Der Beitrag der Diaspora zu einer demokratischen und nachhaltigen Entwicklung der Republik Kosovo
Der politische Wandel und die neue Regierung in Kosovo wecken grosse Hoffnungen. Sie eröffnen die Aussicht auf einen umfassenden Aufbruch in diesem jungen Staat mit neuen sozialen, wirtschaftlichen, rechtlichen und demokratischen Perspektiven. Arbeit und Gerechtigkeit waren das Versprechen im Wahlkampf. Mit guter Regierungsführung und Bekämpfung der Korruption soll und kann dieses Versprechen nun eingelöst werden.
An einer von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) und den SP Migrant:innen Schweiz organisierten Tagung vom 18. Juni 2021 diskutierten über 60 Teilnehmende aus der Schweiz, aus Kosovo und weiteren Ländern des Westbalkans die Frage, welchen Beitrag die Diaspora zu einer demokratischen und nachhaltigen Entwicklung im Kosovo leisten kann. Denn die rund 700 000 kosovarischen Bürger und Bürgerinnen, die ausserhalb ihres Heimatlandes leben, haben mehr zu bieten, als ihren Angehörigen Geld zu überweisen.
Unsere Erwartungen sind:
1. Wir erwarten von den zuständigen Institutionen beider Staaten, dass sie eine Diasporapolitik entwickeln und konkrete Pläne für den Aufbau und die Etablierung gemeinsamer und nachhaltiger Mechanismen und Strukturen formulieren und umsetzen, die auf allen Ebenen die relevanten Akteure einbeziehen, insbesondere transnationale (Fach)Personen und Netzwerke (Verbände und andere Interessengruppen) der Diaspora. Nach Vorbild und Grundprinzip der europäischen Integration soll der Austausch verstärkt und eine koordinierte und kohärente Zusammenarbeit aufgebaut werden. Eine wirksame und umfassende Migrations- und Entwicklungspolitik soll dabei zu den Prozessen der Annäherung und Integration der Republik Kosovo in die EU (inkl. Visaliberalisierung) beitragen.
2. Wir erwarten von beiden Staaten, dass sie die bestehende Migrationspartnerschaft erneuern und sich in diesem Rahmen dafür einsetzen, die soziale, rechtliche und wirtschaftliche Situation der kosovarischen Diaspora in der Schweiz zu verbessern und umgekehrt. Namentlich sollen die Schweiz und Kosovo sicherstellen, dass ihre Staatsangehörige im Partnerstaat nicht diskriminiert oder sanktioniert werden, wenn sie Leistungen des Staates in Anspruch nehmen, auf die sie ein Recht haben. Menschen, die ihr Leben lang einen Beitrag für die Schweiz geleistet werden, dürfen nicht mit der Verschlechterung oder gar Entzug von Aufenthaltsrecht bestraft werden, wenn sie ihr Recht auf soziale Unterstützung beanspruchen. Sichere Aufenthaltsrechte sind eine der wichtigsten Errungenschaften für eine faire, demokratische und gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft.
3. Wir erwarten von der neuen Regierung in Kosovo, dass sie rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen bereitstellt, damit die Diaspora wirksam zur demokratischen und nachhaltigen Entwicklung des Kosovo beitragen kann, namentlich
– dass sie rasch die Voraussetzungen schaffen, um die Verhandlungen über ein wirtschaftliches Partnerschaftsabkommen ewofür auf Schweizer Seite das an Nachhaltigkeitskriterien orientierte Verhandlungsmandat bereits verabschiedet wurde
– dass sie einen Sozial- und Wirtschaftsattaché entsendet, welcher der Diaspora als Ansprechperson und zentrale Anlaufstelle («single entry point») zur Verfügung steht;
4. Wir erwarten von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), dass sie im neuen schweizerischen Kooperationsprogramm mit Kosovo 2022–2025, das sie zurzeit mit den Partnern vor Ort erarbeitet, dem Einbezug der Diaspora einen hohen Stellenwert einräumt und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Plattformen unterstützt und bei Bedarf mitaufbaut, um das grosse Potenzial in der Diaspora zu vernetzen und gewinnbringend für alle mit einzubeziehen.
5. Wir erwarten von allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren, dass sie mit Unterstützung und Einbezug der Diaspora zum Aufbau von unabhängigen und starken Gewerkschaften beitragen. Nur mit starken Gewerkschaften und mit verhandlungsfähigen Arbeitgeberverbänden gelingt es den Sozialpartnern, tragfähige Kollektive Lösungen (Gesamtarbeitsversträge, Tarifverträge) auszuhandeln und durchzusetzen. Diese bilden die Grundlage für gute und faire Löhne und gute und sichere Arbeitsbedingungen und den Aufbau eines starken Berufsbildungssystems.
6. Wir erwarten von den Parteileitungen der SP und von Vetëvendosje, dass sie auf der Grundlage der sozialdemokratischen Werte in einem partizipativen Verfahren eine Vereinbarung erarbeiten und abschliessen, welche die Bedingungen für die Zusammenarbeit zwischen unseren Parteien regelt und die Mitsprachemöglichkeiten der Diaspora gegenüber heute deutlich erweitert und stärkt.
7. Wir erwarten von der Diaspora in der Schweiz, die vielfältig zusammengesetzt ist und Menschen aus allen Staaten des Westbalkans und darüber hinaus umfasst, dass sie über ihre familiären Beziehungen und einen verstärkten Dialog dazu beiträgt, Frieden und Demokratie zu fördern, die bestehenden Konflikte zu überwinden und die Gleichstellung von Mann und Frau und die Inklusion aller in einer vielfältig gewordenen Gesellschaft voranzubringen.
Grundlage dieser Resolution bildet eine öffentliche Tagung der SP Migrant:innen Schweiz und SP Schweiz vom 18. Juni 2021:
Programm
Begrüssung, Fabian Molina (Nationalrat SP) und Arber Bullakaj (GL SP Migrant:innen)
Einleitende Statements
– Liza Gashi, Vize-Ministerin für Aussenpolitik und Diaspora, Kosovo
– Sihana Bejtullahu, Co-Geschäftsführerin GERMIN für Diaspora-Beteiligung
– Cyrill Rogger, SOLIDAR, Programmverantwortlicher Südosteuropa
– Ruth Huber, Botschafterin, Vize-Direktorin DEZA, Chefin Ostzusammenarbeit
Panel-Diskussion mit den Referent/innen unter Leitung von Nationalrat Fabian Molina
Arbeitsgruppen zum Beitrag der Diaspora zu einer demokratischen und nachhaltigen Entwicklung im Kosovo
– Der Beitrag der Diaspora zur Projektarbeit der DEZA und NGO im Kosovo
– Wie Rechtssicherheit schaffen für Investitionen und Know-How-Transfer von KMU
– Zusammenarbeit der Parteien auf Ebene Basismitglieder und auf Stufe Parlament
– Zusammenarbeit der Gewerkschaften zur Stärkung der Sozialpartnerschaft
– Der Beitrag zur Überwindung des Nationalismus und für Gleichstellung und Inklusion
Schlussrunde und Resolution
Unterstützt von prointegra.ch – SOLIDAR – Vetëvendosje Schweiz