Gemeinschaftssinn stützt Gesellschaft und Wirtschaft

Die Pandemie, die wir erleben, stellt die Menschheit auf eine harte Probe. Überall grassieren Trauer und Krankheit. Die Welt durchlebt dunkle Zeiten. Im Namen der SP möchte ich unser Mitgefühl mit den Familien der Verstorbenen zum Ausdruck zu bringen. Erlauben Sie mir auch, den Kranken in der Schweiz und in der ganzen Welt eine baldige Genesung zu wünschen. Bevor ich eine erste Einschätzung der Situation vornehme und in die Zukunft blicke, möchte ich all jenen danken, die sich – überdurchschnittlich hohem Risiko ausgesetzt – um die Kranken gekümmert und die Gesellschaft am Laufen gehalten haben: Pflegefachfrauen und -männer, Ärztinnen und Ärzte, Reinigungskräfte, Pöstlerinnen und Pöstler, Berufsfahrerinnen und -fahrer, Polizistinnen und Polizisten, Verkäuferinnen und Verkäufer, Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter, den Kita-Betreuerinnen und -Betreuer und viele andere mehr.

Es gibt unzählige Menschen, die trotz schwieriger Umstände volles Engagement zeigen mussten, wie zum Beispiel Lehrerinnen und Lehrer. Von einem Tag auf dem nächsten mussten sie Fernunterricht stemmen, um die Kontinuität des Unterrichts zu gewährleisten. Ich möchte auch allen Angestellten der öffentlichen Verwaltungen danken, die Tag und Nacht gearbeitet haben, um die gesundheits- und wirtschaftspolitischen Massnahmen mit phänomenaler Geschwindigkeit auf den Weg zu bringen. Abschliessend möchte ich allen Personen der Privatwirtschaft danken. Viele von ihnen waren und sind gezwungen, ihre Tätigkeit vorübergehend aufzugeben oder unter nicht immer optimalen Bedingungen fortzusetzen. 

Die Schweiz wurde vom Coronavirus relativ hart getroffen, und die Pandemie begann sehr heftig. Dank der vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen konnte die Pandemie jedoch von einem Höchststand von täglich 1500 neuen Fällen auf heute weniger als 200 Fälle pro Tag reduziert werden. Dank des Engagements aller beteiligten Kreise und Ebenen konnten wir eine Katastrophe in den Spitälern vermeiden. Schliesslich hat der Bundesrat kurzfristige wirtschaftliche Unterstützungsmassnahmen ergriffen, die angesichts der enormen Herausforderungen die richtige Grössenordnung hatten. Dafür möchten wir Ihnen danken.

Gesundheit und Wirtschaft sind kein Gegensatz

Erlauben Sie mir an dieser Stelle, einen vermeintlichen Gegensatz zu entlarven: Der Versuch, einen Gegensatz zwischen Gesundheit und Wirtschaft herzustellen, ist absolut haltlos. Der Wirtschaft kann es nur dann gut gehen, wenn die Pandemie unter Kontrolle gebracht wird. Zu behaupten, dass die gesundheitspolizeilichen Massnahmen schuld an der Wirtschaftskrise sind, ist völlig absurd. Es sind die Krankheit und die daraus resultierende Angst, welche die Wirtschaftskrise auslösen. Und die Massnahmen zum Schutz vor der Pandemie müssen gleichzeitig den Grundstein für die wirtschaftliche Erholung legen.

Es besteht vielmehr eine klare Synergie zwischen Gesundheit und Wirtschaft: Kurzfristige Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft wie Kurzarbeit, Kredite und Lohnausfallversicherungen stärken das Vertrauen der Öffentlichkeit und ermöglichen eine wirksamere Bekämpfung der Pandemie. Dank den schnell getroffenen wirtschaftspolitischen Massnahmen und natürlich dank der Disziplin der Bevölkerung hat die Schweiz diese erste Welle der Pandemie relativ gut gemeistert und so die Grundlagen dafür gelegt, dass die Wirtschaft so rasch wie möglich wieder in Gang kommt.

Natürlich müssen wir in den nächsten Tagen sehr wachsam bleiben und versuchen, ein Wiederaufflammen der Pandemie zu verhindern. Diese Eindämmungsstrategie ist unerlässlich, wenn wir zu einem mehr oder weniger normalen wirtschaftlichen und sozialen Leben zurückkehren wollen.

