Sie sind im Gegenteil eine Bedrohung auch für diesen. Der Vormarsch der IS ist eine Bedrohung für die aufklärerischen Werte des Abendlandes, ein Angriff auf die Menschlichkeit. Er muss gestoppt werden. Das weiss die ganze Welt. Die Kurden aber kämpfen isoliert. Die USA und alliierte arabische Staaten helfen aus der Luft. Bodentruppen kommen aber keine zur Hilfe. Die Türkei zögert schon fast demonstrativ. Die Kurden werden im Stich gelassen. Kläglich.
Es gibt immer wieder Momente in denen der Glaube an Pazifismus und Neutralität verkümmert. Der Blick auf die Schlacht in Kobane ist so einer.
Ausgerechnet sie, die Kurden, opfern sich jetzt für die aufgeklärte Welt gegen den Verlust westlicher Werte.
Die 20 bis 40 Millionen Kurden verbindet eine Geschichte des Leidens. Heimatlos in der Türkei, in Syrien, Irak und im Iran waren sie Jahrzehnte der Verfolgung ausgesetzt und sind es zum Teil heute noch. Ihre Sprache war lange verboten. Demokratische Rechte wurden ihnen verwehrt. Die internationale Gemeinschaft liess sie über Jahrzehnte in ihrem Kampf um Anerkennung im Stich. Ausgerechnet sie, die Kurden, opfern sich jetzt für die aufgeklärte Welt gegen den Verlust westlicher Werte. Ausgerechnet sie bilden für uns das Bollwerk der Menschlichkeit.
Es ist gut, dass der Bundesrat die schweren Verstösse der IS gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte aufs Schärfste verurteilt, und in Erinnerung gerufen hat, dass ausgedehnte oder systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen sind.
Das reicht aber nicht. Der Bundesrat sollte die von der Schweiz geleistete humanitäre Hilfe in Syrien und dem Irak weiter verstärken und direkt über zivilgesellschaftliche Kanäle den Flüchtlingen und weiteren Opfer der Gewalt zukommen lassen. Das Budget für diese Hilfe ist angesichts der Grösse des Leids und der Vielzahl der humanitären Katastrophen in diesem Gebiet dringlich aufzustocken.
Weiter soll die Schweiz auf Regierungen der Türkei, Katar und Saudi-Arabien einwirken, damit sie die IS-Extremisten nicht länger direkt und indirekt mit finanziellen Mitteln, Waffen und Munition unterstützen. Und er muss dringend sicherzustellen, dass der Schweizer Finanzmarkt nicht für die Abwicklung der Ölverkäufe der IS zur Verfügung steht.
Es bleibt sehr zu hoffen, dass die Türkei beginnt, mit den Kurden zusammenzuarbeiten und die Chance erkennt, die sich daraus ergibt. Anstatt sich in einem Jahrzehnte langen, sinnlosen Krieg gegen die Kurden aufzureiben, können durch eine Allianz mit ihnen wirkliche Gefahren abgewendet werden. Deshalb ist es wichtig, dass die türkische Regierung die ins Stocken geratenen Friedensverhandlungen mit dem Kurden-Führer Abdullah Öcalan fortsetzt und endlich zu einem guten Abschluss bringt. Der Friedensprozess zwischen Kurden und Erdogans Regierung hängt an einem dünnen Faden. Er darf nicht abreissen. Dazu gehört, dass die Rechte aller sprachlichen, religiösen und ethnischen Minderheiten, namentlich der kurdischen, endlich in der türkischen Verfassung garantiert werden.