Die SP hat immer dann am meisten Wählerinnen und Wähler überzeugt, wenn die unterschiedlichen Lager in der Partei für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar waren. Unser elektorales Potenzial liegt weit höher als die derzeit 18.8 Prozent. Die Vergangenheit, aber auch Ständeratswahlen oder Wahlen in bestimmten Regionen und Gemeinden, zeigen, dass wir durchaus 30 Prozent oder mehr holen können, wenn es uns gelingt, die verschiedenen Strömungen sichtbar zu machen, die unter dem Dach der Sozialdemokratie zusammenkommen. Wenn wir unseren Anspruch, für alle statt für wenige da zu sein, ernst nehmen, heisst dies auch, dass wir in der Partei eine Meinungsvielfalt aktiv leben müssen, die ein breites Spektrum aufweist.
Faktisch ist es heute schon so, dass wir in der Mitgliedschaft sehr breit abgestützt sind. Weil der reformorientierte Flügel bisher kaum organisiert war, wurde dies zu wenig wahrgenommen. Das soll sich mit der sogenannten «reformorientierten Plattform» ändern. Denn es ist gut und sinnvoll, dass die verschiedenen SP-Flügel im Wettbewerb der Ideen stehen. Im Hinblick auf die Überarbeitung des Wirtschaftskonzepts von 2006 wollen wir jene Stimmen in der Partei stärken, die für eine pragmatische linke Politik einstehen, die sich am Machbaren orientieren und in kleinen Schritten unsere Gesellschaft ökologischer und sozialer machen wollen. Wir wollen Forderungen in den Mittelpunkt rücken, die den realen Herausforderungen unserer Arbeits- und Wirtschaftswelt gerecht werden.
Gefragt nach den wirtschaftspolitischen Vorstellungen, plädiere ich für ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Markt und Staat. In manchen Situationen versagt der Markt und staatliche Regulierungen sind unabdingbar. Im Bereich der Grundversorgung, dort, wo es um Güter geht wie Wasser, Stromnetz, Telekommunikations- und Verkehrsinfrastrukturen oder Sicherheit, gelten andere ökonomischen Gesetzmässigkeiten. In diesen Bereichen ist es schlicht falsch und irreführend, von Markt und Wettbewerb zu sprechen.
Der Markt ist grundsätzlich eine gute Voraussetzung für eine effiziente und innovative Wirtschaftsordnung. Wettbewerb statt staatliche Planung fördert Innovation und Kreativität in der Regel besser, setzt angemessene Preise und richtet sich eher auf die Bedürfnisse der Kundschaft aus. Der Markt gibt dem Individuum Spielraum, um seine unternehmerischen und beruflichen Vorstellungen umzusetzen. Dies muss indes gepaart werden mit einem Staat, der dort ausgleicht und für eine gerechte Verteilung sowie Chancengleichheit sorgt, wo der Markt blind ist – in sozialen und ökologischen Fragen. In den letzten beiden Jahrzehnten haben neoliberale Kreise Marktversagen ausgeklammert und fundamentalistische Deregulierungen zum Schaden von uns allen durchgedrückt.
Im aktuell geltenden Wirtschaftskonzept der SP Schweiz steht: «Auch wenn wir eine Marktwirtschaft, welche die soziale Gerechtigkeit und die Umwelt respektiert, bejahen, wissen wir doch, dass der Markt nicht alles ist. Die Gesellschaft steht im Mittelpunkt und muss seine Grenzen festlegen.»
Auf dieser Grundhaltung einer sozialen Marktwirtschaft muss die Überarbeitung des Papiers aufbauen und realpolitische Lösungen für die zahlreichen anstehenden wirtschaftspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre präsentieren. Wir brauchen keine Luftschlösser und Worthülsen rund um die Überwindung des Kapitalismus. Das sind abstrakte Begrifflichkeiten, mit denen die Menschen draussen in der Arbeitswelt wenig anfangen können und die der Arbeit der SP-Vertreterinnen und SP-Vertreter in den Kantonen und Gemeinden überhaupt nicht gerecht werden. Konkret angereichert mit alles bestimmenden Themen wie der Digitalisierung, die eine eigentliche Revolution der Arbeits- und Wirtschaftswelt bedeutet, ist das Papier dank guten Grundzügen mit ansonsten moderaten Änderungen bald aktualisiert.