Für eine solidarische Politik – in St. Gallen und in Bern

Rede zum 1. Mai 2015 in Rapperswil (SG), St. Gallen und Rorschach (SG)

Wenn eine Firma ihren Mitarbeitern auf dem Papier 4000 Franken bezahlt, dann handelt sie korrekt; wenn sie dann aber von ihren Mitarbeitern verlangt, dass diese 1000 Franken monatlich bar wieder zurückgeben müssen, so ist das pure Ausbeutung und widerrechtlich. Und das passiert in unserem Kanton, zum Beispiel im Rheintal.

Wenn die Frankenstärke herangezogen wird, um Löhne für Grenzgängerinnen und Grenzgänger in Euro auszuzahlen, so ist das pure Ausbeutung und widerrechtlich. Und das geschieht ganz konkret bei uns. 

Wenn die Frankenstärke herangezogen wird, um Mitarbeitende länger arbeiten zu lassen und dann doch Stellen abgebaut werden, dann ist hilft das in erster Linie den Besitzern.

Der Druck im Schweizer Arbeitsmarkt ist nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses heftiger geworden. Der Schutz von Löhnen und Arbeitsbedingungen darum von noch grösserer Bedeutung. Gesamtarbeitsverträge sind dabei ein wichtiges Mittel und müssen darum ausgeweitet werden. 

Es ist als wichtiger denn je, heute für soziale Gerechtigkeit und gegen Ausgrenzung auf die Strasse zu gehen. Und damit ein klares Zeichen gegen die Ausnutzung und Missstände in der Schweiz zu setzen und zu fordern, dass alle Lohnabhängigen von Produktivitätsfortschritten profitieren und daran teilhaben und nicht nur die Unternehmen ihre Gewinne einfahren. Und wir wollen ein noch klareres Zeichen gegen Ausgrenzung setzen. Es ist schrecklich, was sich derzeit an Europas Grenzen abspielt. Tausende von Menschen kommen um beim Versuch, aus Krisen- und Kriegsgebieten ins sichere Europa zu gelangen. Und diejenigen, die es schaffen, haben traumatisierende Erlebnisse hinter sich. Es gibt nicht das Patentrezept zur Lösung dieser Krise, doch braucht es die Solidarität von uns allen und es braucht den Willen, diesen Menschen zu helfen und sie nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Dabei ist klar, wir müssen mehr Flüchtlinge aufnehmen und wir müssen viel mehr tun, dass es gar nicht so weit kommt. Es braucht politischen Druck und die Forderung nach Demokratie, eine Stärkung der Unterstützung vor Ort und Hilfe für diejenigen Länder in der Region, die noch viel mehr Flüchtlinge aufnehmen. Nur wenn wir bereit sind, unseren Wohlstand mit anderen zu teilen, wird sich grundlegend etwas ändern.

Der 1. Mai ist nicht nur darum ein wichtiger Moment, um diese internationale Solidarität zu zeigen.

Faire Löhne, die zum Leben reichen und endlich Lohngleichheit für Mann und Frau – dafür kämpfen wir!

Trotz jahrzehntelangem Kampf sind der Verfassungsgrundsatz zur Gleichstellung von Mann und Frau und das Gleichstellungsgesetz für gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit nicht umgesetzt. Frauen verdienen immer noch 1800 Franken pro Monat weniger als Männer. 684 Franken davon sind diskriminierend einzig auf das Geschlecht zurückzuführen und nicht durch Ausbildung, Berufserfahrung oder Position im Unternehmen zu erklären. Doch auch der übrige Teil der Differenz ist nicht diskriminierungsfrei, denn nach wie vor sind typische Frauenberufe – im Gesundheitswesen, im Verkauf – krass unterbezahlt. 7,7 Milliarden Franken jährlich werden den Frauen geklaut und wandern in die Taschen der Firmenbesitzer.

Das geht aber nicht nur die Frauen etwas an. Denn damit wird auch den Familien Einkommen entzogen und die freie Entscheidung über die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit verunmöglicht. Und tiefe Frauenlöhne bringen auch Männerlöhne unter Druck.

