Drei Gründe, weshalb Sie kein schlechtes Gewissen haben müssen

Jacqueline Fehr, Nationalrätin ZH, Vizepräsidentin der SP Schweiz

Jacqueline Fehr, Nationalrätin ZH, Vizepräsidentin der SP Schweiz
Um berufstätig zu sein, brauchen wir gute Rahmenbedingungen: Bildung, Verkehrswege und Kinderbetreuung. All diese Aufwendungen sind steuerlich abzugsfähig. Und das soll auch so bleiben. Deshalb sagen wir am 24. November Nein zur SVP-Initiative.

Liebe berufstätige Eltern

Sie können einen Teil der Betreuungskosten steuerlich abziehen, wie Pendler ihre Aufwendungen fürs Pendeln abziehen können. Während kaum ein Nichtpendler darauf beharrt, fürs Nichtbenutzen der teuren Infrastruktur ebenfalls steuerlich begünstig zu werden, fordern Eltern, die keine kostenpflichtige Betreuung ins Anspruch nehmen, exakt dies. Das verunsichert wiederum jene Eltern, die von dieser Infrastruktur – also von Kita, Krippen und Horten – profitieren. Sie möchten grosszügig sein und stimmen gemäss Umfrage der Forderung ebenfalls mehrheitlich zu. Nicht zuletzt wohl aus schlechtem Gewissen.

Deshalb sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, weshalb berufstätige Eltern kein schlechtes Gewissen zu haben brauchen und das Recht auf den Steuerabzug für kostenpflichtige Betreuung einfordern dürfen. 

  1. Die berufstätigen Eltern zahlen die Betreuung doppelt. Zum einen über die Elterntarife: Gesamtschweizerisch zahlen Eltern über 80 Prozent der anfallenden Kosten über Tarife. Und zum anderen über die höheren Steuern, die sie als Folge ihrer Berufstätigkeit dem Staat abliefern. Der Staat und damit auch die nicht berufstätigen Eltern profitieren von den berufstätigen. Jeder Franken, der in eine Kita investiert wird, spült drei bis vier Franken in die Volkswirtschaft zurück.
     
  2. Die berufstätigen Eltern zahlen die AHV der nicht berufstätigen. Gibt eine Mutter oder ein Vater nach der Geburt der Kinder die Erwerbsarbeit auf, fliesst ab diesem Zeitpunkt nichts mehr in die AHV-Kasse. Trotzdem kann diese Person Betreuungsgutschriften geltend machen. Diese werden durch die Berufstätigen finanziert. Pro verdienten Franken fliessen gut 10 Prozent in die Sozialversicherungen. Verdient jemand also pro Jahr 80’000 Franken, profitieren AHV, IV und EO mit 8’000 Franken. Wird dieses Geld nicht verdient, gehen die Sozialversicherungen leer aus.
     
  3. Berufstätige Eltern mildern den Druck auf die Zuwanderung. Aufgrund des angespannten Arbeitsmarktes muss heute praktisch für jede Person, die wegen Familienpflichten ihren Beruf an den Nagel hängt, jemand aus dem Ausland angeworben werden. Damit verpuffen auf der einen Seite die Ausbildungsinvestitionen und auf der anderen Seite steigen die Kosten für die Infrastruktur.

Wird die SVP-Familieninitiative angenommen, werden die heutigen Betreuungsabzüge massiv gekürzt. Damit werden die berufstägigen Eltern mehr Steuern zahlen müssen. Unter ihnen auch die vielen tausend, die gar keine Wahl haben, sondern schlicht und einfach arbeiten müssen, um überhaupt ohne staatliche Hilfe über die Runden zu kommen. Eines scheint in dieser Ideologiedebatte nämlich vergessen zu gehen: Eltern sind in erster Linie berufstätig, um die Existenz ihrer Familien zu sichern und einen Beitrag an den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes zu leisten. 
 

Offener Brief an berufstätige Eltern: von Jacqueline Fehr, Nationalrätin SP, und Doris Fiala, Nationalrätin FDP. Publiziert in der NZZ vom 14.11.2013. 

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