Die Schweiz muss sich für den türkisch-kurdischen Friedensprozess einsetzen

Erdogan beendet den Friedensprozess mit den Kurden für seinen persönlichen Machterhalt. Mit der Bombardierung kurdischer Gebiete im Nordirak und in Syrien setzt die türkische Regierung den innenpolitischen Friedens- und Demokratieprozess aufs Spiel. Die Schweiz muss endlich Stellung beziehen und dazu auch direkt bei der türkischen Regierung intervenieren. Zudem sind Waffenexporte in die Türkei zu stoppen.

Bei den Wahlen vom 7. Juni 2015 hat die demokratische Partei der Völker (HDP) unter der Führung von Selahattin Demirtas mit 13 Prozent der Stimmen die 10-Prozent-Hürde deutlich überschritten. Die Partei versteht sich als Vertreterin nicht nur der Kurdinnen und Kurden sondern aller Minderheiten. Der überraschende Erfolg hat der Partei Erdogans APK mit dem Verlust der absoluten Mehrheit eine überraschende Niederlage zugefügt.

Erdogan will Neuwahlen

Mit allen Mitteln versucht Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seinen absolutistischen Machtanspruch wieder durchzusetzen. Nach einem Selbstmordanschlag voriger Woche in Suruc, der vom IS gegen linke Studenten ausgeübt worden ist, hat Erdogan den Ausnahmezustand erklärt. Vordergründig wurde dem IS der Kampf erklärt. Gleichzeitig erklärt die türkische Regierung jedoch den Friedensprozess mit den Kurden als beendet. Diese Doppelstrategie richtet sich vor allem gegen die Kurden. Mit der Bombardierung kurdischer Gebiete im Nordirak und in Syrien setzt die türkische Regierung den innenpolitischen Friedens- und Demokratieprozess aufs Spiel. Die Luftangriffe auf kurdische Stellungen werden von der NATO toleriert, obwohl sie die Situation im Nahen Osten weiter destabilisieren.

Das Ziel der Strategie ist klar: Erdogan will Neuwahlen. Die HDP soll ganz oder teilweise verboten werden. Bereits sind Prozesse zur Aufhebung der Immunität von demokratisch gewählten HDP-Parlamentarierinnen und HDP-Parlamentariern im Gang. Ihnen droht die Inhaftierung.

Tausende von Kurdinnen und Kurden leben in der Schweiz

In dieser Situation kann die offizielle Schweiz nicht länger tatenlos zusehen. Die Schweiz ist elementar daran interessiert, dass der Friedensprozess mit den Kurdinnen und Kurden weitergeht. Das auch aus innenpolitischen Gründen:

  • Seit  den 1990er Jahren setzt sich die Schweiz für den Friedensprozess in der Türkei ein. Sie hat eine Vermittlerrolle eingenommen.
  • In der Schweiz leben rund 100 000 Kurdinnen und Kurden, davon schätzungsweise 60 000 aus der Türkei. Sie sind politisch aktiv.
  • Nirgends auf der Welt haben mehr im Ausland ansässige Menschen aus der Türkei für die fortschrittliche HDP gestimmt, als in der Schweiz.
  • Die hier ansässigen Kurdinnen und Kurden wurden zur Diaspora gezwungen. Für sie ist der Friedensprozess zentral. Sie sind über diese Entwicklung zu Recht besorgt, bedeutet sie doch eine reale Gefahr für die Menschenrechte ihrer Familien, Freunde und Verwandten in der Türkei.
  • Die Politik Erdogans verstärkt die Destabilisierung im Nahen Osten. Sie kann schlussendlich eine neue Flüchtlingswelle – auch in die Schweiz – auslösen.

Die Schweiz muss Eskalation bekämpfen

Die Schweiz muss die Eskalation verurteilen und bekämpfen. Der Bundesrat wird aufgefordert sich aktiv einzusetzen

  • für die Fortsetzung der Friedensgespräche;
  • für den Stopp der Angriffe gegen kurdische Stellungen;
  • für die Sicherung der Rechte und der Freiheit der neugewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier;
  • für den Stopp der Waffenexporte in die Türkei, solange der Friedensprozess nicht fortgeführt wird.

Nur unter dem Druck auch von aussen wird Erdogans Partei lernen, Koalitionen einzugehen. Die Schweiz muss endlich Stellung beziehen und dazu auch direkt bei der türkischen Regierung intervenieren. Diplomatische Instrumente gibt es dazu genug von der öffentlichen Stellungnahme, bis zur Zitierung des türkischen Botschafters in der Schweiz oder von Gesprächen auf Ebene des Staatssekretariats.

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