Beat Ringger
Man stelle sich vor: In den Regalen von Migros, Coop oder Aldi steht bei jedem 13. Artikel «Zur Zeit nicht erhältlich». Bei besonders wichtigen Artikeln prangt der Zusatz: «Wird wegen zu geringen Profitaussichten nicht mehr hergestellt». Und manche neu entwickelten Produkte in den Gestellen kosten bis zu drei Millionen Franken. Das ist weder realistisch noch vorstellbar? Weit gefehlt.
Diese Situation entspricht gegenwärtig dem Pharmamarkt. Seit einigen Jahren nehmen Versorgungsengpässe zu, weil grosse Pharmafirmen sich aus dem Massengeschäft zurückziehen. Antibiotika werden – obwohl wegen zunehmenden Resistenzen der Krankheitserreger dringend benötigt – kaum noch weiterentwickelt, was jedes Jahr Millionen von Menschen das Leben kostet. Neue Krebsmedikamente wiederum sind exorbitant teuer.
Seit gut zwanzig Jahren ist hinter den Kulissen eine Entwicklung im Gang, deren bittere Auswirkungen wir nun präsentiert bekommen. Grosse Pharmafirmen sind hoch profitabel. Gerade deshalb verlangen die Finanzmärkte laufend noch mehr Umsatz und noch mehr Profitabilität (Novartis will 40 Prozent). Darum fokussieren die grossen Konzerne auf hochprofitable Blockbuster. Sie stossen alle Bereiche ab, deren Profitrate unter 20 Prozent liegt. Das Ergebnis ist paradox: Immer mehr Gelder aus Krankenkassenprämien und Steuern gehen an die Pharmakonzerne, während die Versorgung mit Arzneimitteln immer brüchiger wird. Ein Marktversagen, wie es ausgeprägter kaum sein könnte.
Profit darf nicht alles sein
Deshalb muss die Öffentliche Hand nun eingreifen. Zum Beispiel durch den Kauf von Sandoz und die Überführung der Firma in ein gemeinnütziges Unternehmen. Das Sandoz-Sortiment umfasst 1500 Standard-Arzneimittel und Generika. Die Firma ist eine von nur drei grossen Generika-Herstellern und die weltweit grösste Produzentin von Antibiotika. Bleibt sie in privaten Händen, dann wird, so das erklärte Ziel der neuen Firmenleitung, die Profitabilität von heute 18 Prozent auf 24 bis 26 hochgeschraubt. Das Massengeschäft kommt dann erneut unter Druck. Schon alleine deshalb ist jetzt eine Überführung in gemeinnützige Hände dringend.
Finanziert werden soll der rund 15 Milliarden Franken teure Kauf durch ein zinsloses Darlehen der Schweizerischen Nationalbank SNB. Ein solches Darlehen ist mehr als gerechtfertigt. Die SNB wäre laut Verfassung verpflichtet, Gewinne an Kantone und Bund auszuschütten. Sie hat aber in den letzten Jahren mit Buchhaltungstricks über 100 Mrd. Franken an Gewinnen zurückbehalten. Da ist ein solches Darlehen gut und billig – im Interesse der Bevölkerungen der Schweiz und der ganzen Welt.