„Jeder Vierte aus dem Landkreis Waldshut arbeitet in der Schweiz“ So lautete kürzlich der Titel eines Artikels in der Aargauer Zeitung. Stimmt: Gerade auch der Aargau ist für Bewohner des Landkreises Waldshut ein attraktiver Arbeitsmarkt. Doch wir benötigen diese Arbeitskräfte auch. Beispielsweise im Gesundheitswesen und in der Industrie.
Als Industriesekretär der Gewerkschaft Unia treffe ich häufig auf Beschäftigte verschiedener Nationalitäten. An den Werkbänken, in den Büros, aber auch in den Chefetagen. Manchmal ist das auch ein Thema unter den Werktätigen aus der Schweiz. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit hat die Zuwanderung von Arbeitskräften in die Schweiz generell zugenommen. Damit verbunden ist auch drohender Lohndruck. Darauf müssen wir als Gewerkschaften eine Antwort haben.
Die schweizerischen Gewerkschaften setzten sich seit Jahren für den Grundsatz ein, dassam gleichen Ort, für gleiche Arbeit, der gleiche Lohnbezahlt werden muss. Unabhängig vom Geschlecht oder der Herkunft der Beschäftigten.
Es ist uns gelungen, im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit ein ganzes Paket von flankierenden Massnahmen durchzusetzen. Diese flankierenden Massnahmen tragen dazu bei, dass wir das Lohnniveau über das Ganze gesehen in der Schweiz halten konnten. Dort wo es noch Lücken gibt, müssen wir genau hinschauen und geeignete Lösungen finden. So wurden kürzlich in Bundesbern die flankierenden Massnahmen ergänzt mit weiteren Bestimmungen zur Bekämpfung von Lohndumping durch Scheinselbständige. Wir dürfen uns als Arbeitnehmende nicht gegeneinander ausspielen lassen. Denn die wahren Grenzen verlaufen nicht zwischen der Arbeitnehmerschaft verschiedener Nationen. Sie verlaufen zwischen unten und oben. Gerade in der Gewerkschaftsbewegung haben wir unabhängig von Herkunft und Nationalität gemeinsame, verbindende Anliegen:
- Wir alle wollen gute Anstellungsbedingungen.
- Wir alle wollen faire Löhne und ordentliche Sozialversicherungen.
- Wir alle regen uns zu Recht über Lohnexzesse und nimmersatte Abzocker in den Chefetagen auf.
Mit den deutlichen 68% JA zur Abzocker-Initiative ist es in der Schweiz gelungen, ein Zeichen zu setzen, dass auch weit über die Landesgrenzen hinaus gehört wurde.
Die Leute haben zu recht genug von der masslosen Gier gewisser Manager.Die Abzocker-Initiative bringt mehr Transparenz und verbietet künftig Antrittsprämien und goldige Fallschirme in Millionenhöhe für die Chefetagen, sie setzt aber keine Lohnobergrenze. Dafür ist eine weitere Volksinitiative unterwegs.
Noch dieses Jahr werden wir in der Schweiz über die 1:12 Initiative abstimmen.Die 1:12 Initiative will, dass jemand in einem Monat im Maximum so viel verdienen kann, wie jemand anderes in der gleichen Firma im ganzen Jahr.Diese Initiative setzt also innerhalb der gleichen Firma eine klare Lohnobergrenze.
Nehmen wir an, der tiefste Lohn in der Firma läge bei 4`000.- Franken im Monat, dann käme der Bestverdienende immer noch auf ein Jahressalär von 576`000.- Franken. Dieses Beispiel zeigt: Auch eine Annahme der 1:12 Initiative würde also nicht dazu führen, dass die Chefetagen am Hungertuch nagen müssten, aber sie würde der Abzockerei auf dem Buckel der Beschäftigten klare Grenzen setzen.
Ebenfalls in der Pipeline ist die Mindestlohninitiative der Gewerkschaften.
Die Mindestlohninitiative will in der Schweiz einen Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde garantieren. Dies entspricht in etwa einem Monatseinkommen von 4`000.- Franken.
Arbeit muss sich lohnen und Mindestlöhne sind der beste Schutz gegen Lohndumping.
Es darf doch nicht sein, dass tausende Arbeitnehmende trotz Vollzeitarbeit auf Unterstützung durch das Sozialamt angewiesen sind, weil das Einkommen nicht zum Auskommen reicht. Während die Einen Löhne haben, die zum Leben nicht reichen, erzielen Andere unverschämte, mit einer Einzelleistung kaum erklärbare Einkommen. Diese immer weiter aufgehende Lohnschere führt zu sozialen Spannungen und entzweit die Gesellschaft. Das ist Gift für den sozialen Frieden. Der Kuchen muss in Zukunft wieder gerechter verteilt werden.