Am Ende einer Pandemiewelle ist es wie nach einem Waldbrand. Es ist notwendig, sehr wachsam zu sein und ein Wiederaufflammen des Feuers beziehungsweise der Pandemie im Keim zu ersticken. Alle Anträge, die darauf abzielen, die Aufhebung der Schutzmassnahmen auf unvorsichtige Weise zu beschleunigen, lehnen wir daher entschieden ab.

Wohlstand und Klima gehen Hand in Hand

Es gibt einen zweiten falschen Gegensatz: jenen, den manche zwischen Wirtschaft und Klimaschutz heraufzubeschwören versuchen. Gerade in der langfristigen Sicht zeigt sich offensichtlich, dass dieser Gegensatz keiner ist: Wenn wir nämlich die physischen Grundlagen unserer Existenz zerstören – und leider befinden wir uns auf diesem Weg – wird kein Wohlstand mehr möglich sein.

Gleiches gilt auch auf kurze Sicht. Es ist absurd, zu glauben, dass wir mit einer Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und flächendeckender Armut in der Lage sein werden, die natürlichen Ressourcen langfristig zu schützen. Vielmehr würde genau das Gegenteil passieren, nämlich ein unkontrollierter Ansturm auf die letzten Ressourcen unserer Welt.

Meine Damen und Herren, der einzig sinnvolle Weg besteht darin, den wirtschaftlichen Aufschwung mit dem Schutz der natürlichen Ressourcen zu verbinden – mit besonderem Fokus auf den Klimaschutz. Wir müssen den Lebensstandard der Menschen sichern und gleichzeitig die Investitionen in die Klimawende und ökologische Sanierungen beschleunigen.

Diese Forderungen liegen auf der Hand: Durch die Renovierung von Gebäuden, die Erzeugung erneuerbarer Energie und die Modernisierung des Verkehrs können die absehbaren Verluste im Exportsektor zumindest teilweise kompensiert werden. Damit stärken wir das lokale Gewerbe und erhalten bzw. schaffen dezentral in der ganzen Schweiz Arbeitsplätze. Wir sind der Meinung, dass ein auf diesen Sektoren basierendes Konjunkturprogramm unerlässlich ist, um der Wirtschaftskrise entgegenzuwirken.

Und bei den Rettungsmassnahmen muss die richtige Richtung eingeschlagen werden, anstatt nicht-nachhaltige Verhaltensweisen zu zementieren. Aus diesem Grund haben wir vorgeschlagen, die Rettung der Luftfahrtindustrie mit strengen Anforderungen an den Klimaschutz zu verbinden. Wir müssen bestimmte Handlungsweisen der Wirtschaft in Frage stellen. Heute können wir feststellen, dass kürzere Lieferwege nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch viel sicherer sind.

Damit zusammenhängend wird es notwendig sein, lokale Branchen zu unterstützen, insbesondere in den Bereichen Hotellerie, Gastronomie, Tourismus, Kultur und Freizeit. Deshalb haben wir vorgeschlagen, dass jede Person in der Schweiz einen Gutschein von 200 Franken erhalten soll, den sie in diesen Sektoren ausgeben kann. Diesen Unternehmen Umsatz zu beschaffen, ist der beste Weg, um sie zu retten. Wenn wir uns nicht um die Binnennachfrage kümmern, werden viele dieser Unternehmen in Konkurs gehen. Und das wird definitiv mehr Geld kosten.

Kaufkraft stützen und Investitionen fördern

Ich möchte eines klarstellen: Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, wird es notwendig sein, dass sich der Bund verschuldet. Aber die Wirtschaft nicht wieder anzukurbeln, würde viel mehr kosten! Wir würden Arbeitsplätze verlieren und dennoch Schulden anhäufen, da die Steuereinnahmen dauerhaft zusammenbrechen würden! Angesichts des negativen Zinsniveaus wäre das besonders töricht.

Der Bundesrat hat zwar relativ gut reagiert, um das Wirtschaftsgefüge und die Kaufkraft zu erhalten. Die SP möchte aber auf die Wichtigkeit der folgenden drei Hebel hinweisen:

Erstens müssen im Fall von Kurzarbeit 100 %und nicht nur 80 % des Lohns garantiert werden. Dies soll bis zum Medianlohn gelten. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass 44 % der Personen auf Kurzarbeit im Niedriglohnsektor und nur 7% im Hochlohnsektor tätig sind.

