Als am 19. Juni die Schlussabstimmung für die Aktienrechtsrevision stattfand, war einer der kontroversesten Punkte schon fast vergessen. Noch vor zwei Jahren hatte dieser für «rote Köpfe und fast Tote» gesorgt, wie die damalige CVP-Nationalrätin und heutige Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger damals in der Debatte reimte. Worum ging es? Um die Frauenquote. Oder besser gesagt um Geschlechterrichtwerte. Demnach ist vorgesehen, dass in den Verwaltungsräten von grossen börsenkotierten Unternehmen 30 Prozent Frauen und in den Geschäftsleitungen 20 Prozent Frauen vertreten wären. Erreicht ein Unternehmen diesen Wert nicht, muss es erklären, warum es die Vorgaben nicht erfüllen kann (oder will).
Nur mit einer Stimme Unterschied hatte der Nationalrat dieser weichen Quote zugestimmt. Im Ständerat wurde diese zunächst von der vorberatenden Kommission abgelehnt. Doch die grosse Mobilisierung beim Frauenstreik machte offensichtlich auch dem Ständerat Eindruck. Fünf Tage nach dem Frauenstreik und unter dem kritischen Blick einiger Nationalrätinnen stimmte der Ständerat mit 27 zu 13 Stimmen der weichen Quote deutlich zu.
Dies ist ein grosser Erfolg unserer Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die das Geschäft durch den bürgerlichen Bundesrat brachte. Später übernahm Bundesrätin Karin Keller-Sutter das Geschäft. Letztes Jahr hatte Simonetta Sommaruga zudem mit der Einführung von Lohnanalysen einen wichtigen Schritt Richtung Lohngleichheit unternommen. Diese zwei wichtigen Erfolge wurden noch im alten Parlament entschieden oder entscheidend aufgegleist. Jetzt, mit stärkerer Vertretung der Frauen nach den Wahlen, ist zu hoffen, dass es nicht bei diesen kleinen Schritten bleibt.
Der Wind dreht
Ein erster Vorgeschmack darauf gab die dringliche Debatte zu Gleichstellung und COVID-19 in der letzten Sessionswoche. Dabei zeigte sich zwar klar, dass dem Parlament noch etliche Ewiggestrige erhalten geblieben sind. Sie sind aber nicht mehr immer in der Mehrheit. Es wurde eine Reihe von gleichstellungspolitischen Vorstössen überwiesen, unter anderem der Vorstoss von Samira Marti, wonach der Bundesrat ausweisen soll, wie hoch die bezahlte und unbezahlte Arbeit von Frauen ist und was das für eine Auswirkung auf das Einkommen hat.
Mit Quoten allein gibt es keine Gleichstellung. Die SP Frauen* kämpfen für mehr Lohn, Zeit und Respekt für alle Frauen und nicht prioritär für jene an der Spitze. Dennoch ist das Signal nicht unwichtig. Frauen sind heute in Machtpositionen in der Politik und in der Wirtschaft immer noch deutlich untervertreten. Sie kämpfen mit struktureller Diskriminierung bei der Anstellung sowie im Arbeitsleben und diese Diskriminierung akzentuiert sich noch wesentlich, wenn Kinder da sind. Wenn es weniger Frauen in den Teppichetagen hat, dann liegt das nicht daran, dass es keine qualifizierten Frauen gibt, es sei denn man glaubt, Frauen seien halt von Natur aus schlechter. Es liegt eher daran, dass es für Frauen immer noch schwieriger ist, ganz nach oben zu kommen. Weil ihnen oft weniger zugetraut wird, weil veraltete Normen und familien- und frauenunfreundliche Strukturen und Arbeitsbedingungen immer noch die Regel sind.
Eine Frage der Gerechtigkeit
Frauen sind nicht die besseren Menschen. Gemischte Teams arbeiten zwar besser, aber Unternehmen werden nicht zwangsläufiger sozialer, verantwortungsvoller und familienfreundlicher, nur weil Frauen in den Führungsgremien sind. Es ist eine seltsame Überhöhung einer Massnahme, wenn man das auch noch verlangt. Die Frage der Repräsentanz ist letztlich eine Frage der Gerechtigkeit, und es ist auch eine Frage der Macht. Unternehmen genauso wie die Politik sollen die Gesellschaft besser abbilden, als sie das heute tun. Tun sie das nicht, so ist das ein klares Signal an Frauen, dass sie nicht dazugehören, und nicht dazugehören sollen. Das Gleiche gilt für Menschen mit Behinderungen, queere Menschen oder People of Color. Der Anspruch auf gleiche Vertretung ist also legitim. Und die Geschichte zeigt: wer diesen Anspruch nicht stellt, wird auch nie einen Teil bekommen.