Seit 15 Jahren publizieren 13 Städte, die Berner Fachhochschule und die Städteinitiative Sozialpolitik den „Kennzahlenvergleich zur Sozialhilfe in Schweizer Städten“. Aus diesem Anlass wurden erstmals die Entwicklungen und Trends in der städtischen Sozialhilfe über mehrere Jahre analysiert und vor wenigen Tagen publiziert. Dabei zeigt sich, dass sich die Sozialhilfe für immer mehr Personen von einer vorübergehenden Hilfe in Notlagen zu einer langfristigen Existenzsicherung wandelt:
- Die durchschnittliche Bezugsdauer von Sozialhilfe hat in den letzten sechs Jahren deutlich zugenommen und ist von 32 auf 38 Monate gestiegen.
- Der Anteil der Fälle, die länger als fünf Jahre Sozialhilfe beziehen, liegt in den meisten Städten bereits bei 20 bis 30 Prozent.
- Ein Langzeitvergleich zeigt, dass sich das Umfeld der Sozialhilfe stark verändert hat: Sowohl die Revisionen bei ALV und IV wie auch der Strukturwandel der Wirtschaft und gesellschaftliche Trends haben Einfluss auf die Sozialhilfezahlen.
Es gelingt zwar der Sozialhilfe nach wie vor, ein Drittel aller Fälle innert eines Jahres abzulösen. Je länger jemand aber in der Sozialhilfe verweilt, desto schwieriger ist es, wieder herauszukommen. Und desto höher die Belastung für Kantone und Gemeinden. Die Sozialhilfe als letztes Netz in der sozialen Sicherung funktioniert zwar. Aber sie muss immer mehr Probleme lösen. Zwar betragen die Ausgaben für die Sozialhilfe lediglich rund zwei Prozent der gesamten Sozialausgaben in der Schweiz. Die Sozialhilfe ist aber, wie auch die anderen bedarfsabhängigen Sozialleistungen, steuerfinanziert. Kantone und Gemeinden tragen einen grossen Anteil, können diesen aber praktisch nicht beeinflussen und sind unterschiedlich betroffen. Das liegt einerseits im uneinheitlichen System: In einigen Kantonen tragen diese vollumfänglich die Kosten der Sozialhilfe. In anderen die Gemeinden. Oder beide.
Die Faktoren, die zu einem Sozialhilferisiko beitragen, sind vielfältig: Die Grösse eines Gemeinwesens spielt ebenso eine Rolle wie Zentrumsfunktion einer Stadt. Das Bevölkerungswachstum, die geografische Lage oder die Sprachregion sind Risikofaktoren, ebenso die Wohnsituation. Und natürlich auch die Bevölkerungsstruktur: Ein hoher Familienanteil oder ein Anteil von schlecht ausgebildeten Personen korrelieren mit der Sozialhilfequote. Das führt dazu, dass die Belastungen von Städten und Gemeinden ganz unterschiedlich sind. So gibt es Gemeinden im Kanton Zürich, die für die soziale Wohlfahrt (vorwiegend aus gesetzlich vorgegebenen, sozialen Transferleistungen bestehend), rund jeden zweiten Franken aus ihrem Steuerertrag ausgeben. Bei anderen Gemeinden beträgt dieser Wert weniger als fünf Prozent. Und der Trend geht eher auseinander. Mit verheerenden Folgen.
Viele Städte und Gemeinden sind zu massiven Sparprogrammen gezwungen – die letztlich aber die Steigerung der nicht beeinflussbaren Kosten im Bereich der sozialen Wohlfahrt auf Dauer nicht kompensieren können. Eine gewisse Ohnmacht macht sich breit. In dieser Verzweiflung ist die Versuchung gross, ähnlich wie wir es von den Krankenkassen her kennen, sich für „schlechte Risiken“ unattraktiv zu machen. Oder diese gar abzuschieben. In der Gesamtrechnung ist dies ein Nullsummenspiel. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den sozialen Frieden und die Solidarität zwischen den Gemeinden ist dies aber verheerend.
Es braucht jetzt eine Gesamtbetrachtung und eine verbindliche gesetzliche Regelung auf Bundesebene, wie es mit dem Rahmengesetz Sozialhilfe angedacht ist. Und in einzelnen Kantonen dringend eine fairere und gerechtere Verteilung der Soziallasten zwischen den Gemeinden.