Inklusion statt Bevormundung von Menschen mit Behinderung

Das schweizerische Verständnis von Behinderung ist vorwiegend geprägt von der Vorstellung, dass die Betroffenen hilflos sind und versorgt werden müssen. Durch diese Annahme entstand in den letzten 100 Jahren eine Art Parallelgesellschaft aus Betreuungseinrichtungen, in welcher Menschen mit Behinderung meist als unmündige Individuen behandelt werden. Diese aufgebauten Strukturen des Behindertenwesens lassen wenig Spielraum für emanzipatorische Bestrebungen von Menschen mit Behinderung.

Wortmeldung am Parteitag vom 3. und 4. Dezember 2016

Liebe Genossinnen
Liebe Genossen

Wie ihr sehen bzw. hören könnt, lasse ich meine Rede zur Resolution für Menschen mit Behinderung in der SP vorlesen. Durch meine Sprachbehinderung ist es mir (noch) nicht möglich einen langen Monolog zu halten. Dieses «Handicap» kann sich aber als Vorteil erweisen, da ich so vermehrt meinen Gesprächspartnern zuhören muss. Das Zuhören könnten viele Politiker noch mehr üben.

«Für alle statt für wenige» ist das Motto der SP. Für was steht aber genau das «für alle»? Steht es für alle Intellektuellen? Steht es für alle gesunden Menschen? Steht es für alle Menschen, die ein bestimmtes Lebensmodell vorziehen?

Diese Fragen habe ich mir immer wieder gestellt. Wenn man «für alle statt für wenige» wörtlich nimmt, möchte dieses Motto nichts Geringeres als eine inklusive Gesellschaft. 

In einer inklusiven Gesellschaft steht das Potenzial jedes einzelnen im Fokus. Die Fähigkeiten eines Menschen sind wichtig, nicht die Defizite. Um das Potenzial jedes einzelnen auszuschöpfen, müssen gewisse gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Der Staat hat in einer inklusiven Gesellschaft keine Präferenzen einer bestimmten menschlichen Lebensform. Alle Lebens- und auch Arbeitsmodelle werden gleichgestellt. Die BürgerInnen wählen für sich das für sie geeignete Modell aus, ohne Vorurteile und Beschränkungen.

Die Vielfalt des Menschseins spiegelt sich in den unzähligen Lebensformen wieder. Die Wahlmöglichkeiten dieser Modelle sollten das eigentliche Ziel der Gleichstellung sein. Gleichstellung heisst nicht, dass jeder Mensch gleich sein muss. Wir sind nicht gleich und werden nie gleich sein. Nicht mal Zwillinge sind gleich in ihrem Sein.

Die SP hat nicht nur aufgrund ihres Mottos «für alle statt für wenige» einen guten Ausgangspunkt für den Kampf um die Inklusion, sondern auch durch die Struktur ihrer Mitglieder. Keine andere Partei der Schweiz verfügt über eine vielfältigere Basis. Diese Vielfalt widerspiegelt sich auch in den verschiedenen SP-internen Gruppierungen.

Ich bin der Überzeugung, dass Inklusion der richtige Ansatz für ein Gesellschaftsmodell ist, welches der Vielfalt der Menschen Rechnung trägt.

Doch wie kommen wir an diesen Punkt?

Es gibt keinen goldenen Weg. Inklusion bedingt aber eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen emanzipatorischen Gruppen. Bei der SP könnten wir mit einer Arbeitsgruppe Inklusion diese Zusammenarbeit vorantreiben und verbessern. Diese AG würde als Schnittstelle und Brücke für einen optimalen Informationsfluss zwischen den Akteuren bei überschneidenden und zusammenhängenden Themen fungieren.

Zunächst sollten wir uns aber den Interessen einer Gruppe annehmen, die bis heute eher stiefmütterlich behandelt wurde. Die Rede ist von Menschen mit Behinderung.

Das schweizerische Verständnis von Behinderung ist vorwiegend geprägt von der Vorstellung, dass die Betroffenen hilflos sind und versorgt werden müssen. Durch diese Annahme entstand in den letzten 100 Jahren eine Art Parallelgesellschaft aus Betreuungseinrichtungen, in welcher Menschen mit Behinderung meist als unmündige Individuen behandelt werden. Diese aufgebauten Strukturen des Behindertenwesens lassen wenig Spielraum für emanzipatorische Bestrebungen von Menschen mit Behinderung.

Der Feminismus und die LGBTI-Bewegung zeigen uns, dass es emanzipatorische Bestrebungen von Betroffenen selbst braucht, um einen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft herbei zu führen. Damit Menschen mit Behinderung ihre Rechte einfordern können, müssen gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die dies ermöglichen.

Es ist beispielsweise bezeichnend, dass überall auf der Welt Menschen mit Down-Syndrom akademische Abschlüsse erzielen, während ihnen in der Schweiz einzig eine Karriere in der geschützten Werkstatt offensteht.

Durch einen Aktionsplan fördern wir gezielt die Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung in der Politik. Genau dort, wo man die Rahmenbedingungen für die übrigen Bereiche gestalten und erlassen kann.

Ich danke allen Delegierten des Parteitags für die Annahme dieser Resolution und besonders möchte ich der Geschäftsleitung der SP Schweiz und unserem Präsidenten Christian Levrat für die Unterstützung danken.

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

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