Die Schule von morgen braucht ambitionierte und harmonisierte Lehrpläne

Mathias Reynard, Nationalrat VS

Mathias Reynard, Nationalrat VS
Seit einigen Monaten wird in der Deutschschweizer Presse eine intensive Debatte über den Lehrplan 21 (LP 21) geführt. Mit diesem Lehrplan soll die obligatorische Schule in den 21 ganz oder teilweise deutschsprachigen Kantonen harmonisiert werden. Diese Kontroverse sorgt in der Romandie für Erstaunen, denn das Westschweizer Pendant, der Plan d’études romand (PER), wurde in einem konstruktiven Klima und ohne nennenswerte politische Auseinandersetzungen eingeführt.

Am 21. Mai 2006 nahm das Stimmvolk mit mehr als 85 Prozent Ja-Stimmen die neuen Bildungsartikel in die Verfassung auf. In Artikel 62, Absatz 4, der Verfassung wird seither die Notwendigkeit einer „Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und von deren Übergängen sowie der Anerkennung von Abschlüssen“ bekräftigt. 

Sowohl der LP 21 wie auch der PER setzen also nur einen verfassungsmässigen Auftrag um. Nämlich den Auftrag, die Lernziele zu harmonisieren und einen Katalog von spezifischen Fähigkeiten zu definieren, welche die Schülerinnen und Schüler zum Abschluss der jeweiligen Stufe beherrschen sollen. Damit folgt der LP 21 der im HarmoS-Konkordat vorgegebenen Linie und bringt einen gewichtigen Fortschritt im Hinblick auf die Chancengleichheit und den nationalen Ausgleich. Denn wie soll man rechtfertigen, dass ein kleines Land wie die Schweiz immer noch 26 verschiedene Lehrpläne kennt? 

PER: Die zentralen positiven Punkte  

In der Romandie wurde der PER seit 2011 schrittweise eingeführt. Heute werden die Schülerinnen und Schüler quasi in der ganzen Westschweiz gemäss PER unterrichtet. Ich selbst arbeite seit drei Jahren täglich mit dem PER auf Stufe Sekundarschule und kann bestätigen, dass der Lehrplan den qualitativen Anforderungen vollauf genügt. Im Gegensatz zur Meinung einiger reaktionärer Kreise vernachlässigt der PER die Grundkenntnisse keineswegs und hält auch nirgends fest, dass klassischer „Frontalunterricht“ nicht mehr erlaubt sein soll. Die höheren Ziele in der Berufsbildung wurden natürlich ebenfalls beibehalten. 

Parallel zu den einzelnen Schulfächern räumt der PER der fächerübergreifenden Bildung einen wichtigen Platz ein. Diese ist unterteilt in verschiedene Themenbereiche: Nachhaltige Entwicklung (mit dem Ziel, ein kritisches Nachdenken über dieses Thema zu fördern), Staatskunde (mit dem Ziel, die Schülerinnen und Schüler auf eine aktive Teilnahme am öffentlichen Leben vorzubereiten), berufliche Orientierung, Gesundheitsprävention sowie Fragen im Umgang mit Medien und Kommunikationsmitteln. Konkret haben wir beispielsweise verschiedene Fragen rund ums Thema „Wasserwirtschaft“ behandelt, von lokaler bis internationaler Ebene, um die Schülerinnen und Schüler zu einem kritischen Nachdenken über diese aktuelle Problematik anzuregen. Mit solchen Beispielen kann man auch den Einwand von linker Seite, der PER oder der LP 21 seien neoliberale Projekte, widerlegen. 

Schliesslich will der PER auch praktische und soziale Kompetenzen wie Zusammenarbeit, Kommunikation oder Kreativität fördern und entwickeln. All diese Elemente sind sehr positiv und der Lehrplan 21 geht in dieselbe Richtung, auch wenn gewisse Aspekte noch verstärkt und vertieft werden müssen, wie die SP zu Recht fordert. 

Genügend Mittel sind unverzichtbar

Der Lehrplan 21, wie auch der PER, verlangen nach genügend Mitteln, um die hochgesteckten Ziele zu erreichen. Das Erlernen zweier Fremdsprachen (eine zweite Landessprache sowie Englisch) muss ein prioritäres Ziel bleiben und erfordert optimale Bedingungen an allen Schulen (kleine Klassen, geeignete Lehrmittel etc.). 

Generell kann man festhalten, dass die Lehrpersonen über genügend Ressourcen verfügen müssen, um die hohen Ansprüche des neuen Lehrplans umsetzen zu können. Ausserdem muss sichergestellt werden, dass mit Einführung des LP 21 überall angepasste Lehrmittel zur Verfügung stehen, was beim PER nicht in allen Fächern der Fall war. Weiter müssen die Kantone in die Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer investieren und für optimale äussere Voraussetzungen in den Schulhäusern sorgen.

Aus diesem Grund müssen alle Sparprogramme, welche die Ausgaben für Bildung kürzen wollen und damit die Qualität der Schulbildung gefährden, zurückgewiesen werden. Wir brauchen im Gegenteil zusätzliche Investitionen im Bereich der obligatorischen Schule.    

Die Schule: Ein zentrales Thema der SP

Das aktuell aufgeheizte Klima bestätigt immerhin eines: Die SP muss sich anstrengen, um das Thema Schule und Bildung nicht den rechtskonservativen Kreisen zu überlassen. Wir müssen uns weiterhin für eine offene und tolerante Schule einsetzen, die jedes Kind integriert und kein Kind ausgrenzt. Eine Schule, die über genügend Mittel und Ressourcen verfügt. Eine Schule, die hochgesteckte Ziele verfolgt und auf die Praxis ausgerichtet ist. Eine Schule, die aktive Bürgerinnen und Bürger mit kritischem Denken hervorbringt. 

Die Elemente, die es braucht, um dies zu erreichen, sind ambitionierte und harmonisierte Lehrpläne sowie genügend Mittel und Ressourcen für deren Umsetzung.

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