Finanzplatz-Initiative: «Selbstregulierung der Branche reicht nicht!»

Mit der Finanzplatzinitiative wollen wir für gleich lange Spiesse unter Finanzdienstleistern sorgen – und vor allem für weniger CO2-Ausstoss der Finanzbranche. Doch ist das realistisch? Wie es funktionieren kann, sagt Nicole Bardet, Co-Leiterin Finanzen und Anlagen bei der Alternativen Bank Schweiz.

Die Finanzbranche sagt, sie sei schon am Thema dran und habe sich zur Selbstregulierung verpflichtet. Wieso braucht es die Finanzplatz-Initiative überhaupt?

Nicole Bardet: Die Selbstregulierung der Branche reicht einfach nicht aus. Die Branche setzt vor allem auf das Reporting sowie die Beratung von Kundinnen und Kunden, was zwar positiv ist, jedoch nichts darüber aussagt, welche Geschäfte Banken konkret finanzieren. Ohne klare gesetzliche Regeln haben nicht alle Marktteilnehmer die gleichen Bedingungen. Es ist wie beim Rauchverbot in Restaurants: Einige Restaurants waren bereit, aus Rücksicht auf die Gesundheit des Personals freiwillig auf Raucherbereiche zu verzichten. Solange es keine flächendeckende Regelung gab, waren sie jedoch im Wettbewerbsnachteil. Nachdem einheitliche Vorschriften eingeführt worden waren, war das Problem gelöst. Gleiches gilt für den Finanzsektor – klare Regeln schaffen Fairness und Einheitlichkeit.

Was ist davon zu halten, wenn die Finanzbranche sagt, sie sei auf gutem Weg?

Nicole Bardet: Das mag in einigen Bereichen zutreffen, aber die Fortschritte sind zu langsam. Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise können wir nicht darauf warten, dass freiwillige Massnahmen irgendwann Wirkung zeigen. In unseren Augen entsprechen die Forderungen der Initiative dem absoluten Minimum. Zudem zeigt die Praxis, dass die freiwilligen Verpflichtungen oft unzureichend umgesetzt werden und den Wettbewerb verzerren.

Ist die Initiative überhaupt für grössere Finanzinstitute als die Alternative Bank umsetzbar?

Nicole Bardet: Absolut. Die Initiative richtet sich nicht an Lokalbanken, sondern an die grossen Institute und Versicherungen. Weltweit verursacht der Schweizer Finanzplatz mindestens 18mal mehr CO2-Emissionen als die Schweiz. Es sind die grossen Finanzinstitute, die die grösste internationale Reichweite haben. In der Umsetzung müssen Banken einfach klar definieren, welche Projekte sie ausschliessen, und dies in ihren Richtlinien festhalten.

Ist der bürokratische Aufwand nicht enorm?

Nicole Bardet: Die Initiative lässt offen, wie genau die Umsetzung der neuen Richtlinien kontrolliert würde. Doch alle Finanzinstitute verfügen bereits heute über Instrumente wie interne und externe Revisionsstellen. Man müsste die neuen Richtlinien bloss in die bestehenden Prozesse integrieren. Das ist realistisch und ohne grossen administrativen Mehraufwand möglich. Zusätzlich wäre mehr Transparenz wünschenswert, beispielsweise indem die Finanzinstitute offenlegen, welche Projekte sie finanzieren. Die Alternative Bank macht das seit jeher, doch stehen wir damit alleine da.

Wie müssen Sanktionen in diesem Bereich ausgestaltet sein, damit sie Wirkung entfalten?

Nicole Bardet: Sanktionen müssen das Ansehen und die Reputation betreffen, denn das Vertrauen der Kundschaft ist für Banken zentral. Sanktionen sollten daher öffentlich gemacht werden. Ein potenzieller Reputationsschade führt zu mehr Druck auf die Institute. Und neben Geldbussen, die oft weniger wirksam sind als erhofft, könnte im Extremfall sogar der Entzug der Bankenlizenz wirksam sein.

Die Initianten sagen, die Initiative sei eingebettet in internationale Entwicklungen. Stimmt das?

Nicole Bardet: Ja, die Initiative orientiert sich an internationalen Standards. Einige Länder, wie Grossbritannien und die EU, sind bereits strenger reguliert als die Schweiz. Schweizer Finanzinstitute müssen sich ohnehin an diese internationalen Regeln halten, wenn sie im Ausland Geschäfte machen. Unsere Initiative stellt also kein Hindernis dar, sondern entspricht dem internationalen Trend.

Die Initiative will verhindern, dass beispielsweise neue Erdölfelder mit Schweizer Finanzierung erschlossen werden. Die Unternehmen der Finanzbranche müssen zudem auch sogenannte Transitionspläne erstellen und so zeigen, wie sie die Ziele des Pariser Abkommens erreichen wollen. Ist das realistisch?