Zweitens müssen wir höhere Krankenkassenprämien vermeiden, um die Kaufkraft zu schützen. Am besten würde der Bundesrat unsere Prämienentlastungsinitiative der SP sofort umsetzen. Sie verlangt, dass kein Haushalt mehr als 10% des verfügbaren Haushaltseinkommens für Prämien zahlen muss.

Drittens darf die Finanzierung der Krise nicht zu einer dauerhaften Schwächung der Kaufkraft führen. Das wäre dann der Fall, wenn die Mehrwertsteuer oder die Sozialversicherungsbeiträge erhöht würden.

Das Gegenteil ist sinnvoll: Unserer Meinung nach sollte ein Teil der Krise durch einen Fonds finanziert werden, der einerseits aus den Reserven der Nationalbank und andererseits durch einen vorübergehenden Solidaritätsbeitrag hoher Einkommen, sehr grosser Vermögen und Erbschaften von über 10 Millionen Franken gespiesen wird.

Langfristig bedeutet dies, dass die Last der Krise auf diejenigen abgewälzt werden muss, die über die Mittel dafür verfügen. Dies ist die Voraussetzung für eine konstruktive, gerechte und nachhaltige wirtschaftliche Erholung. Eine solche wirtschaftliche Erholung ist wiederum die Voraussetzung für eine erfolgreiche Klimawende.

Einige zu revidierende Dogmen

Wenn man dieser Krise etwas Positives abgewinnen will, dann ist es die Tatsache, dass sie bestimmte Dogmen in Frage stellt, die unsere Gesellschaft seit 30 bis 40 Jahren prägen

Das erste überflüssige Dogma, ist der Anti-Etatismus, die Besessenheit, die öffentliche Hand zu schwächen und alles um jeden Preis zu deregulieren und zu liberalisieren. In einer schweren Krise, wie jener, die wir gerade erleben, ist das, was Gesellschaft und Wirtschaft rettet, die Stärke des Staates, die Stärke des Gemeinschaftssinns, die Stärke der Solidarität. Während grosse Teile die Privatwirtschaft zusammenbrechen, bleibt der Service Public ein Fels in der Brandung. 

Das zweite Dogma ist die Idee, dass Löhne normalerweise die Leistung widerspiegeln. Die meisten Menschen, denen ich zu Beginn dieser Rede gedankt habe, sind leider jene, die in den am schlechtesten bezahlten Sektoren arbeiten. Es überrascht nicht, dass dies oft Arbeitsplätze sind, in denen Frauen in der überwiegenden Mehrheit sind. Es geht jetzt darum, diese Ungleichheiten nicht zu vergessen und hier strukturelle Korrekturen vorzunehmen.

Abschliessend möchte ich an den globalen Charakter dieser Krise erinnern. Wir werden nicht in der Lage sein, diese Pandemie allein zu kontrollieren.

Auf europäischer Ebene brauchen wir eine enge Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Es ist erfreulich, dass sich diese Zusammenarbeit in den letzten Wochen stark verbessert hat.

Auf globaler Ebene benötigen die ärmsten Länder die Unterstützung der reichsten Länder, um mit der Pandemie umzugehen. Und es braucht insbesondere eine weltweite Zusammenarbeit in der Wissenschaft, um Behandlungen und hoffentlich auch möglichst bald einen Impfstoff zu finden, den wir dann allen zugänglich machen müssen.

Rede von SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann anlässlich der ausserodentlichen Session in Bern, 4. Mai 2020 

 

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed

Du hast Fragen zur Mitgliedschaft oder dem Mitgliedschaftsformular? Wir helfen gerne.

Häufige Fragen

Am einfachsten, indem Du online das Beitrittsformular nebenan ausfüllst.

Du kannst selbst entscheiden, welches Engagement für Dich am besten passt.

