Die Nagra ist nicht mehr glaubwürdig

Jahrelang sind sechs Standorte in einem Schein-Auswahlverfahren für ein Atommüll-Lager gestanden. Letzte Woche hat die Nagra nun bekannt gegeben, dass nur noch die Standorte Benken und Bözberg weiter geprüft werden sollen. Das hat die Nagra allerdings schon lange gewusst und die Politik sowie die Bevölkerung mit viel Arbeit hingehalten.

Vor über zwei Jahren gelangte ein streng vertrauliches Papier aus dem Jahr 2011 an die Öffentlichkeit. Bereits darin wurde aufgezeigt, wie die Nagra vorgehen wird, damit die Standorte Benken und Bözberg das Rennen im Auswahlverfahren gewinnen. Jetzt, einige Jahre später und um viele wissenschaftliche Berichte reicher, wird das vertrauliche Papier Realität. Die Mitwirkenden in den Regionalkonferenzen müssen sich verschaukelt vorkommen. Warum dieses aufwändige Sachplanverfahren, wenn die Nagra das Resultat vorab kennt?

Die Nagra ist aber auch aus weiteren Gründen unglaubwürdig geworden. Der Standort Wellenberg wird jetzt fallen gelassen. Vor rund 15 Jahren war der Wellenberg der auserwählte Standort der Nagra. Das Atommüll-Lager wäre heute im Bau, hätte sich die Bevölkerung nicht massiv gewehrt und vier Mal an der Urne Nein gesagt. Jetzt ist der Wellenberg aus Sicht der Nagra nicht mehr geeignet. So schnell und fundamental kann sich die Beurteilung eines «sichersten» Standorts ändern! Das ist äusserst bedenklich, denn ein Endlager sollte immerhin bis zu einer Million Jahre sicher bleiben.

Die Nagra wechselt mit ihrem Entscheid auch das Wirtsgestein. Das Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll soll nicht mehr im Mergel, sondern im Opalinuston gebaut werden. Dafür aber fehlt der Entsorgungsnachweis, der nach Kernenergiegesetz zwingend zu erbringen ist. Für die Nagra bedeutet das zurück auf Feld 1. Denn für die Sicherheit der Bevölkerung ist vor allem die Rückholbarkeit des Atommülls sicher zu stellen. Die Ergebnisse im Versuchstollen Mont Terri stellen genau diese Rückholbarkeit in Frage.

Die Forderung nach einer unabhängigen Nagra wird immer dringlicher und muss jetzt wiederholt werden. Fünf der sechs Genossenschafter der Nagra sind AKW-Betreiber. Sie alle befinden sich zurzeit in finanziellen Schwierigkeiten und wollen die Standortsuche möglichst rasch vorantreiben. Die Glaubwürdigkeit und die Sicherheit bleiben dabei auf der Strecke.

Auf eine Nagra, die mit der Bevölkerung über Jahre mit gezinkten Karten spielt, ist kein Verlass. Der zurzeit sicherste Standort in der Schweiz bedeutet nicht, dass er gut genug ist für ein sicheres Atommüll-Lager. Wir alle sind gut beraten, diesen Entscheid der Nagra infrage zu stellen. 

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