Von Roman Rossfeld
Die Aufregung war gross als der Unternehmer und ehemalige SVP-Nationalrat Peter Spuhler im Sommer 2024 – medial geschickt inszeniert – mit dem präventiven Wegzug aus der Schweiz drohte, sollte die von der JUSO eingereichte «Initiative für eine Zukunft» zur Abstimmung gelangen. Diese fordert eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent auf Nachlässe über 50 Millionen Franken.
Die heftige Reaktion zeigt: Nach wie vor ist unser wirtschaftliches Denken stark von Expansion und Grenzenlosigkeit geprägt: Nach unten wird die Einführung von Mindestlöhnen für den Schutz der Ärmsten bekämpft, und nach oben ist eine Begrenzung teilweise obszön hoher Spitzengehälter, Erbschaften oder Vermögen tabu. Inzwischen warnen aber selbst Multimillionäre und Milliardäre davor, dass die Ungleichheiten zwischen Arm und Reich zu gross sind. Organisationen wie «taxmenow», eine Initiative von Vermögenden für mehr Steuergerechtigkeit, oder die «millionaires for humanity» plädieren für eine höhere Besteuerung der Reichen.
Eine Bedrohung für die Demokratie
Das Buch «Limitarismus. Warum Reichtum begrenzt werden muss» von Ingrid Robeyns schliesst an diese Überlegungen an und fragt, weshalb extremer Reichtum unserer Gesellschaft schadet und begrenzt werden muss. Als «Limitarismus» bezeichnet die Ökonomin und Professorin für Ethik an der Universität Utrecht ihre Überzeugung, dass es eine ethische und politische Obergrenze des Reichtums geben müsse, weil der exzessive Reichtum einiger Weniger besser genutzt werden könne als für Superyachten, Luxusimmobilien oder Privatflugzeuge. Grenzenloser Reichtum und grosse Vermögensungleichheiten sind für sie nicht nur eine Bedrohung für die politische Gleichheit und die Demokratie, sondern sie stecken auch «die Welt in Brand». Weltweit sind die 10 Prozent der obersten Einkommen durch ihren höheren Luxus-Konsum für rund 50 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Der Reichtum einer Person ist gemäss Robeyns der beste Indikator dafür, «wie umweltverschmutzend ihr Lebensstil ist».
Robeyns warnt davor, «dass uns die Unverletzlichkeit von Eigentumsrechten eine bewohnbare Erde kostet». Steuervermeidung durch die Nutzung der auf Superreiche ausgerichteten «Wealth-Defense-Industry» (zu Deutsch: Vermögens-Verteidigungs-Industrie) beschreibt sie als «die am weitesten verbreitete Form schmutzigen Geldes». Um die Gesellschaft gerechter – und auch für Superreiche gesünder – zu machen, schlägt Robeyns ein ganzes Bündel von Massnahmen vor. Neben der «Demontage der neoliberalen Ideologie» plädiert sie unter anderem dafür, «die fiskalische Handlungsfähigkeit des Staates» wiederherzustellen, «schmutziges Geld zu konfiszieren», «die Managergehälter zu begrenzen» oder «der Vererbung von Vermögen von einer Generation an die nächste Einhalt zu gebieten». Limitarismus ist für Robeyns ein «regulatives Ideal»; die wichtigste Veränderung ist für sie aber, dass wir die Mantras «Gier ist gut» und «der Himmel ist die Grenze» aufgeben.
Initiative der JUSO
Das Buch liefert ein breites Argumentarium zum Abstimmungskampf (und den Auswanderungsdrohungen von Multimillionären und Milliardären) zur Erbschaftssteuer-Initiative der JUSO. Die Initiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert» möchte den ökologischen Umbau der Wirtschaft – wie Robeyns – über eine höhere Erbschaftssteuer finanzieren. Es ist eine alte Forderung der Sozialdemokratie, mehr Wirtschaftsdemokratie zu wagen, zu der Robeyns schreibt: «Wir haben die Vererbung politischer Macht abgeschafft; warum sollten wir dann nicht auch die Vererbung wirtschaftlicher Macht abschaffen?»
Ingrid Robeyns, Limitarismus. Warum Reichtum begrenzt werden muss, 2024