Von Pia Wildberger
Wir fahren mit Simon Baumann im Lieferwagen quer durch Frankreich, 1000 Kilometer, die Scheibenwischer vor den Augen und den Rhythmus eines Blues-Songs im Ohr, «This is what I’m doing» von Dick Stusso begleitet uns in den Süden. Der Dokumentarfilmer nimmt die Zuschauer mit auf den Bauernhof seiner Eltern im Südwesten Frankreichs, die in den Nullerjahren dem Schweizer Parlamentsbetrieb den Rücken kehrten, um in der EU neu anzufangen. Sie haben es geschafft. Heute sind Ruedi (Grüne) und Stephanie Baumann (SP) beide über 70, zwar noch nicht gebrechlich, aber das Alter macht sich immer stärker bemerkbar. Was wird aus dem Hof, den 70 Hektaren Biodiversität, den Maschinen, der Arbeit und der Einsamkeit? Wer übernimmt?
Die beiden Söhne Simon und Kilian Baumann haben sich in der Schweiz ein eigenes Leben als Dokumentarfilmer und als Landwirt aufgebaut. Kilian vertritt die Grünen unter der Bundeshauskuppel. «This is what I’m doing.» Den Hof in der Ferne zu übernehmen, steht nicht auf der Wunschliste der beiden. Sie haben Familie, besitzen selbst ein Haus.
Viel Geld
Das Thema ist nicht nur für die Familie Baumann aktuell. In der Schweiz ist jeder zweite Vermögensfranken geerbt. 90 Prozent der Bevölkerung dürften in ihrem Leben einmal etwas erben – die meisten wenig, und ganz wenige sehr viel. Das hat der Lausanner Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart errechnet. Erbschaften und Schenkungen haben sich in den letzten 15 Jahren fast verdoppelt und betrugen 2024 rund 97 Milliarden – doppelt soviel wie die AHV ausbezahlt.
Oder doch verschenken?
Eine gewisse Sensibilität für das Thema setzt der Film voraus. Wer erbt? In persönlichen Gesprächen kreisen die Familienmitglieder lange um diese Frage. Ein Verkauf des Betriebs ist für Bauer Ruedi Baumann undenkbar. Grund und Boden bedeuten Sicherheit und Freiheit, auch für die kommenden Generationen. Einfühlsame Bilder zeigen ihn auf dem Traktor und lassen erahnen, wie viel ihm der Betrieb bedeutet. Stephanie Baumann hingegen hört eher die Zwischentöne im Familiengefüge und bringt den Zwiespalt zwischen Privilegien und schlechtem Gewissen zum Ausdruck.
Der Film berührt durch seinen Witz, seine Ehrlichkeit und das beharrliche Nachfragen, was es mit dem Erben auf sich hat. Er zeigt, wie man sich das Erben «schönredet», wenn – wie es im Film heisst – «Verschenken doch eigentlich die moralisch schönste Variante wäre». Und wie man für die Einführung einer Erbschaftssteuer sein kann und trotzdem versucht, den Hof steuerfrei zu vererben.
Regisseur Simon Baumann gelingt ein intimes Familienporträt, das auch dadurch beeindruckt, wie die Familie in einer existenziellen Frage einen Weg findet und Stephanie und Ruedi Baumann vielleicht – das offene Ende lässt hoffen – zu neuen Ufern aufbrechen.
Unbedingte Kinoempfehlung.