Die Inszenierung der Nation

Am Beispiel Kataloniens zeigt sich: Nationalismus ist nicht plötzlich gut, nur weil die Absichten sympathisch sind. Er ist dann ein Problem, wenn er verordnet, wenn er erzwungen ist. Dabei gilt für Katalonien wie für die Schweiz: Abgrenzung allein schafft keine Identität. Souverän, selbstbewusst, gar autonom ist man nämlich nie allein, sondern immer und nur mit anderen zusammen.

Nicht über Katalonien zu schreiben, geht als Aussenpolitiker irgendwie gar nicht. Aber aus der Ratlosigkeit Gescheites zu liefern, ist ebenso unmöglich. In Barcelona verunfalle ich mit jedem Argument. Also: Jedes Prinzip scheitert am Wesen und der Geschichte Kataloniens. Und es scheitert am Vorgehen und an der Geschichte des Partido Popular.

Das Scheitern tut weh, weil sich Katalonien immer als europäisch und solidarisch verstanden hat, im besten Sinne als bürgerlich und darum in einer Diktatur links. Und doch: Nationalismus ist nicht dann schon darum gut, weil er sympathisch ist. Er ist dann ein Problem, wenn er verordnet, wenn er erzwungen ist.

Wenn wir den autoritären Verwalter Mariano Rajoy und seine Partei einmal weglassen, bleibt die Sorge um den Rechtsstaat und die Hoffnung auf eine Demokratie, die möglichst nahe an der Selbstbestimmung der Menschen ist. Rechtsstaat heisst, dass sich eine kollektive Mehrheit Regeln gibt, die jeden und jede in ihren vielen individuellen Minderheiten schützt.

Und da sind wir beim Dilemma: Wer ist jetzt da nationalistisch? Katalonien oder der spanische Nationalstaat? Eben: Die Lösung kann nur die Überwindung solcher Kategorien sein. Zum Beispiel Europa. Ein Europa, das sich weniger an die Nationalstaaten als an seine Bürgerinnen und Bürger hält. Die Tragik der katalanischen Selbstvergewisserung ist die Nachahmung des Absoluten. Die Inszenierung der Nation. Ausgerechnet in Barcelona.

Wenn wir die rechte Propaganda vergessen, dann sollten wir Schweizerinnen und Schweizer das eigentlich genuin spüren müssen: Dieses schöne kulturelle Durcheinander. Was mir an der schweizerischen Dauerdiskussion gegen Europa und die Welt so missfällt, ist dieser so offensichtliche Mangel an Grosszügigkeit. Abgrenzung allein schafft keine Identität. Souverän, selbstbewusst, gar autonom ist man nämlich nie allein, sondern immer und nur mit anderen zusammen.

Darum gefällt mir der angestaubte Begriff der „Willensnation“. Gemeinsam sind wir nur in der Vielfalt. Die Schweiz hat das immer zu begreifen versucht, Europa übt dasselbe. Der Rückzug in das kleine Vertraute ist sicher keine Hoffnung für morgen. Aus dem Gestern und für morgen betrachtet, bleibt der demokratische Verfassungs- und Rechtsstaat der Garant für Freiheit. Auch wenn er einem mal nicht passt. Gerade als halbdirekte Demokratie. Die passt einem nämlich auch nicht immer.

Der Rechtsstaat ist der Bruder der Demokratie, er ersetzt sie nicht. Beide sind stets zu kontrollieren und zu verhandeln. Das sollte Spanien auch tun. Das macht man nicht mit der Guardia Civil, sondern unter Partnern am Tisch. Nichts schlimmer, als wenn Männer, die Fehler gemacht haben, nur dann noch eine Lösung finden mögen, wenn sie dabei meinen ihr Gesicht zu wahren. Hablamos – Parlem!

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