Bereits unter der Führung Deng Xiaopings ab Ende der 1970er Jahre formulierte die KP Chinas eine langfristige Strategie zur Erreichung dessen, was Xi Xingping später als «Wiedergeburt und Verjüngung der Nation» bezeichnete. Im Zentrum ging es um den Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen, politischen und militärischen Weltmacht. Inzwischen ist China diesen Zielen mit rasender Geschwindigkeit näher gekommen. Auf diesem Weg wurden 300 Millionen Chinesinnen und Chinesen aus der Armut befreit und das Reich der Mitte ist von einem Schwellenland zur zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen.
Diese Entwicklung ist an sich positiv. Aber wie schon Spider-Mans Onkel sagte: «Mit grosser Macht kommt grosse Verantwortung.» Dieser Verantwortung für eine nachhaltige und gerechte Weltordnung nimmt die chinesische Regierung bisher nicht ausreichend wahr. Im Innern nicht, weil sie die politischen und kulturellen Menschenrechte mit Füssen tritt, ihre Bürgerinnen und Bürger ausspioniert, demokratische Rechte verweigert und Minderheiten verfolgt und unterdrückt. Und international mit imperialistischen Strategien, die multilaterale Übereinkommen unterminieren und insbesondere Entwicklungsländer in enorme Abhängigkeiten treiben.
Hier braucht es politische Kräfte, die China zur Einhaltung anerkannter Grundsätze des internationalen Rechts (Völkerrecht, Menschenrechte, WTO-Regeln) und der Ziele des Pariser Klimaübereinkommens sowie der Uno-Nachhaltigkeitsagenda drängen. Angesichts von Chinas Grösse kann dies auf unserem Kontinent nur gemeinsam geschehen. Bern kann mit Peking nicht auf Augenhöhe verhandeln. Brüssel schon. 500 Millionen Europäerinnen und Europäer haben gegenüber 1,4 Milliarden Chinesinnen und Chinesen ein anderes Gewicht als acht Millionen Schweizerinnen und Schweizer
Die EU hat sich deshalb eine gemeinsame China-Strategie gegeben. Zwar wird diese auch durch einzelne Mitgliedsstaaten nach wie vor unterlaufen, insgesamt werden sich aber immer mehr europäische Regierungen den Risiken eines unkoordinierten Vorgehens bewusst und stärken Brüssel deshalb den Rücken. Beim Schweizer Bundesrat fehlt diese Einsicht völlig. Nach wie vor rühmt sich die Regierung vor allem der besonderen Wirtschaftsbeziehungen über Freihandelsabkommen und die Asiatische Entwicklungsbank (AIIB). Menschenrechte sind zwar regelmässig ein Thema. Aber aufgrund der geringen Wirkung des Menschenrechtsdialogs ist er für beide Seiten auch Feigenblatt für knallharte Profit-Interessen. Und durch ihre Alleingänge wird die Schweiz immer mehr zum Einfallstor für chinesischen Einfluss in Europa.
Die SP fordert deshalb in einem umfassenden Papier eine Neuausrichtung der Schweizer China-Politik. Im Zentrum stehen fünf Punkte:
1. Die Schweiz braucht eine China-Strategie
Heute betreiben alle sieben Departemente sowie zahlreiche Kantone und Gemeinden eine relativ eigenständige China-Politik entsprechend ihrer Interessen, die sie viel zu wenig aufeinander abstimmen. Diese Planlosigkeit und das Gärtli-Denken müssen aufhören! Die Schweiz muss ihre Politik zu China stärker koordinieren und ihr gemeinsame, sich an den Menschenrechten und Multilateralismus orientierenden Ziele geben.
2. Keine Alleingänge in der China-Politik mehr
Der Bundesrat muss sich an der EU-China-Strategie orientieren und ein Track 1,5-System einführen. Sprich: Sie muss die Nachbarländer sowie die Zivilgesellschaft in ihre aussenpolitischen Entscheide einbinden. Nur durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen kann Europa seine Werte und Interessen verteidigen und eine gleichberechtigte Kooperation mit China etablieren.
3. Kein Ausverkauf strategischer Wirtschaftsbereiche
Die Schweiz muss über Investitions- und Fusionskontrollen verhindern, dass wichtige Unternehmen in die Hände fremder Staaten gelangen. Dabei geht es nicht nur um den chinesischen Staatskapitalismus, sondern um den Schutz des Schweizer Volksvermögens und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Die Verschärfungen im europäischen Recht zeigen, wohin es gehen könnte.
4. Die Schweiz muss die Chinafähigkeit im Inland erhöhen
Die Schweizer Handelspolitik sowie unsere Bildungs-, Forschungs-, und Kulturpolitik orientieren sich immer noch viel zu stark an den USA. Die Schweiz muss ihre China-Kompetenz auf allen Ebenen verbessern, so dass eine breite, auf Fakten basierte gesellschaftliche Debatte über das zukünftige Verhältnis zum Reich der Mitte stattfinden kann.
5. Schweizer Konzerne müssen ihre Verantwortung wahrnehmen
Der in China aktive Privatsektor muss mehr zur Einhaltung und Durchsetzung von Arbeitsstandards gemäss internationalem und nationalem Recht tun. Wer in China investiert oder Handel mit China betreibt, muss Mitglied einer glaubwürdigen Initiative werden, die Sozialaudits von Fabriken, Schulungsprogrammen für Fabriken und regelmässige Dialoge mit den Stakeholdern durchführt.
Wir sollten Chinas Aufstieg zur Weltmacht auf keinen Fall mit Angst begegnen. Geopolitische Veränderungen hat es schon immer gegeben. Entscheidend war und ist, wie diese Veränderungen politisch gestaltet werden. Und politische Macht-Verschiebungen bieten auch immer Chancen, etwas Neues zu etablieren. Dieses Neue muss eine stärkere globale Gouvernanz sein. Damit anstatt der Macht des Stärkeren die Stärke des Rechts gilt. Dafür sollte sich die Schweiz zusammen mit Europa einsetzen. In ihrem ureigenen Interesse.
Das Positionspapier der SP-Bundeshausfraktion zur China-Politik findet sich hier.