten Grund. Mit der Initiative werden nämlich alle kantonalen Erbschaftssteuerregimes abgeschafft. Somit werden Konkubinatspartner, Nichten, Neffen oder nicht verwandte Erben von der Erbschaftssteuer befreit, sofern der Nachlass unter zwei Millionen bleibt. Weniger als zwei Prozent der Bevölkerung sind von der neuen Erbschaftssteuer betroffen. Alle anderen werden von der heute bestehenden, unübersichtlichen Erbschaftssteuer befreit. Und die Familienbetriebe werden allen Unkenrufen zum Trotz nicht betroffen sein, weil der Initiativtext eine Ausnahmebestimmung vorsieht.
Diese Aspekte werden von den bürgerlichen Parteien bewusst verschwiegen. SVP, FDP und CVP vertreten bei dieser Vorlage nicht die Interessen des Mittelstandes, wie sie immer vorgeben. Sie verweigern die dringend notwendige Diskussion und lassen den Mittelstand im Dienste der Superreichen völlig im Stich. Die Erbschaftssteuer entlastet den Mittelstand. Alle anderen Finanzierungsvorschläge für die AHV treffen ihn hingegen voll.