Immer wieder lesen wir vom Fachkräftemangel. Doch wenn keine guten Löhne gezahlt werden und es eine Lohndiskriminierung von Frauen gibt, gibt es keine Motivation. Kürzlich habe ich ein Gespräch mit einer jungen Frau und einem jungen Mann von der Berufsschule in Uzwil über Gleichstellung geführt. Sie wählten dieses Thema für ihre Lehrabschlussarbeit als Polymechanikerin respektive Polymechaniker. Sie berichteten mir von Lohndiskriminierung in der Lehrzeit, eine Kollegin habe im ersten Lehrjahr 100 Franken weniger verdient als ihr Kollege in der gleichen Firma. Das ist widerrechtlich. Erst das Einschreiten des Berufsbildungsamtes habe das unterbunden. Weiter berichteten sie, es sei bei ihnen nicht unüblich, dass eine Frau nach der Lehre bis zu 1000 Franken weniger verdiene als ihr männlicher Kollege. Beide sagten mir, wie ungerecht sie dies fänden. Als junge Frau motiviere sie das nicht, im Beruf zu arbeiten. Sie wolle nachher auf einem anderen, besser bezahlten Beruf arbeiten. Da nützen uns alle Fachkräfteinitiativen oder Fördermassnahmen von Frauen in technischen Berufen nichts, wenn Lohndiskriminierung dazu führt, dass sie dem Beruf den Rücken kehren. 

Der Lohngleichheitsdialog der Sozialpartner und des Bundes ist gescheitert, weil sich zu wenig Firmen daran beteiligt und freiwillig ihre Betriebe auf Lohndiskriminierung gescannt haben. Die Unternehmen sind nicht in der Lage die Lohngleichheit umzusetzen, darum fordern wir jetzt verbindliche und systematische Lohnkontrollen. Alle Firmen müssen ihre Löhne auf Diskriminierung überprüfen und darüber Bericht erstatten, ebenfalls sollen sie ihre Löhne – welchen Lohn in welcher Funktion man verdient – im Betrieb offen legen. Mehr Transparenz wird etwas bewegen.

Weiter fordern wir generell höhere Frauenlöhne, gerade der Care-Bereich, der Verkauf und die Gastronomie müssen mit den Löhnen rauf. Der freie Entscheid über die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit muss möglich sein. Selbstverständlich braucht es dafür auch genügend und vor allem bezahlbare Krippenplätze und kostenlose Tagesschulen.  

Dank der Mindestlohninitiative wurden einige ganz tiefe Löhne angehoben, so etwa im Verkauf und auch im Linth-Gebiet bei Eugster-Frismag, doch die Löhne müssen so hoch sein, dass man davon leben kann. 

Steuergerechtigkeit verbessern

In den letzten Jahren hat eine massive Umverteilung von unten nach oben stattgefunden. Die einseitige Steuerpolitik zu Gunsten von Reichen und Unternehmen hat einerseits zu leeren Kassen und rigorosen Spar- und Abbauprogrammen geführt und andererseits die Schatulle der Reichen gefüllt. Mit der Folge, dass das Leben für die einfache Bevölkerung verteuert wird und viele Familien und auch Einzelpersonen in Nöte kommen. Höhere Gebühren für Musikunterricht, Skilager und Sonderwochen, höhere Tarife für Kindertagesstätten, verteuerte Billets im öffentlichen Verkehr; Abbau bei Energiefördermassnahmen, bei Bildungsangeboten und immer wieder Kürzungen bei der sozialen  Krankenkassenverbilligung – um einige Sparmassnahmen zu nennen.

Doch «Sparen» ist oft kontraproduktiv. Etwa wenn man mit dem Arztbesuch zuwartet, weil man die Franchise nicht vermag. Oder wenn eine Ausbildung nicht gemacht wird, weil die Gebühren zu hoch sind, oder sie – wie im Fall von Erstausbildungen nach dem 20. Altersjahr – nicht von den Steuern abgezogen werden können.

Die St. Galler Politik hat den Steuerwettbewerb forciert und völlig falsche Anreize gesetzt. Sie hat eine Bruchlandung produziert. Die Folgen sind leere Kassen, Leistungsabbau und ein schlechtes Image. Es braucht dringende Korrekturen.