  • Wenn Du wenig Zeit hast, ist es absolut in Ordnung, wenn Dein Engagement sich vor allem darauf beschränkt, Deinen Mitgliederbeitrag zu bezahlen. Auch das hilft uns sehr, um die Schweiz und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
  • Die Sektion, bei welcher Du Mitglied bist, wird Dich eventuell hin und wieder anfragen, ob Du Zeit hättest, bei einer Standaktion, einer Unterschriftensammlung oder einer Telefonaktion mitzumachen. Falls Dir das zusagt, sind wir sehr froh darüber – aber es ist natürlich völlig freiwillig.
  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
  • Häufig gibt es auch die Möglichkeit, ein partei-internes Amt, z.B. im Vorstand Deiner Sektion zu übernehmen.
  • Falls Du das möchtest, kannst Du mit Deiner Sektion auch Kontakt aufnehmen, um über eine Kandidatur für eine öffentliches Amt zu sprechen, z.B. in der Schulpflege Deines Wohnortes.

Um unsere Werte verteidigen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Die SP ist eine Mitgliederpartei und schöpft ihre Stärke aus dem Engagement ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbeiträge werden von den Kantonalparteien und den Sektionen unterschiedlich festgelegt und sind abhängig von Deinem steuerbaren Einkommen. Wir folgen unseren eigenen politischen Forderungen: Wer wenig verdient, bezahlt wenig, und wer viel verdient, beteiligt sich mehr an den Kosten von Partei und Politik.
In der Regel fallen jährlich je nach Einkommen Kosten zwischen circa 80 und einigen Hundert Franken an. Die Mitgliederbeiträge werden jährlich erhoben.

Ja, selbstverständlich! Du kannst der SP beitreten, ohne den Schweizer Pass zu haben. Denn alle Menschen, die in der Schweiz leben, sollen in der Politik mitdiskutieren können.

Du hast verschiedene Möglichkeiten, Dich einzubringen. Wenn Du an Deinem Wohnort aktiv werden möchtest, wendest Du Dich am besten an die Sektion Deiner Gemeinde oder Deines Quartiers. Diese ist auch die richtige Anlaufstelle für den Einsatz in einem öffentlichen Amt (Gemeinderat, Schulpflege, Sozialbehörde…).
Du kannst Dein Wissen und Können auch innerhalb der Partei einbringen. Die SP sucht immer Leute, die sich in der Parteiorganisation engagieren (Gemeinde, Bezirk, Kanton, Themenkommissionen).

Melde Dein Interesse bei den Verantwortlichen Deiner Ortssektion an. Die Sektion nominiert SP-Kandidierende für öffentliche Ämter, sei dies für den Gemeinderat oder die lokalen Schul-, Sozial- oder Finanzbehörden. Die Ortssektion bildet oft auch für Ämter auf übergeordneter Ebene (Kantons- oder Grossrat) den Ausgangspunkt des parteiinternen Nominationsprozesses.

Abgesehen von der Zahlung des jährlichen Mitgliederbeitrags gehst Du keine Verpflichtungen ein. Voraussetzung für den Beitritt ist eine inhaltliche Nähe. Dies bedingt jedoch nicht, dass Du in allen Fragen mit der SP gleicher Meinung sein musst.

Die Statuten der SP Schweiz verbieten die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Schweizer Parteien.
Doppelbürger:innen können Mitglied der SP Schweiz und Mitglied einer ausländischen Schwesterpartei sein, beispielsweise der deutschen SPD oder des italienischen Partito Democratico. Die Mitgliedschaft bei der SP Schweiz ist für Angehörige von Schwesterparteien gratis, sofern sie belegen können, dass sie in ihrem Heimatland Mitgliederbeiträge an eine Sozialdemokratische Partei entrichten.

Ja. Auch im Ausland kannst du dich als Mitglied der SP Schweiz in die Politik einbringen. Wenn Du Deinen Wohnsitz im Ausland hast, wirst du automatisch Mitglied der SP International.

Für JUSO-Mitglieder besteht bis zum Alter von 26 Jahren die Möglichkeit einer kostenlosen SP-Mitgliedschaft. Ein entsprechender Antrag kann per Mail an [email protected] gestellt werden.

Das bietet Dir die SP

Was Du von der SP erwarten darfst.

Du bist nah dran an der Politik: Wir schicken Dir unsere Aufrufe, Newsletter sowie sechs Mal jährlich unser Mitgliedermagazin “links”. Du kannst Dich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Du kannst von andern lernen und Dich mit Deinem Wissen und Können auf verschiedenen Ebenen in der Partei einbringen.
Gemeinsam schaffen wir eine bessere Zukunft!

Keine Demokratie ohne Bildung. Wir bieten Dir Webinare und Seminare zu Hintergrundwissen und aktuellen politischen Themen.