Blogbeitrag von Min Li Marti, SP Nationalrätin und Mitglied der Geschäftsleitung der SP Frauen*.
Vor einem Jahr sind über eine halbe Million Menschen, vor allem Frauen, auf die Strasse gegangen. Sie wollten mehr Lohn, mehr Respekt, mehr Anerkennung der unbezahlten Arbeit, mehr Vereinbarkeit.
Gut zwei Monate lang erlebten wir in diesem Jahr, wie verletzlich wir alle sind. Wie angewiesen wir auf funktionierende Institutionen sind und auf Menschen, die darin arbeiten: In der Pflege, in der Bildung und in den Kitas. Viele der Heldinnen für die wir applaudierten, waren Frauen. Jetzt darf nicht passieren, dass Anliegen von Frauen und Familien aus Spargründen auf der Strecke bleiben.
Für viele Familien war Corona eine Belastungsprobe. Der Ausfall von Grosseltern, Kitas und die Schliessung der Schulen bei gleichzeitigem Arbeiten im Home-Office brachten viele ans Limit. Diese Erfahrung ist aber auch eine Chance: Denn sie zeigte vielen wie anspruchsvoll und anstrengend Kinderbetreuung ist. Ein guter Start ins Familienleben ist daher umso wichtiger. Dazu braucht es aber eine Elternzeit.
Ein gerechter Start ins Familienleben
Heute erhalten Väter geraden einen freien Tag nach der Geburt ihrer Kinder. Im September stimmen wir über zwei mickrige Wochen Vaterschaftsurlaub ab. Wenn es um Mutter- und Vaterschaftsurlaub geht ist die Schweiz im internationalen Vergleich weit abgeschlagen. Studien zeigen auch: Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei Lohn, Arbeit und Rente akzentuiert sich nach der Geburt des ersten Kindes stark.
Kein Wunder: Unser System ist immer noch darauf ausgerichtet, dass Frauen Kinder betreuen und Männer Vollzeit arbeiten. Viele Eltern würden die Betreuung lieber gerechter aufteilen und landen bald nach der Geburt in der Gleichstellungsfalle. Darum sind gleichberechtigte Startbedingungen wichtig. Sie eliminieren die strukturellen Benachteiligungen von Müttern auf dem Arbeitsmarkt und nehmen Väter in die Pflicht und die Verantwortung – vom ersten Tag an. Studien zeigen auch auf: Die Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung und die Beziehung zu den Kindern wird durch den Vaterschaftsurlaub beziehungsweise eine Elternzeit gestärkt. Von einer gleichberechtigten Elternzeit profitieren alle: Die Mütter, die Väter, und nicht zuletzt die Kinder.