Die Schweiz gehört heute zu den führenden Forschungsnationen. Unsere global vernetzten Hochschulen mit ihren attraktiven Lehr- und Forschungsbedingungen sind für viele international tätige Unternehmen mitentscheidend, wenn es um die Wahl des Standortes geht. Dies gilt insbesondere für wertschöpfungsstarke Branchen wie die Maschinen-, Pharma- oder Life Science-Industrie. Ein offenes, innovationsförderndes Klima hat diese Erfolgsgeschichte ermöglicht. Es spiegelt sich im Artikel 64 der Bundesverfassung, welcher den Bund verpflichtet, die Forschung gezielt zu fördern.
Diesen hart erarbeiteten Platz in der Champions League haben wir jedoch nicht auf sicher und unsere bisherige Rolle ist nicht mit einer Abschottung zu vereinbaren. Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 hat die EU deshalb die Verhandlungen zur Assoziierung der Schweiz am Forschungsprogramm Horizon 2014 suspendiert und den Zugang zu den europäischen Forschungsgeldern gekappt. Ohne funktionierende Personenfreizügigkeit und damit ohne Beteiligung an Horizon 2020 würde der Forschungsstandort Schweiz für die Forschungsteams massiv an Attraktivität verlieren. Sie würden sich an einem Ort niederlassen, wo ausländische Forscher weiterhin willkommen sind und an diesem riesigen europäischen Forschungsprogramm teilnehmen könnten. Forschung ist beinahe so mobil wie Kapital. Bereits heute erwägen viele junge Talente, ob der Forschungsplatz Schweiz künftig genügend Sicherheit bietet, um grosse, mehrjährige Projekte anzustossen.
Seit der Bundesrat mit der EU ein Abkommen vereinbart hat, das der Schweiz für die Jahre 2017 bis 2020 eine volle Assoziierung an Horizon 2020 zusichert, scheint der drohende Abstieg in die zweite Liga vom Tisch zu sein – nach dem Nein des Volkes zur Ecopop-Initiative ohnehin. Aber nur solange, bis man das Kleingedruckte dieser Übergangslösung liest. Sie ist nämlich an die explizite Bedingung geknüpft, dass die Schweiz das Abkommen mit Kroatien ratifiziert. Im Klartext: Ohne Kroatien-Abkommen, ist Ende 2016 fertig mit Horizon 2020.
Was tun? Wir können der EU vielleicht kleinere Anpassungen im Bereich der Missbrauchsbekämpfung abringen, aber eine grundsätzliche Neuverhandlung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit ist ein politisches Luftschloss. Es ist unbestritten, dass sich eine knappe Mehrheit der Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für eine Drosselung der Zuwanderung ausgesprochen hat. Ob sie damit auch Ja gesagt hat zur Kündigung der bilateralen Verträge mit der EU und damit zum Ende der Forschungszusammenarbeit, wissen wir jedoch nicht. Wir brauchen darum eine Abstimmung, bei der sich das Volk auch zu diesen Fragen äussern kann.
Dafür bietet sich das Kroatien-Abkommen geradezu an. In einem Artikel der NZZ am Sonntag hat der freisinnige Genfer Staatsrat Pierre Maudet die Idee ins Spiel gebracht, die Beratung des Kroatienabkommens sei allen anderen Beschlüssen über unser Verhältnis zu EU vorzuziehen. Ich teile diese Meinung. Denn mit dem Kroatienabkommen verteidigen wir unseren Forschungsplatz sowie die Bilateralen Verträge und damit unsere eigenen Interessen.
Wir brauchen nun eine überparteiliche Allianz, die dem Bundesrat mit einer Motion die Legitimität gibt, dem Parlament das Kroatienabkommen so rasch wie möglich zu unterbreiten. National- und Ständerat wiederum sollen es im Eilzugstempo beraten und dem Volk zur Abstimmung vorlegen. Parallel dazu sollten wir die innenpolitischen Reformen zur Reduktion der Zuwanderung zügig vorantreiben – ich denke dabei etwa an die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, den Schutz und die Förderung sowohl von jungen Menschen, die frisch auf den Arbeitsmarkt kommen, als auch älterer Arbeitnehmer. Ich denke auch an eine nachhaltigere Standortpolitik oder an zusätzliche Ausbildungsplätze für medizinisches und pflegendes Personal.
Mit dieser Strategie machen wir klar: Wir kriegen die Zuwanderung im Rahmen der existierenden Personenfreizügigkeit mit innenpolitischen Massnahmen und aus eigener Kraft in den Griff und erfüllen damit den Volkswillen.
Mit einer vorgezogenen Abstimmung über das Kroatienabkommen schaffen wir Klarheit darüber, wie unsere Zukunft in Europa aussehen soll. Wir vermeiden eine Vermischung verschiedener Themen und kommen rascher zu einem Entscheid, wie es mit dem Bilateralen weitergehen soll. Bei einem Ja zum Abkommen und zu den bilateralen Verträgen könnte damit der Forschungsplatz Schweiz aufatmen und weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Sicherung unserer wirtschaftlichen Prosperität spielen. Diese Chance sollten wir im Interesse unseres Landes nutzen.
Publiziert im Newsnetz-Politblog am 2. Dezember 2014