Mit der bevorstehenden Abstimmung über die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» ist das Menschenrecht auf Nahrung wieder auf die politische Tagesordnung gerückt. Dieses Menschenrecht wird nach wie vor tagtäglich millionenfach verletzt. Immer noch leiden weltweit 800 Millionen Menschen an Hunger. Der Hauptgrund liegt im fehlenden Zugang zu Nahrung – etwa durch instabile Preise infolge von Nahrungsmittelspekulation. Aber auch eine verfehlte Landwirtschaftspolitik, die einseitig auf das Dogma der Liberalisierung setzt, erschwert Millionen von Menschen den Zugang zum Essen.
In der «Wiener Erklärung» von 1993, welche die Menschenrechtserklärung von 1948 um soziale, ökonomische und kulturelle Menschenrechte erweitert, heisst es: «Das Menschenrecht auf Nahrung ist das Recht des regelmässigen und permanenten Zugangs, entweder direkt oder dank monetärer Mittel, individuell oder kollektiv, zu einer qualitativ und quantitativ zufrieden stellenden, angemessenen Nahrung, die den kulturellen Traditionen des Menschen entspricht und ein Leben in Würde und ohne Angst sicherstellt.»
Von den im Netzwerk FIAN vereinigten Nichtregierungsorganisationen wird das Recht auf Nahrung deshalb als «Recht, sich zu ernähren» definiert. Das bedeutet das Recht jedes Landes, die eigenen Möglichkeiten zur Ernährungserzeugung zu entwickeln, die für die Ernährungssicherheit notwendig sind. Immer wieder betonen nicht nur NGOs, sondern auch Regierungen südlicher Länder, dass ihnen nicht an Lebensmitteln aus dem Norden, sondern Nahrung aus der eigenen Produktion gelegen ist.
Menschenrechte begründen Staatenpflichten! Obwohl die Ernährungssicherheit im Detail unterschiedlich definiert wird, kann ausgehend von FAO-Bestimmungen diese als Aufgabe des Staates verstanden werden, soviel Lebensmittel bereitzustellen, dass alle Bürgerinnen und Bürger genug zu essen haben. Das bedeutet Förderung der eigenen Landwirtschaft, Ergänzung durch notwendige Importe, vor allem aber Kampf gegen Armut.
Linke Agrarpolitik sollte sich der Interpretation als «Recht, sich zu ernähren» anschliessen. Seit 1993 setzt sich die Basisbewegung «La Via Campesina» (Spanisch: «Der bäuerliche Weg») genau dafür ein. Sie fordert eine andere, umweltfreundliche, kleinbäuerliche Landwirtschaft ein, die in erster Linie die Versorgung der lokalen Bevölkerung sicherstellen soll. Indigene Gruppen, Kleinbäuerinnen und Landarbeiter kämpfen dabei international für Landreformen und gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft.
Dieses Prinzip der kooperativen Ernährungssouveränität soll nun auch in der Schweiz vorangetrieben werden. Im September 2014 lancierte die Bäuerinnen- und Bauern-Gewerkschaft Uniterre die Initiative «Für Ernährungssouveränität. Die Landwirtschaft geht uns alle an.»
Mit der Initiative soll das Selbstbestimmungsrecht der Schweiz und aller Länder in Sachen Ernährung und Landwirtschaft festgeschrieben werden. Konkret soll der Bund verpflichtet werden, sich für eine vielfältige, bäuerliche und gentechnikfreie Landwirtschaft einzusetzen, welche die natürlichen Ressourcen, namentlich Boden und Saatgut, schützt. Dies insbesondere durch kurze Kreisläufe beim Vertrieb von Nahrungsmitteln. Auch wird eine Landwirtschaft mit fairen Preisen und gerechten Einkommen angestrebt, indem kostendeckende Erzeugerpreise garantiert werden und auch in der Landwirtschaft Gesamtarbeitsverträge mit Mindestlöhnen gelten sollen. Und schliesslich fordert die Initiative den Bund auf, sich endlich für einen global gerechteren Handel einzusetzen. Etwa durch regulierende Zölle an den Grenzen, durch das Recht der Nationen sich selber zu versorgen und die Pflicht auf Exportsubventionen zu verzichten. Die Initiative bricht damit mit der herrschenden neoliberalen Landwirtschaftspolitik von WTO und Weltbank und rückt stattdessen eine selbstbestimmte, sozialere und ökologischere Landwirtschaft ins Zentrum.
Aus diesen Gründen unterstützt die Juso die Initiative von Uniterre für mehr Ernährungssouveränität und engagiert sich auch in der Unterschriftensammlung, die noch bis Ende Februar läuft.