Immer weiter gedreht wird auch am Rad der Deregulierung. Dies zu oft auf Kosten der Arbeitnehmerrechte und der Gesundheit der Beschäftigten. Die Nacht soll immer mehr zum Arbeitstag und der Sonntag immer mehr zum normalen Werktag werden.Die Wirtschaftsmaschine soll laufen, rund um die Uhr, 24 Stunden, an 365 Tagen. Auch im Detailhandel wurde diese Parole ausgegeben. Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen shoppen bis zum umfallen. Hört man die Bürgerlichen Politiker über die ungenügenden Ladenöffnungszeiten jammern, könnte man meinen, in der Schweiz herrsche ein eigentlicher Versorgungsnotstand und die Kühlschränke seien auch noch nicht erfunden worden.
Jüngstes Beispiel: Angestossen durch eine parlamentarische Initiative der FDP soll das Arbeitsgesetz dahingehend geändert werden, dass auf Autobahnraststätten und an Hauptverkehrswegen Tankstellenshops künftig ohne Einschränkungen durchgehend von Montag bis Sonntag 24 Stunden geöffnet sein können. Die Gewerkschaft Unia und viele weitere Organisationen haben unter dem gemeinsamen Dach der Sonntagsallianz gegen diesen Entscheid erfolgreich das Referendum ergriffen.
Eigentlich wissen wir es doch alle: Nur weil die Läden länger geöffnet sind, kann das Brot nicht plötzlich doppelt gegessen und gleichzeitig zwei paar Hosen getragen werden. Der Umsatz steigt nicht im gleichen Verhältnis dazu, wie die Ladenöffnungszeiten ausgedehnt werden. Das führt zu Lohndruck, mehr Stress und längeren Arbeitszeiten für die Angestellten. Zudem wird das Sterben der Kleingewerbebetriebe in Dörfern und Quartieren beschleunigt. Jährlich schliessen in der Schweiz rund 70 kleinere Bäckereien und Konditoreien.
Auch die grosse Mehrheit der Beschäftigten Verkäuferinnen und Verkäufer ist gegen die weitere Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten. Das bestätigen diverse Befragungen. Die ständige Verfügbarkeit am Arbeitsplatz ist familienfeindlich und macht krank.Der Mensch braucht auch mal Zeit für Ruhe und Erholung. Heute werden hier in Lenzburg und an vielen anderen 1. Mai Veranstaltungen Unterschriften für das Projekt „AHVplus“ gesammelt. Das ist gut so.
Die AHV ist unser wichtigstes Sozialwerk überhaupt. Die AHV ist stabil, effizient und sozialverträglich finanziert.Und die AHV-Rechnung steht trotz jahrerlanger Schlechtmacherprognosen im Plus. Doch für viele Menschen, die alleine auf die AHV angewiesen sind, ist sie nicht existenzsichernd, obwohl das die Verfassung so vorsehen würde. Das Projekt AHVplus ist unsere Antwort darauf.
Heute beträgt die AHV Minimalrente 1170 Franken pro Monat, die Maximalrente 2340 Franken und die maximale Ehepaarrente 3510 Franken. Das sind keine Luxusrenten. Insbesondere für alle jene, die alleine auf die AHV angewiesen sind, reicht dies kaum für ein würdiges Leben. Und das sind viele. Gerade jene, die schon im Erwerbsleben nicht immer auf der sonnigen Einkommensseite standen, trifft es hart. Viele haben nur eine bescheidene Pensionskassenleistung als zweite Säule und konnten sich keine dritte Säule – also eine zusätzliche private Vorsorge- leisten. Die Statistik zeigt: Von allen drei Säulen (AHV/BVG/private Vorsorge) sind nur 35% aller Rentner und nur 18% aller Rentnerinnen abgedeckt. Wer aber ein ganzes Leben gearbeitet hat, soll trotz tiefen bis mittleren Löhnen im Alter nicht darben müssen. Deshalb will die Initiative AHVplus die Renten um 10% erhöhen.
Die AHV ist auch ein Generationenübergreifendes Projekt. Es geht heute darum, auch für morgen anständige Renten zu sichern. Deshalb braucht es einen Um- und Ausbau der Sozialversicherungen und keinen kurzsichtigen Abbau. AHVplus ist ein zukunftsgerichtetes Projekt, von dem auch kommende Generationen profitieren werden.
Am Tag der Arbeit besinnen wir uns auf unsere gemeinsamen Werte. Engagieren wir uns auch in Zukunft gemeinsam für eine faire Arbeitswelt. Eine Arbeitswelt und eine Schweiz für alle statt für wenige!