Vor knapp 100 Jahren formulierten Männer wie Frauen aus SP und Gewerkschaften visionäre Ziele anlässlich des Generalstreiks 1918. Eine Forderung war die Einrichtung einer AHV. Von dieser visionären Idee bis zur Realisierung hat es viele Niederlagen gegeben. Erst 30 Jahre später wurde die erste AHV-Rente ausbezahlt. Am 6. Juli 1947 haben 80 Prozent der damals stimmberechtigten Männer der Schaffung einer «Alters- und Hinterlassenenversicherung» zugestimmt. Mit diesem Solidaritätsakt wurde die Sozialversicherung geboren, welche auf einmal tausende von Menschen aus der Altersarmut hob.

Unter SP-Bundesrat Hans-Peter Tschudi, der eigentliche «Vater der AHV», wurde die AHV zu dem was sie heute ist, dem bedeutendsten Sozialwerk der Schweiz. Sie wurde in verschiedenen Reformen stark ausgebaut, die Ergänzungsleistungen sowie das 3-Säulen-Prinzip wurden unter SP-Mann Tschudi eingeführt. Die Renten sollten fortan den verfassungsmässigen Auftrag erfüllen: …die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise. (BV, Art. 113). Mit dem Umlageverfahren in der AHV finanzieren die aktuellen Arbeitnehmenden über Lohnbeiträge die Renten der Pensionierten in einem hoch effizienten und gleichzeitig solidarischen System. Die Beitragspflicht ist nach oben unbeschränkt, die Rente ist beschränkt – das ist gelebte Solidarität!

Die letzte Bundesrätin, die eine Reform der Altersvorsorge schaffte, ist ebenfalls Sozialdemokratin. Ruth Dreifuss überzeugte mit ihrer 10. AHV-Revision 1995 eine Mehrheit der Stimmbevölkerung. Sie enthielt nebst der schrittweisen Erhöhung des Frauenrentenalters wichtige Verbesserungen. Diese waren die Einführung eines individuellen, weniger vom Zivilstand abhängigen Rentensystems, Gutschriften für Erziehungsaufgaben, eine Verbesserung der Witwenrenten und das Ehepaar-Splitting.

Seither herrscht im Dossier Rentenreform Stillstand. Obwohl der Reformbedarf durch die in Pension kommende Babyboomer-Generation und die anhaltende Tiefzinssituation von keiner Seite bestritten wird. Zwar gelang es unter Federführung von SP-Bundesrat Alain Berset 2017 ein Reformpaket der 1. und 2. Säule zu schnüren. Über fünf Jahre hatte das Ringen um einen fein austarierten Kompromiss gedauert. Auch dieser enthielt neben einer Anpassung des Frauenrentenalters auf 65 wichtige Verbesserungen im Bereich Teilzeitarbeit, Flexibilisierung und ältere Arbeitslose. Durch Mehreinnahmen über eine bescheidene Erhöhung der Mehrwertsteuer sollte ausserdem die Finanzierung der Renten auf eine solidere Basis gestellt werden. Leider hat sich eine knappe Mehrheit am 24. September 2017 gegen diesen Kompromiss ausgesprochen. Die Signale der siegreichen Reformgegner FDP und SVP sind widersprüchlich und unklar. Schlimmer noch: Mit ihrer destruktiven Nein-Kampagne voller Heucheleien, Widersprüche und Halbwahrheiten haben sie erfolgreich Unsicherheit verbreitet. Dabei haben sie sich auch nicht zurückgehalten, Generationen gegeneinander auszuspielen. Doch genau das ist Gift, wenn es um die Zukunft der Altersvorsorge geht!

 

Die Rolle der SP als Partei der AHV ist klar: Wir verteidigen weiterhin die Rentnerinnen und Rentner, die Frauen, die Menschen mit kleinen Einkommen. Wir verteidigen das sozialste Werk der Schweiz – die AHV. Und dafür sind wir auch bereit, Kompromisse einzugehen, wie wir es bei der Altersvorsorge 2020 gezeigt haben.

Die kommenden Vorschläge zur Reform der Altersvorsorge müssen wir an drei Vorgaben messen: keine Erhöhung des Rentenalters über 65 hinaus, keine Senkung des Rentenniveaus, keine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 ohne Kompensation. Jede Vorlage, welche diese Vorgaben verletzt, werden wir frontal bekämpfen. Dass es für soziale und gerechte Lösungen in der Schweiz einen langen Atem braucht, zeigt uns die Geschichte. Dass die SP diesen langen Atem hat, ebenso.

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