Die Änderung des Verfassungsartikels „für die Fortpflanzungsmedizin“ ermöglicht die Einführung der Präimplantationsdiagnostik. Worum geht es? Manche Paare wissen, dass sie erblich vorbelastet sind. Einer oder beide Partner leiden an einer schweren Erbkrankheit – auch wenn diese vielleicht bei ihnen nicht oder noch nicht ausgebrochen ist – und der Wunsch ist verständlich, dass sie diese schwere Last nicht an ihre Kinder weitergeben wollen.
Eine Präimplantationsdiagnostik kann dieses Risiko stark reduzieren. Wie funktioniert das? Dabei wird die entwickelte Eizelle an Tag 5, bevor sie der Frau übertragen wird, dahingehend untersucht, ob die entwickelte Eizelle schwere Erbkrankheiten in sich trägt oder nicht. Solche Krankheiten sind zum Beispiel eine cystische Fibrose, Huntington oder Osteogenesis imperfecta. Nur die gesunde Eizelle wird danach übertragen.
Heute ist die Präimplantationsdiagnostik in der Schweiz verboten. Für betroffene Paare die verhindern wollen, dass ihr Kind von der Erbkrankheit betroffen sein wird, gibt es damit zwei Möglichkeiten:
- Sie nutzen die Möglichkeiten der Pränataldiagnostik. In der 11. Schwangerschaftswoche dürfen die entsprechenden Tests durchgeführt werden. Fällt dieser Test positiv aus, stehen diese Paare vor der schwierigen Frage eines Schwangerschaftsabbruchs. Zahlen zeigen, dass die allermeisten Paare, etwa 90 %, sich in diesem Fall für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden – ein Schritt, der mit zusätzlichen seelischen und körperlichen Belastungen einhergeht.
- Oder sie gehen ins Ausland, wo die Präimplantationsdiagnostik erlaubt ist.
Beide Umwege halte ich für unbefriedigend. Sinnvoller ist es meines Erachtens, die PID in restriktiver Form zuzulassen. In allen europäischen Ländern, ausser Litauen, wird die Präimplantationsdiagnostik angewendet, zum Teil schon seit Jahrzehnten. Auch die Nationale Ethikkommission NEK, eine unabhängige, vom Bundesrat eingesetzte Expertenkommission beurteilt die PID aus ethischer Sicht positiv, denn eine PID ist weniger gravierend als ein Schwangerschaftsabbruch.
Viele Argumente, die gegen die Verfassungsänderung ins Feld geführt werden, zielen auf die vom Parlament beschlossene Anpassung des Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG), nicht aber auf die Verfassungsbestimmung, über welche die Stimmbevölkerung am 14. Juni 2015 zu entscheiden hat. Das Gesetz geht mir in der verabschiedeten Version ebenfalls zu weit. Wenn das – für den Fall eines Ja zur Verfassungsbestimmung bereits angekündigte – Referendum zustande kommt, empfehle ich ein Nein zum Gesetz. Dieses wäre vom Parlament als Auftrag zu verstehen, gemäss ehemaliger Vorlage des Bundesrats die PID-Zulassung vorsichtiger und restriktiv zu regeln.
Damit eine solche Zulassung aber überhaupt erst möglich sein wird, braucht es nun ein Ja zur Verfassungsänderung. Diese befürworte ich aus Überzeugung – denn sie ist der Grundstein, um Paaren mit einer schweren Erbkrankheit den Zugang zur PID zu ermöglichen.
Referat an der Medienkonferenz des überparteilichen Komitees vom 16. April 2015