Im Vergleich mit anderen Parteien ist der Frauenanteil in der SP überall sehr gut. Wir dürfen aber niemals selbstzufrieden stehen bleiben. Und wir sollten die bürgerlichen Parteien unter Druck setzen.
von Flavia Wasserfallen
Ein Schulterzucken und eine Bemerkung, dass es nicht immer gut kommt, wenn man die Medien kritisiert. Das war die ernüchternde Reaktion der FDP-Leitung, als wir mit ihr die sexistische Medienkampagne gegen Isabelle Moret diskutieren wollten. Eigentlich ein erstes Indiz dafür, wie wenig ernst es der Partei mit der Frauenkandidatur für den Bundesrat war. Isabelle Moret,
notabene die einzige weibliche FDP Parlamentarierin der ganzen lateinischen Schweiz (!), sollte als ungefährlicher weiblicher Flankenschutz für den Masterplan der FDP-Rennleitung dienen: die Wahl von Ignazio Cassis nicht gefährden und gleichzeitig das FDP-Frauenimage aufpolieren. Die Wahl der Frau war nie geplant, nie gewollt. Wieso sonst hätte sich die FDP Frauen in vorauseilendem Gehorsam bereits 24 Stunden nach Didier Burkhalters Rücktritt von einem Frauenanspruch verabschiedet? Eine Startbahn für eine erfolgreiche Frauenkandidatur, die dann später mit
Isabelle Moret eben doch noch kam, sieht anders aus. Die eigene Kandidatin abschiessen, bevor sie abheben kann, hinter den Kulissen auch noch über sie herziehen und dann nach der Nicht-Wahl den «Politmachos der SP» die Schuld in die Schuhe schieben: Mit Verlaub, ein starkes Stück, Frau Fiala! Immerhin wurde wieder auf allen Kanälen die Stellung der Frau in der Politik diskutiert, es wurden Quoten gefordert oder verteufelt. Und natürlich fleissig der Schwarze Peter weitergegeben. Die Aufregung dauerte ein paar Tage, dann rückten zum Glück wieder die nüchternen Zahlen ins Zentrum: Die Rechten haben ein Frauenproblem, die Linken nicht.
Wer diese Feststellung verdrehen will, will, hat entweder den Realitätssinn verloren oder etwas zu kaschieren. Fakt ist: Die Frauen sind bei der SP sowohl im Bundesrat, im eidgenössischen
Parlament wie auch in den kantonalen Exekutiven paritätisch vertreten, im SP-Präsidium und der Geschäftsleitung gibt es eine Frauenmehrheit. Die FDP hingegen hatte seit Elisabeth Kopp nie mehr eine Frau im Bundesrat und ist im Parlament und in den kantonalen Exekutiven mit einem Frauenanteil von 18 Prozent vertreten. Beschränkt man die Rechnung auf die lateinische Schweiz, liegt der Frauenanteil noch bei 6 Prozent! Es gibt mehr Wölfe im Wallis als welsche FDP-Frauen in wichtigen Ämtern.
Das ist weder lustig noch gut. Und wir haben Möglichkeiten, die bürgerlichen Parteien unter Druck zu setzen. Mit Quotenforderungen, mit der Weigerung, an reinen Männerdiskussionsrunden
teilzunehmen, und indem wir unsere Vorbildfunktion beibehalten. Denn auch wenn die Zahlen gut sind, darauf ausruhen dürfen wir uns keinesfalls. Darum kommt auch das feministische Manifest der SP Frauen* zum richtigen Zeitpunkt. Zu ihrem 100-jährigen Bestehen macht sie der SP Schweiz ein Geschenk, indem sie einen ganzen Strauss von Forderungen präsentiert, wie wir noch besser
werden können. Die Massnahmen reichen von der Einführung von Gender-Watch-Protokollen an Delegiertenversammlungen und Parteitagen über eine konsequentere Verwendung geschlechtergerechter
Sprache bis hin zu mehr Ressourcen für feministische Arbeit. Der Hintergrund des Geschenks ist klar: Frauenpolitik darf nicht an Frauen «abdelegiert» werden, sondern gehört in das Herz der SP. Lassen wir
also nach wie vor Zahlen und Taten sprechen und bleiben wir niemals selbstzufrieden stehen!
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