Wie krass die Situation ist, zeigt uns auch eine Studie, die die SP-Grüne Kantonsratsfraktion und der kantonale Gewerkschaftsbund vom Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) erarbeiten liessen. Sie zeigt glasklar: Unter Berücksichtigung der Teuerung sind die Einkommen zurückgegangen, die Löhne im Kanton St. Gallen haben sich unterdurchschnittlich entwickelt – es bleibt den Menschen immer weniger zum Leben. «Normale» Arbeitnehmende profitieren in keiner Art und Weise von der Wirtschaftsentwicklung und den Produktivitätsfortschritten. Das ist höchst unfair, tragen sie doch wesentlich dazu bei. In der gleichen Zeit haben sich die Vermögen verdoppelt. Die reichsten fünf Prozent besitzen mehr als die Hälfte aller Vermögenswerte. Somit ist klar: Es braucht einen Ausgleich, eine Rückverteilung. Bessere Massnahmen für tiefe und mittlere Einkommen. So wollen wir etwa, dass die Krankenkassenprämien maximal 10 Prozent des Einkommens betragen – heute sind wir weit darüber. Eine deutliche Erhöhung der Gelder für die soziale Prämienverbilligung fordert die Prämienverbilligungsinitiative, die derzeit im Kantonsrat behandelt wird.

Am 14. Juni stimmen wir gerade über zwei wichtige Steuervorlagen ab, die beide mehr Steuergerechtigkeit und die ungleiche Vermögensverteilung etwas ins Lot bringen:

Die Erste: Die nationale Erbschaftssteuerinitiative. Hohe Vermögen über 2 Millionen sollen mit 20 Prozent besteuert werden. Einzig Ehegatten und eingetragene Partnerinnen sind ausgenommen. Für KMU, die innerhalb der Familie weitergegeben werden, sollen hohe Freibeiträge und ein tieferer Steuersatz festgesetzt werden. Wenn landwirtschaftliche Betriebe in der Familie weitergegeben werden, dann wird keine Erbschaftssteuer erhoben. Alle übrigen sollen eine Erbschaftssteuer für Vermögen über 2 Millionen Franken mit 20 Prozent Steuersatz entrichten. Wahrlich ein moderater Steuersatz: Deutschland hat 30, Grossbritannien und USA je 40 und Frankreich 45 Prozent! Diese Woche wurde bekannt, dass jährlich mehr als 76 Milliarden Franken vererbt werden, fast doppelt so viel wie bisher angenommen. Damit ist klar, dass die AHV einen grossen Zusatzbeitrag von rund 4 Milliarden erhalten würde, denn zwei Drittel der Erträge sollen der AHV zu Gute kommen, ein Drittel geht an die Kantone. Die Erbschaftssteuer  ist eine solidarische Steuer, die Jung und Alt nützt. Mit der Zweckbindung für die AHV werden höhere Lohnabgaben oder Mehrwertsteuerprozente erst viel später oder gar nicht mehr nötig – das nützt dem Werkplatz. Unlauter und von Lügen gespickt wird die Abstimmung torpediert und es wird von der Gefährdung von Arbeitsplätzen gesprochen. Die Gegner überbieten sich mit immer höheren Zahlen, die sie konstruieren. Es scheint mir, dass man im Moment, alles was man nicht will, mit dem Arbeitsplatzargument wegputzen will.

Die Zweite: die kantonale Steuergerechtigkeitsinitiative. Sie will bei den Vermögenssteuern die Progression, den ansteigenden Steuersatz, für hohe Vermögen ab 1 Million wieder einführen. Mit der Totalrevision des Steuergesetzes hatte St. Gallen die Progression abgeschafft. Man wollte reiche Steuerzahler anlocken. Das ist misslungen, das Loch in der Kasse klafft grandios. 20 Schweizer Kantone und alle Einkommenssteuern kennen eine Progression.  Darum wollen wir sie richtigerweise wieder einführen. Sie bringt dem Kanton dringend benötigte Mehreinnahmen von rund 27 Millionen Franken.

Kolleginnen und Kollegen – es steht viel auf dem Spiel. Die Wirtschaft und die bürgerlichen Kräfte machen Druck auf Schutzmassnahmen bei Löhnen und Arbeitszeiten, wollen Regulierungen abbauen und schaden damit Mensch und Umwelt. Im Herbst sind die nationalen Wahlen. Es braucht eine starke links-grüne und gewerkschaftsnahe Vertretung in Bern, damit das Ruder nicht gedreht wird.

Danke für euer Engagement. 

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

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