Nicole Bardet: Die Player am Finanzmarkt müssen Transitionspläne erstellen, es geht nicht anders. Unsere Ziele orientieren sich an 2050. Wenn man keinen Plan hat, passiert gar nichts. Und Banken spielen eine wichtige Rolle, indem sie Unternehmen beraten und unterstützen. Mit finanziellen Anreizen, wie besseren Zinssätzen für nachhaltige Projekte, können Banken den Druck auch auf Unternehmen erhöhen, damit diese Transitionspläne erstellen. Der internationale Druck, beispielsweise durch die EU-Lieferkettenrichtlinie, trägt ebenfalls dazu bei.

Führt die Initiative zu weniger Profiten in der Finanzindustrie?

Nicole Bardet: Ja und Nein. Kurzfristig könnte es zu Anpassungskosten kommen. Mittel- und langfristig sind nachhaltige Investitionen jedoch wirtschaftlich sinnvoll, denn sie reduzieren auch die Risiken, die Investitionen in fossile Energien bergen. Zudem bietet die Transformation Chancen für neue Geschäftsmodelle. Profitieren wird jedoch vor allem auch die Natur – nicht alles lässt sich in Franken messen. Gemeinsam können wir einen Finanzplatz schaffen, der nicht kurzfristigen Profiten, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet ist. Der Schweizer Finanzplatz muss jetzt einfach starten!

Finanzplatz-Initiative: Bitte unterschreiben!

Die Schweiz ist ein kleines Land, doch ihr Finanzplatz ist ein globales Schwergewicht. Die hier ansässigen Grossbanken und Versicherungen richten mit ihren internationalen Geschäftsbeziehungen grossen Schaden an. Sie stellen Milliarden für umweltschädliche Aktivitäten im Ausland zur Verfügung, beispielsweise für die Abholzung von Regenwald oder den Abbau von Kohle. Das verschärft die Klimakrise und bedroht die Artenvielfalt. Während viele Schweizer Unternehmen und Privatpersonen bereits auf Nachhaltigkeit setzen, verantwortet der Finanzplatz weiterhin mindestens das 18-fache der gesamten inländischen CO2-Emissionen der Schweiz. Die Finanzplatz-Initiative stellt sicher, dass dieses Geld künftig nicht mehr in Klimaerhitzung und Umweltzerstörung fliesst.

Kein Geld für Zerstörung

Zur Umsetzung der Initiative sollen Schweizer Banken, Vermögensverwalter, Versicherungen und Pensionskassen sogenannte Transitionspläne erarbeiten und umsetzen. Darin sollen sie darlegen, mit welchen Strategien, Zwischenzielen, Massnahmen und Ressourcen sie ihre Geschäftstätigkeiten mit Unternehmen im Ausland auf die internationalen Klima- und Biodiversitätsziele ausrichten. Ein glaubwürdiger Transitionsplan muss zielgerichtet, wissenschaftlich fundiert, unabhängig überprüft und vergleichbar sein. Zusätzlich sollen neue Projekte zur Förderung fossiler Energieträger wie Kohle oder Erdöl nicht mehr finanziert oder versichert werden. Auch die Ausweitung des Abbaus bestehender fossiler Energievorkommen wird durch die Finanzplatz-Initiative verhindert. Die Initiative orientiert sich an bestehenden internationalen Standards und völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz. 

Das Initiativkomitee ist sehr breit aufgestellt. In einem grossen Bündnis sind die grossen Umwelt- und Naturschutzorganisationen ebenso vertreten wie die Finanzwirtschaft sowie - mit Ausnahme der SVP - alle nationalen Parteien.

Das muss sich ändern

UBS und die illegale Abholzung im Amazonas

Vor kurzem wurde bekannt, dass die UBS ein Agrarunternehmen finanziert hat, das in illegale Abholzungen im Amazonas verwickelt ist. Diese Praktiken gefährden nicht nur das Klima, sondern auch die Biodiversität in einem der sensibelsten Ökosysteme der Welt.

Zurich Versicherungen und neue Erdölfelder in der Arktis

Zurich bietet gemäss einem Bericht von Greenpeace Nordic Versicherungsdienstleistungen für ein Unternehmen an, das neue Erdölfelder erschliesst. Dies obwohl die internationale Energieagentur (IEA) seit Jahren dazu aufruft, keine weiteren Investitionen in die Erschliessung neuer Kohle-, Öl- und Gasvorkommen zu tätigen, wenn das 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden soll. Besonders brisant: Gemäss der deutschen NGO Urgewald stammt knapp 50 Prozent der Öl- und Gasproduktion des betroffenen Unternehmens Vår Energi aus der Arktis. Und trotz Klimakrise will das Unternehmen die Erschliessung neuer Lagerstätten in der Arktis weiter hochfahren.

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