«Der Gesetzesentwurf ist schlicht und einfach ungenügend. Er hält an einer veralteten und gefährlichen Definition von Vergewaltigung fest», sagt Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen* Tamara Funiciello. «Die Forderungen der feministischen Bewegung und die Gewalterfahrungen der Betroffenen werden darin nicht ernst genommen.»
Stand heute gilt einzig ungewolltes vaginales Eindringen bei einer «Person weiblichen Geschlechts» als Vergewaltigung und nur, wenn sie etwa durch physische Gewalt oder Drohung dazu gezwungen wird. Die Neudefinition von Art. 190 ist längst überfällig, denn die Realität sexueller Gewalt sieht anders aus: Erstens können Personen jeden Geschlechts und unabhängig von ihrem Körper Opfer von Vergewaltigung werden. Zweitens ist auch ungewolltes orales und anales Eindringen in den Körper eines Opfers eine Vergewaltigung. Drittens ist nicht der Zwang, sondern die fehlende Zustimmung das entscheidende Kriterium für eine Vergewaltigung.
«In den meisten Fällen müssen Täter:innen ihr Gegenüber nicht zum Geschlechtsverkehr zwingen», erklärt Tamara Funiciello. «Betroffene geraten bei sexualisierter Gewalt oft in eine Art Schockzustand. Sie haben Angst vor noch schlimmeren Verletzungen oder sind überrumpelt. Meist können sie sich nicht wehren. Täter:innen nutzen das aus und machen einfach weiter.»
Der Gesetzesentwurf will diesen Mangel mit einem weniger gravierenden Auffangtatbestand für diverse sexuelle Handlungen gegen den Willen beheben. Vergewaltigung wird weiterhin über Zwang definiert, und es ist unsicher, ob zukünftig Personen jeden Geschlechts und unabhängig von ihrem Körper als Opfer anerkannt werden können. Das ist bei weitem ungenügend.
Die SP Frauen* fordern nachdrücklich die Überarbeitung des Gesetzesentwurfs, so dass Sex ohne Zustimmung unter Art. 190 fällt, und unabhängig von Geschlecht und Körper der betroffenen Person als Vergewaltigung anerkannt wird.
Die halbe Million Menschen, die am 14. Juni 2019 für Gleichstellung und Gerechtigkeit auf die Strasse gegangen sind, werden in diesem Gesetzesentwurf nicht gehört. Martine Docourt, Co-Präsidentin der SP Frauen*, erklärt: «Mit der Kampagne wollen wir sensibilisieren und aufrütteln. Die feministische Bewegung muss in der Gesetzesrevision zu Wort kommen und angehört werden.»
Es braucht dringend ein Umdenken im Sexualstrafrecht nach dem Grundsatz «nur ja heisst ja». Es geht um eine Selbstverständlichkeit: «Von Sex kann nur gesprochen werden, wenn alle Beteiligten klar zugestimmt haben», schliesst Tamara Funiciello.
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